Richard Preston: "Hot Zone. Tödliche Viren aus dem Regenwald" [1994]

Wertung: 5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 21. Juni 2009
Autor: Richard Preston

Genre: Dokumentation / Thriller

Originaltitel: The Hot Zone
Originalsprache:
Englisch
Gelesen in: Englisch
Ausgabe: Taschenbuch
Länge: 422 Seiten
Erstveröffentlichungsland: USA
Erstveröffentlichungsjahr: 1994
Erstveröffentlichung in Deutschland: 1995
ISBN-Nr. (gelesene Ausgabe): 0-385-47956-5


Kurzinhalt:
1980 infiziert sich Charles Monet bei einem Höhlenbesuch in Zentralafrika mit dem Marburgvirus. Nach einem zuerst unauffälligen Krankheitsverlauf stirbt er wenige Tage später in einem Krankenhaus in Nairobi. Sein Martyrium wiederholt sich in Afrika öfter, als Viele überhaupt erahnen können. Ebola und Marburg gehören zu einer Virengruppe, die den Kontinent immer wieder heimsucht, ehe sich die Erreger wieder in die Tiefen der Urwälder zurückziehen.
Jahre später taucht ein Ebolavirus in einem Lager für die für Tierversuche vorgesehenen Affen in Reston, Virginia in den USA auf. Während die US-Army Nancy Jaxx und ihren Mann Jerry an den Tatort schicken, um den Ausbruch zu untersuchen, und unter Kontrolle zu bringen, rafft das Virus große Teile der Affen dahin. Bis schließlich die ersten Krankheitsfälle bei den Pflegern auftauchen.
Der Tatsachenroman Hot Zone beschreibt den Krankheitsausbruch und die Maßnahmen der amerikanischen Gesundheitsbehörde CDC, sowie der US-Army, jenen Ausbruch einzudämmen. Die Hintergründe der Viren werden ebenso geschildert wie ihre Auswirkungen auf die Opfer.


Kritik:
Sei es die "Neue (Schweine-) Grippe" oder AIDS, Krankheitserreger und Viren gehören für uns Menschen seit Langem zum Alltag. Und auch wenn man sie auf Grund ihre Größe nicht wahrnimmt, ihre Auswirkungen auf den Organismus sind zum Teil nicht nur fatal, sondern unübersehbar. Die aktuelle Grippewelle verdeutlicht diesbezüglich lediglich, die leicht das Immunsystem aus dem Gleichgewicht zu bringen ist.
In Hot Zone beschreibt Autor Richard Preston, wie ein mutiertes Virus, dessen Verwandte dem Menschen nicht nur gefährlich werden können, sondern bei den Opfern gar eine Todesrate von 50-90% aufweist, die Gesundheitsbehörden und die zuständigen Armeeabteilungen mobilisiert, um eine Ausbreitung der Krankheit zu verhindern. Diesbezüglich beschäftigt sich der dokumentariische Thriller vorab mit den Ursprüngen jenes Virenstranges, der zur Familie der Filoviridae gehört und mit dem Marburg- und Ebolavirus verwandt ist.

Hat man das erste Kapitel mit 24 Seiten hinter sich, stellt man sich als Leser die Frage, ob man weiterlesen soll, oder lieber aufhören. Was der Autor in jenen Seiten vorstellt, sind die Auswirkungen des Marburgvirus auf einen Menschen. Der schnelle Krankheitsverlauf erinnert dabei zu Beginn an eine Grippe, ehe das Virus den Körper des Betroffenen teilweise verflüssigt und schlichtweg zerstört. Auch wenn man in manchen Dokumentationen oder Berichten Bilder von erkrankten Menschen gesehen hat, detailliert zu lesen, in welchem Maße die Opfer unumkehrbar von dem Krankheitserreger geschädigt werden, verleiht der Thematik eine ganz neue, erschreckende Dimension.
Autor Preston chronologisiert in seinem Roman dabei die ersten, dokumentierten Erscheinungen des Ebola-Virus, die zu einem großen Ausbruch in der afrikanischen Bevölkerung geführt haben und stellt dabei auch anerkannte Theorien vor, wie jene Viren überhaupt den Sprung zum Menschen geschafft haben. Selbst das HIV-Virus wird so beleuchtet. Packend wird die Erzählung durch die stilistischen Mittel, mit denen Preston seinen Figuren Tiefe verleiht, wie er sie auftreten lässt und wie detailliert er die Abläufe und die Hintergründe schildert. Dabei gibt es genügend Stellen im Roman, in denen man sprachlos vor Erstaunen oder Wut zurückgelassen wird, Momente, die einen auf Grund des realen Hintergrundes schlichtweg sprachlos machen. Auch wenn dabei Personen vorgestellt werden, die trotz besseren Wissens panikartig reagieren im Angesicht einer solchen Bedrohung, oder aber die sich auf Grund von Profitgier zu Handlungen hinreißen lassen, die jedem gesunden Menschenverstand spotten, Preston verteufelt diese Figuren nicht oder schildert sie als überspitzt bösartig. Selbst die Meinungsverschiedenheiten zwischen Vertretern der US-Army und der amerikanischen Gesundheitsaufsicht CDC werden wertfrei dargebracht und die Entscheidungen der Personen präsentiert, ohne diese in Frage zu stellen. Insofern haftet Hot Zone unweigerlich das Flair eines biografischen Romanes an, auch wenn Richard Preston trotz der Lobeshymnen auf sein Werk auch mit Kritik zu kämpfen hatte, er habe manche Stellen im Roman überdramatisiert.
Herausgekommen ist ein packender Tatsachenbericht, der sich nicht nur auf den Ausbruch des Ebolavirus in Reston, Virginia – einem Vorort Washingtons – beschränkt, sondern gleichzeitig das Jahrzehnte überspannende Geflecht aufdeckt, das für die gefährlichen Viren überhaupt und ihre Ausbrüche in verschiedenen Teilen Afrikas verantwortlich ist. Ohne Frage verbergen sich dabei immer wieder Mutmaßungen und Theorien, die Preston allerdings auch als solche kennzeichnet. Wer sich darauf einlässt, bekommt einen zutiefst beunruhigenden Einblick in die Thematik geliefert, der einem nicht nur die Augen für die Gefahr öffnet, in der die Menschheit durch jene Erreger steht, sondern gleichzeitig die Ursachen für diese Zunahme an Erkrankungen vorstellt. Durch die Ausbreitung des Menschen in Gebiete, die bislang der Ausbalancierung der Natur vorbehalten waren, Kontakte der Menschen mit Tieren, die Träger solcher Viren sind und die Vernetzung der unterschiedlichsten Kontinente durch Autobahnen und Fluglinien begünstigen die Ausbreitung eines solchen Virus auf eine unvorstellbare Art und Weise. In Hot Zone wirft Richard Preston dabei die Frage auf, ob die Erde nicht dafür geschaffen sei, fünf Milliarden Menschen zu beheimaten und ernähren. Inzwischen sind wir bei einer Weltbevölkerung von 6,8 Milliarden angekommen und zu den vor 15 Jahren bekannten drei Strängen des Ebolavirus ist ein weiterer hinzugekommen. Einer, der auch auf den Menschen übertragbar ist.

