Dan Brown: "Das verlorene Symbol" [2009]

Wertung: 5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 30. September 2009
Autor: Dan Brown

Genre: Thriller

Originaltitel: The Lost Symbol
Originalsprache:
Englisch
Gelesen in: Englisch
Ausgabe: Gebundene Ausgabe
Länge: 509 Seiten
Erstveröffentlichungsland: USA
Erstveröffentlichungsjahr: 2009
Erstveröffentlichung in Deutschland: 2009
ISBN-Nr. (gelesene Ausgabe): 978-0-593-05427-7


Kurzinhalt:
Auf Einladung des sehr wohlhabenden Peter Solomon, reist Robert Langdon übereilt nach Washington. Mit dem bekannten und überzeugten Mitglied und Vorsitzenden eines Freimaurerordens, ist der Symbologe Langdon seit vielen Jahren befreundet. Doch statt Solomon wartet auf Langdon das von dem mysteriösem Unbekannten, der sich Mal'akh nennt, eingeleitete und kontrollierte Katz-und-Maus-Spiel, bei dem Langdon ein uraltes Rätsel entschlüsseln soll – sonst wird Peter Solomon sterben.
Wie ernst es dem Drahtzieher ist, stellt er gleich zu Beginn unter Beweis. Allerdings ist auch eine Spezialeinheit der CIA an Robert Langdons Suche interessiert und deren Leiterin Inoue Sato stets so gut informiert, dass Langdon nicht weiß, wem er trauen soll. Nur worum es in jener Nacht eigentlich geht, wird dem gehetzten Harvardprofessor verschwiegen. Schließlich gerät auch Solomons Schwester Katherine in Mal'akhs Visier. So tritt Langdon die Flucht nach vorne an und versucht, den Agenten der CIA zu entkommen und das Rätsel allein zu lösen. Dieses ist offensichtlich wichtig genug, dass alle Seiten bereit sind, dafür zu töten ...


Kritik:
Es ist erstaunlich, wie sich die Meinungen der Menschen mit der Zeit verändern. Als Autor Dan Brown vor sechs Jahren Sakrileg [2003] veröffentlichte, verbreitete sich das Interesse an dem seit jeher heiß diskutierten Roman weltweit wie ein Lauffeuer. Doch seitdem hat sich das Bild in der Öffentlichkeit stark gewandelt und das Buch wird sehr oft als schematischer, einfallsloser und primitiver Populärliteraturroman verschrieen. Allerdings hat sich an der zweifellos effektiven Art, mit welcher der Autor seinen bislang bekanntesten Roman erzählt, nichts geändert. Vielmehr ist der Markt inzwischen durch zahllose Nachahmer derart übersättigt, dass man eines der ersten Bücher jener Art schon selbst als bloße Kopie in der Erinnerung verblendet. Insofern ist Dan Brown, der jüngst mit Das verlorene Symbol sein neuestes Werk präsentierte, an jenem Punkt angekommen, an der er an seinen eigenen Büchern und jenen Trittbrettfahrern gleichermaßen gemessen wird. Die Spannung und die Erwartungshaltung bei The Lost Symbol, wie der Roman im Original lautet, war entsprechend groß. Ob Brown diese Erwartungen erfüllen kann, muss zwar letztlich jeder für sich entscheiden, mit den unzähligen Kopien kann er es jedoch allemal aufnehmen.

