Howard Swindle: "Doin' Dirty" [2000]

Wertung: 5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 27. September 2007
Autor: Clinton Howard Swindle

Genre: Thriller

Originaltitel: Doin' Dirty
Originalsprache:
Englisch
Gelesen in: Englisch
Ausgabe: Gebundene Ausgabe
Länge: 292 Seiten
Erstveröffentlichungsland: USA
Erstveröffentlichungsjahr: 2000
Erstveröffentlichung in Deutschland: noch nicht erschienen
ISBN-Nr. (gelesene Ausgabe): 0-312-20389-6


Kurzinhalt:
Ein Jahr ist vergangen, seit sich Polizist Jeb Quinlin aus Dallas seinen Dämonen stellen musste, und seither keinen Schluck mehr anrührte – obwohl der Alkohol gerade nach einem schweren Tag verführerisch erscheint. Sein neues Leben mit der Millionenerbin Madeline gestaltet sich allerdings nicht immer ganz unkompliziert, zumal Quinlin sich noch nicht in der Lage sieht, sich fest zu binden.
Sein Partner Paul McCarren lenkt seine Aufmerksamkeit auf einen ermordeten Journalisten, ein Kollege von Jebs Bekanntem Clint Harper. Der junge Reporter untersuchte offenbar die Hintergründe der einflussreichen, texanischen Familie Colter, die an sich außerhalb von Quinlins Befugnis liegt, auch wenn sein Jugendschwarm Rebecca den Sohn des "Pan Permian"-Colter-Imperiums Buck geheiratet hat.
Eher aus Routine heraus geht Quinlin der Spur nach und sieht sich wenig später in ebenso großer Gefahr, wie alle anderen, die sich gegen die Colters stellen. Anscheinend hat die Familie weit mehr für sich zu behalten, als zunächst angenommen, auch wenn Quinlin sich außer Stande sieht, ihnen auf Grund ihrer politischen Verstrickungen gefährlich werden zu können. Doch wenig später schon steht viel mehr auf dem Spiel, als die Lösung eines Falles. Quinlin selbst steht auf der Liste des Killers ...


Kritik:
Während der Regenarionsphase nach seiner ersten großen Krebs-Operation brachte der Journalist und Sachbuchautor Howard Swindle unter anderem Doin' Dirty, den Nachfolger seines ersten Unterhaltungsromans Jitter Joint [1999], zu Papier. Dabei greift der Autor einmal mehr seine Hauptfigur, den Dallas-Polizisten Jeb Quinlin auf, der ein Jahr nach Jitter Joint mit seinem neu geordneten Leben einen sehr persönlichen Fall zu lösen hat, bei dem er sich auch mit seiner Vergangenheit auseinandersetzen muss.
Einmal mehr scheint es, als würde Swindle die Chance nutzen, sich auch seinen eigenen Dämonen zu stellen und führt die in Jitter Joint geschilderte Alkoholsucht seines Protagonisten hier nach einem Jahr "Trockenheit" fort. Auch die übrigen Kernthemen des Romans, sei es nun der erneut vorgestellte Vietnam-Krieg (in dem Swindle auch selbst gedient hat), die Machenschaften hinter den verschlossenen Türen der Zeitungsagenturen oder die Zusammenhänge und Ursprünge eines Verbrecherkartells im Herzen von Texas scheinen aus persönlichen Erfahrungen Swindles und seiner journalistischen Arbeit zu stammen.
Herausgekommen ist ein ebenso empfehlenswerter, gelungener und durchweg authentischer Thrillerroman, der auch ohne Vorkenntnis von Jitter Joint funktioniert, aber erst im Zusammenspiel sein Potential voll entfaltet.

