Roger Ebert: "Life Itself: A Memoir" [2011]

Wertung: 5.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 23. November 2016
Autor: Roger Ebert

Genre: Biografie

Originaltitel: Life Itself: A Memoir
Originalsprache: Englisch
Gelesen in: Englisch
Ausgabe: E-Book
Länge: 585 Seiten
Erstveröffentlichungsland: USA
Erstveröffentlichungsjahr: 2011
Erstveröffentlichung in Deutschland: noch nicht erschienen
SBN-Nr. (gelesene Ausgabe): 978-0-446-58498-2


Hintergrund:

Geboren am 18. Juni 1942 in Urbana, Illinois, war Roger Joseph Ebert ein US-amerikanischer Filmkritiker, Journalist und (Drehbuch-) Autor. Zusammen mit dem Filmkritiker Gene Siskel wurde er als Gastgeber einer Fernsehsendung bekannt, in der beide Filme rezensierten, und beide prägten den Begriff "Daumen hoch" für eine positive Bewertung. Er war 2005 der erste Filmkritiker, der seinen eigenen Stern auf dem Hollywood Walk of Fame bekam.
Dies sind seine Memoiren.


Kritik:
Bereits in seinem 40 Jahre umspannenden Schaffenswerk als Filmkritiker besaß Roger Ebert eine unverwechselbare Art zu Schreiben. Statt von oben herab zu belehren, oder nur deshalb zu schreiben, weil er sich über ein Thema auslassen wollte, scheint er seine Berichte immer direkt an den Leser zu richten. Nicht an alle, wohlgemerkt, nur an genau diesen, der seinen Text in dem Moment liest. Auch seine Autobiografie Life Itself besitzt diesen Hauch einer persönlichen Botschaft, was seinen Schilderungen ein noch persönlicheres Flair verleiht. Auf eine unnachahmliche Weise nimmt er den Leser mit auf eine Reise, die sein Leben darstellt. Und was für eine Achterbahnfahrt es war.

Kaum ein Leser wird nicht wissen, dass Roger Ebert eine Größe der amerikanischen Popkultur gewesen ist – eine bemerkenswerte Leistung für jemanden, der als Filmkritiker Jahrzehnte bei ein und derselben Zeitung beschäftigt war. Diesen Lesern wird auch bereits bekannt sein, dass er 1975 den Pulitzerpreis für seine Arbeit gewann und in seinem späteren Leben mehrmals an Krebs erkrankte. Die Behandlungen raubten ihm die Fähigkeit zu sprechen, was zumindest seine Karriere als Gastgeber seiner Fernsehsendung, in der er neue Filme diskutierte, beendete.
Aber selbst wem diese Wegstationen bereits bekannt sind, wird in seinen Erzählungen, die von einfachen Kindheitserinnerungen bis hin zu philosophischen Erwägungen um das Leben, den Tod oder das Universum reichen, einen so unverblümten und ehrlichen Einblick in sein Leben bekommen, als würde man sich mehrere Nachmittage mit ihm zu einem privaten Gespräch treffen.

Was einen dabei inhaltlich am meisten überrascht und inspiriert ist nicht die Tatsache, dass Roger Ebert sich so lebhaft an unzählige Details erinnert, die mehr als ein halbes Jahrhundert zurückliegen, sondern dass es ihm gelingt, trotz allem, was ihm insbesondere in den letzten Jahren widerfahren ist, nicht verbittert zu sein. Mit über 60 Jahren entdeckte der Autor Online-Blogs und soziale Medien als seine neue Kommunikationsform und wurde für seinen Online-Journalismus sogar mit Preisen ausgezeichnet. Seine Schilderungen in Life Itself lassen eine unbändige Neugier erkennen, die selbst bei der Beschreibung seiner wiederholten Besuche in Cannes nicht nachlassen. Man kann sich bei manchen Anekdoten das Funkeln in seinen Augen richtiggehend vorstellen.

Sprachlich sind Roger Eberts Memoiren so leicht zugänglich, dass man sich fragt, wie es einem Autor gelingt, so leichtfüßig und im besten Sinne gewöhnlich zu schreiben. Doch dahinter eine einfache Prosa zu vermuten, wäre zu kurz gedacht. Kapitel 46 über seine Ehefrau "Chaz" ist eine Liebeserklärung, die ergreifender nicht sein könnte. Dort, wie auch insbesondere die letzten beiden Kapitel "How I Believe in God" und "Go Gently", wohnt den Formulierungen des Autors eine solche Melodie inne, dass man es gelesen haben muss, um es zu verstehen. Sein Credo über Güte als Lebensmotto und die Aufgabe eines jeden, andere und sich selbst glücklicher zu machen, ist von einer einnehmenden Gewandtheit.

Zwar wiederholen sich einige Schilderungen und Bezüge in der zweiten Buchhälfte und auch manche Kapitel scheinen, als würden die Beschreibungen versuchen, den rasenden Gedanken Rechnung zu tragen, ohne sie einholen zu können. Aber würde es einem selbst nicht ebenso ergehen? Wie sollte jemand unbeteiligtes alle Pointen und Verweise auf Erinnerungen verstehen, die man mit jemand anderem teilt?
Life Itself ist eine lebensbejahende Biografie eines Mannes, der sich trotz seiner Schicksalsschläge die Freude auf das Leben nicht hat nehmen lassen. Das ist überraschend kurzweilig und höchst unterhaltsam zu lesen, höchst informativ und ungemein ermutigend.


Fazit:
Erzählt Autor Roger Ebert in den letzten Kapiteln von seiner Vorstellung vor dem Tod und dass er nicht damit rechnet, demnächst zu sterben, dann besitzen seine Worte keine Schwermut, aber doch eine gewisse Tragik. Verstorben am 4. April 2013, beendete er zwei Tage zuvor seinen letzten Blogeintrag mit einem Dank an alle, die ihm auf seiner Reise gefolgt waren. Seinen Memoiren ist zu entnehmen, dass er in Frieden war mit sich und der Welt und dass er trotz allem, trotz seiner Krankheit und ihrer Auswirkungen, den Blick für die Schönheit in unserem Universum bewahrt hat. Damit einher geht Eberts Wissbegierde, die ebenso ansteckend ist, wie seine Demut und mitunter entblätternde Ehrlichkeit inspirierend. Auch wenn ein, zwei Kapitel inhaltlich so viele Gedankensprünge machen, dass man die Passagen mehrmals lesen muss, um sie zu verstehen, Life Itself ist so eingängig und leicht zugänglich geschrieben, dass die Seiten wie im Flug vergehen. Nicht nur für diejenigen, die Roger Eberts Schaffen bereits kannten, ist das überaus lesens- und empfehlenswert.