Nichtsdestoweniger finden sich insbesondere im ersten Drittel des Romans bekannte Versatzstücke wieder, die bislang in jedem Dan Brown-Buch anzutreffen waren. Von einem außergewöhnlichen, imposanten Bösewicht als vermeintlichem Einzelgänger, über einen sonderbaren Geheimbund mit Verschwörungspotential, bis hin zum Mentor, der auf irgendeine Art und Weise verwickelt ist, und einer Wissenschaft, die beinahe zu fantastisch klingt, um wahr zu sein. Durch sie wird letztlich die weibliche Komponente in die Geschichte eingebracht. Überraschend ist allenfalls, dass die früher oder später entstehende Hetzjagd nach dem nächsten Rätsel nun nicht mehr in Europa, sondern in der amerikanischen Hauptstadt Washington, D.C. stattfindet. Dass die ersten 170 Seiten außerdem zum großen Teil in einem Gebäude spielen, verdeutlicht den geschichtsträchtigen Hintergrund, mit dem sich die Hauptfigur, Symbologe Robert Langdon, hier auseinandersetzt.
Hier liegen auch, wie nicht anders zu erwarten, die Stärken von Dan Browns Roman, der einmal mehr unvorstellbar viele Informationen zu den Freimaurern, ihren Riten und Philosophien, sowie zur Architektur in Washington, aber auch zu dem Wissenschaftszweig der Noetischen Wissenschaften zusammenträgt und vereinfacht, bis der Wahrheitsgehalt der Buchabschnitte mitunter zweifelhaft erscheint, aber das Interesse beim Leser geweckt ist. So muten manche Passagen gar wie eine Lesung in Sachen Kunsthistorie und geschichtliche Architektur an, doch bleibt die Story immer unterhaltsam und animiert so zum weiterlesen. Man wird jedoch das Gefühl nicht los, als wolle Brown insbesondere die amerikanische Leserschaft dafür begeistern, welche Geheimnisse und Schätze vor der eigenen Haustüre schlummern. Dank der sympathischen Figuren und Rätsel – darunter auch Zahlenrätsel und Entschlüsselungen, die man selbst mitmachen kann – gelingt ihm das auch ganz gut.
Die packende Erzählweise mit sehr kurzen Kapiteln (es gibt insgesamt 135 inklusive Pro- und Epilog), die meistens mit einem unheilvollen Cliffhanger enden, sorgt letztlich auch dafür, dass man oft unfreiwillig kurz vorblättert, oder zum Ende eines Absatzes springt, da man es kaum erwarten kann zu wissen, wie es weiter geht. Allerdings täuscht auch das nicht darüber hinweg, das die konstruierte Geschichte viele Löcher besitzt und manche Auflösung im Finale lange Zeit schon absehbar war.

Effektiv, und das muss man Dan Brown zugute halten, ist Das verlorene Symbol dennoch. Auch wenn die Aussagen von Illuminati [2000] und Sakrileg die Leser an sich nur darauf rückbesinnen sollte, dass sie sich auf die eigene Stärke und Kraft verlassen sollten, anstatt sich von den Religionen quasi entmündigen zu lassen, und der Autor hier erneut in eine ähnliche Kerbe schlägt, erscheint seine Botschaft diesmal ein wenig Hoffnung erweckender. Ob die Leserschaft dies annehmen wird, bleibt abzuwarten, immerhin ist Das verlorene Symbol eindeutig esoterischer angehaucht. Wer sich darauf einlässt, den erwartet ein temporeiches und informatives Abenteuer vor einem bekannten und doch in neues Licht gerückten Hintergrund und ein Wiedersehen mit dem sympathischen, klaustrophobischen Robert Langdon, der hier seinen schlimmsten Alptraum durchlebt. Die Gedankensprünge der Figuren mögen nicht immer schlüssig sein, doch sollte man sich davon (angesichts der bisherigen Geschichten Langdons) wirklich nicht abhalten lassen.


Fazit:
Ab der Hälfte des Buches wandelt Dan Brown sein bekanntes Schema ab, ohne jedoch seinen Stil aufzugeben. Bis dahin lässt sich der Ausgang eines jeden Kapitels vorhersagen, und auch wenn dies im späteren Verlauf nicht verschwindet, wird der Effekt doch weniger. Die Figuren sind allesamt vielseitig charakterisiert, einzig über Titelheld Robert Langdon erfährt man kaum Neues. Doch insbesondere durch die Haken, welche die Geschichte in der zweiten Romanhälfte schlägt, die schier unendlichen Hintergrundinformationen, die der Autor einfließen lässt, und den temporeichen Erzählstil, mit dem Figuren wie Leser über die Seiten gehetzt werden, funktioniert Das verlorene Symbol trotz offensichtlicher inhaltlicher Lücken und einem Gefühl des Déjà-vu, das sich zwangsläufig einstellt.
Durch die unvorhergesehenen Wendungen hat mir die zweite Hälfte auch besser gefallen, als die erste, wobei Browns größtes Problem am ehesten darin besteht, dass die Leser etwas erwarten, was sich anfühlt wie ein Langdon-Roman, jedoch mit ganz anderen Elementen überrascht. Ein solcher Spagat ist jedoch kaum zu schaffen, was Das verlorene Symbol jedoch nicht weniger unterhaltsam oder empfehlens-, beziehungsweise lesenswert macht. Immerhin begeistert auch der dritte Roman um den Symbologen mühelos mehr, als es die zahlreichen Nachahmer tun, die sich an ähnlichen Themen versuchen.