Es ist in der Tat erstaunlich, wie viele Themen der Autor in seinem zweiten Roman anspricht und für eine gewisse Zeit auch in den Mittelpunkt rückt. Dabei teilt man als Leser die Erinnerungen und Erfahrungen von Jeb Quinlin, der auf einer langen Autofahrt die Zusammenhänge des Falles Revuepassieren lässt und dabei sogar auf juristische Hintergründe Rücksicht nimmt, Vorgehensweisen der Polizei kommentiert und sogar seine eigene Meinung zum Thema Todesstrafe zum Besten gibt.
Das Bild, das Swindle so von dem erfahrenen Dallas-Polizisten zeichnet scheint vielmehr dokumentarisch als fiktiv, wirkt mit der tiefen Hintergrundgeschichte um den alkoholsüchtigen Vater, die eigene Sucht und ihre Auswirkungen und das Bekämpfen derselben, als wäre man als Leser ein unmittelbar Beteiligter. Interessanterweise verzichtet der Roman auf eine Wertung oder In-Schutz-Nahme solcher Charaktere und schildert auch bösartige Figuren, die zu grausamen Taten fähig sind, ohne ihre Verbrechen durch psychologische Hintergrundprofile schmälern zu wollen. Die Charakterzeichnungen sind stellenweise so detailliert, dass man nach der Hälfte des Romans das Gefühl bekommt, man kenne die Figuren ebenfalls seit der Kindheit.
Es gelingt Howard Swindle gut, der bereits im ersten Roman dargestellten Figur Jeb Quinlin neue Aspekte abzugewinnen, den fortschreitenden Kampf gegen den Alkohol ebenso greifbar wie klischeefrei zu schildern und seine Befürchtungen und Hoffnungen in Bezug auf sein neues Leben ebenso glaubwürdig zu schildern.
Dahingegen verschwindet Madeline leider sehr früh aus dem Roman, bekommt allerdings auch am Ende noch einige sehr wichtige Momente zugeschrieben. Von Paul McCarren, der bereits bei Jitter Joint als Partner Quinlins zugegen war, ist bedauerlicherweise ebenfalls sehr wenig zu lesen.
Anders bei dem Journalist Clint Harper, der ebenfalls treffend charakterisiert wird, ohne aber wie eine beiläufig beschriebene Figur zu wirken. Auch er bekommt Profil und darf einen wichtigen Storyarm des Romans erzählen.
Einen großen Teil nimmt verständlicherweise die Familie Colter ein, die in wenigen Jahrzehnten ein riesiges und skrupelloses Netzwerk aus Verbrechen und Korruption aufgebaut haben, in dem das menschliche Leben weit weniger wert ist, als Profit. Während Swindle an dem trinkenden Buck Colter einmal mehr die Auswirkungen von Alkohol schildert, lenkt er sein Augenmerk bei Rebecca Colter und Charley Blake darauf, wie gutmütige Menschen durch die Macht, den Wohlstand und die Sicherheit korrumpiert werden.
Der Roman deckt viele Bereiche ab, die glücklicherweise alle ausgenutzt werden und trotz der geringen Seitenzahl nicht gehetzt erscheinen – die dabei mehr herausstehen, als alles andere.

Und doch fasziniert es ungemein, wenn sich vor den Augen Quinlins und des Lesers die Hintergründe, Anfänge und Aufstiege einer der mächtigsten, einflussreichsten und gefährlichsten Familien in Texas offenbart. So ungeschönt, augenscheinlich harmlos und doch organisiert wirken die Vorgehensweisen von Clendon Colter und seinen Söhnen, dass man sich fragen muss, ob so etwas nicht viel öfter passieren könnte, als bislang angenommen. Auf Grund der detaillierten Beschreibungen mit Ortsangaben, Wegedetails, landschaftlichen Besonderheiten und Verweisen auf Grundschatzämter, Immobilienvorgängen und politischen Programmen wirkt das aufgezeigte "Pan Permian"-Imperium so authentisch wie beängstigend.
Der Fall entfaltet sich somit erst schleppend, dann in ungeheurem Tempo, ehe die Polizeiarbeit durch die ständig ins Gehege kommenden Zuständigkeiten in den amerikanischen Counties und die politischen Verwicklungen der Schergen in die höchsten Ämter ins Stocken gerät. Je aufschlussreicher die Ermittlungen sind, umso entmutigender sind die Schlussfolgerungen bezüglich der Unantastbarkeit der Hintermänner. Mit Doin' Dirty zeichnet Howard Swindle eine der glaubwürdigsten und fesselndsten Krimi-Stories, die seit langem gedruckt wurden – dabei steigt die Spannung bis zum Finale immer mehr, ehe sich der explosive Showdown zugegebenermaßen zu schnell entlädt. Hier hätte man sich sicherlich mehr gewünscht, und auch der Epilog hätte länger sein können, oder zumindest die Hauptcharaktere nochmals vorstellen müssen.