Ob Preston den tatsächlichen Ereignissen um den Ausbruch des Virus in den USA aus dramaturgischen Gründen Elemente hinzugedichtet hat, oder nicht, sei dahingestellt. Mit Hot Zone ist ihm ein erstklassiger Roman gelungen, der den Lesern nicht nur die Thematik auf verständliche Weise näher bringt, sondern einem auch die Augen dafür öffnet, wie gefährlich eine solche Pandemie, wie sie derzeit bei der "Neuen Grippe" ausgerufen wurde, tatsächlich ist. Auf diese Weise hatte bis dahin kaum ein Autor einen tatsächlichen Ausbruch recherchiert und für die Leserschaft aufbereitet. Hollywood nahm den Roman als Anlass, den fiktiven Outbreak - Lautlose Killer [1995] daran zu orientieren. Was im Film besser gelungen ist, ist die Steigerung der Spannung im letzten Drittel, das bei Hot Zone in gewissem Sinne antiklimaktisch wirkt. Denn auch wenn es in der Realität wünschenswert und belegbar ist, für einen Unterhaltungsroman hätte man sich hier mehr versprochen. Diesbezüglich wirkt auch der vierte Abschnitt des Romans, der von einer Expedition Prestons in die Kitum Höhle handelt, nicht wirklich wichtig und zieht das Buch unnötigerweise in die Länge. Dafür darf sich Richard Preston zum Schluss hin selbst in Szene setzen. Und dies sei ihm nach der Vorarbeit nicht genommen.


Fazit:
Das erste Kapitel versetzt den Leser unweigerlich in einen Schockzustand. Wer den tragischen und erschütternden Krankheitsverlauf von Charles Monet auf diese plastische und realistische Weise zum Leben erweckt sieht, kann nicht umhin, das Buch im Anschluss erst einmal deprimiert zur Seite zu legen. Doch hat Autor Richard Preston noch viel mehr im Petto als nur jenes Schicksal. Er erzählt von Krankenschwestern, Ärzten und Nonnen, die sich an den tödlichen Viren ansteckten, und von ganz einfachen Menschen in Afrika, die zu Dutzenden den Tod fanden auf eine unvorstellbare Art und Weise.
Mit dieser Grundlage gewinnt allein die Vorstellung eines solchen Krankheitsausbruchs inmitten der USA, von wo aus sich ein solches Virus weltweit wie ein Lauffeuer verbreiten könnte, eine Gewichtung, die das Leid der Menschen in Afrika nicht schmälert, sondern allenfalls ein Bewusstsein dafür schafft. Hot Zone gehört für mich zu einem der beunruhigendsten und stellenweise aufwühlendsten Bücher, die ich seit langem gelesen habe. Vor allem behandelt es ein Thema, vor dem sich in unserer vernetzten Welt niemand verstecken kann. Das letzte Drittel mag für die Konventionen eines Unterhaltungsthrillers zwar etwas enttäuschen (was man einem Tatsachenroman allerdings nicht zum Vorwurf machen kann) und auch der Epilog scheint nicht wirklich notwendig. Doch dank der verständlichen Sprache und des Tempos, mit dem Preston die Ereignisse schildert, fallen jene Mankos nicht wirklich ins Gewicht.