Nichtsdestotrotz gestaltet sich der Roman so atmosphärisch wie packend, wenn auch auf Grund des Sprachstils für Leser, die im Englischen nicht so sehr bewandert sind, mitunter schwierig. Einerseits drosseln die vielen Fachbegriffe und juristischen Bezüge die Lesegeschwindigkeit, andererseits sind es eben die authentisch wirkenden Formulierungen und Dialoge im texanischen Slang, die den Roman über den Genredurchschnitt heben.
Dass Howard Swindle als Journalist seine Wort wohl überlegt wählt, erkennt man auch daran, dass sich selbst in Nebensätzen wichtige und interessante Informationen verstecken. So gestaltet sich die erste Hälfte des Romans etwas schwerer zugänglich, als die gewohnte Pop-Literatur. Doch das ist kein Kritikpunkt, sondern ein weiterer Pluspunkt für den sehr guten Thriller, der leider der letzte des viel versprechenden Autors war.


Fazit:
Es ist beeindruckend, wie unterschiedlich die beiden Romane mit Hauptfigur Jeb Quinlin ausgefallen sind. Konzentrierte sich Jitter Joint auf die klaustrophobische Wirkung des Entzugs auf den Protagonisten und präsentierte eine Reihe von Morden ohne einen Verdächtigen, setzt Doin' Dirty auf die ebenfalls klaustrophobische Wirkung einer beinahe übermächtigen und kaum bezwingbaren Verbrecher-Familie. Doch statt viele Morde aufzuklären, bleibt die Anzahl der Opfer zunächst überschaubar, und auch die Täter sind schnell ausgemacht. Nur politisch eben unantastbar.
Kaum ein Thriller baut in so kurzer Zeit so gekonnt ein glaubhaftes, weil nicht übertriebenes Verbrechernetzwerk auf, dessen Verstrickungen in die höchsten Ebenen reichen, und das sich in Sekundenschnelle zuziehen kann, sollte eine Gefahr für die Colter-Familie bestehen. Doch bleibt dies bei Howard Swindles zweiten Unterhaltungsroman nicht das einzige Grundthema. Ebenso stark gewichtet der Autor den Umgang seiner Hauptfigur mit der immer noch verlockenden und nur einen Schritt entfernten Alkoholsucht, die gerade bei erhöhtem Stress Jeb Quinlin wie ein schneller Ausweg scheint.
Dieser menschlichen, markanten und mit ebenso viel Liebe zum Detail geschilderten Figur zu folgen, den Polzeialltag zu meistern und sich den Schatten der Vergangenheit zu stellen, macht den Reiz des sehr guten und auch sehr gut konzeptionierten Thrillers für mich aus. Dank der bildlichen Beschreibungen kann man die Landschaftsbilder, die Gerüche und Geräusche beinahe miterleben und auch die Dialoge sind dank des Schreibstils sogar mit texanischer Betonung zu lesen. Wer sich auf die beiden überaus gelungenen Thriller rund um Dallas-Cop Quinlin einlässt, wird wie ich sehr bedauern, dass die Reihe leider nicht fortgesetzt werden kann.