Zeiten des Aufruhrs [2008]

Wertung: 5.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 21. April 2010
Genre: Drama

Originaltitel: Revolutionary Road
Laufzeit: 116 min.
Produktionsland: USA / Großbritannien
Produktionsjahr: 2008
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: Sam Mendes
Musik: Thomas Newman
Darsteller: Leonardo DiCaprio, Kate Winslet, Kathy Bates, Michael Shannon, Kathryn Hahn, David Harbour, Dylan Baker, Richard Easton, Zoe Kazan, Jay O. Sanders, Max Baker, Max Casella, Ryan Simpkins, Ty Simpkins


Kurzinhalt:
Als sie sich kennenlernten bewunderte April (Kate Winslet) Frank (Leonardo DiCaprio) allein schon für dessen Lebenslust. Sie wollten nach Europa reisen, ihrem Leben eine Bedeutung geben. Wenige Jahre später ist die Familie um zwei Kinder gewachsen und während Frank mit einem eintönigen Job den Lebensunterhalt verdient, bleibt April zuhause. Ihre Träume scheinen beide aufgegeben zu haben, nicht zuletzt, da Aprils Schauspielauftritt für Spott und Hohn sorgte. Selbst ihre Vermieterin Mrs. Givings (Kathy Bates) scheint zu spüren, dass etwas nicht stimmt.
Bald häufen sich die Streits zwischen den Ehepartnern, bis April den Plan fasst, endlich nach Paris zu ziehen und neu anzufangen. Dort könnte Frank studieren und seine Berufung finden, während sie den Unterhalt verdient. Doch dann wird Frank eine besser bezahlte Stelle angeboten und auch etwas Anderes scheint Aprils Vorhaben unmöglich zu machen. Beide stehen vor schweren Entscheidungen. Keine zu treffen ist dabei genauso verhängnisvoll ...


Kritik:
Die Wheelers sind ein Traumpaar. Beide überaus attraktiv, scheint ihre Beziehung etwas Besonderes zu sein. Es könnte das Happy End einer Geschichte sein. Nur beginnt Zeiten des Aufruhrs nach dem Ende, zeigt Jahre nach dem Zusammentreffen der beiden, wie sich ihre Beziehung im Amerika der 1950er Jahre auf einem Niveau befindet, auf das beide früher nie zurückfallen wollten. Aprils Schauspielkarriere wird nach einem vernichtenden Stück jeder Boden entzogen, während Frank in genau derjenigen Firma arbeitet, in der sein Vater Jahrzehnte tätig war, und worum er seinen alten Herrn bemitleidet hatte. Ihre Träume scheinen die Wheelers aufgegeben zu haben, auch wenn sie gelegentlich noch von ihnen sprechen. Man wird Zeuge des Endes einer Ehe, die als Musterbeispiel begann und bei der nicht wichtig ist, in welchem Moment die Beziehung kippte. Stattdessen muss man mit ansehen, wie sich Meinungsverschiedenheiten in handfeste Streits entwickeln, wie von einem Augenblick auf den anderen ein Wortwechsel dazu benutzt wird, die angestauten Enttäuschungen loszuwerden. So sind auch die Entscheidungen der Figuren nur das Ergebnis dessen, was in ihrem Zusammenleben zuvor geschehen war.
Aprils Vorhaben, nach Europa zu fliehen und dort neu zu beginnen wäre eine Möglichkeit, mit den eingefahrenen Sitten zu brechen. Sie würde das Geld verdienen, er könnte sich verwirklichen, auch wenn ihr letztlich ihre eigene Verwirklichung genauso wichtig ist. Nur wer könnte Frank nicht verstehen, wenn ihm ein anspruchsvollerer Job angeboten wird, mit dessen Gehalt sich die Lebensqualität steigern ließe, und bei dem er das Ruder nicht aus der Hand geben müsste? Immerhin erwartet die Gesellschaft, dass der Mann für die Frau sorgt und worüber definiert man sich denn, wenn nicht darüber, für seine Familie den Unterhalt verdienen zu können?

Zeiten des Aufruhrs ist kein einfacher Film, er ist voll von Momenten, in denen man als Unbeteiligter am liebsten den Raum verlassen würde. Man wird gezwungen, mit zu erleben, wie Frank nach einem Seitensprung von seiner nichts ahnenden Ehefrau mit einer Party zu Hause empfangen wird – und wie er vor Scham über seinen Fehltritt am liebsten im Boden versinken würde. Wie sich April darin verliert, ihrer Rolle der braven Hausfrau entkommen zu können und das Gefühl eines Abenteuers zu erleben. Und wie all das letztlich in einer Katastrophe endet, weil beide nicht bereit sind, den anderen gehen zu lassen.
Nüchtern, beinahe dokumentarisch kleidet Regisseur Sam Mendes sein Drama in Bilder, die ohne den satirischen Seitenhieb von American Beauty [1999] auskommen, und die auch nicht als gesellschaftliches Zeitdokument einer Ära dienen sollen, die seit einem halben Jahrhundert passé ist. Die Themen, die in Richard Yates Roman seinerzeit für Furore sorgten, sind heute so aktuell wie damals, das Zusammenleben von Mann und Frau immer noch durch Kompromisse gekennzeichnet und eine gesunde Beziehung immer noch ein Ergebnis des Dialogs – oder eines in beiderseitigem Einverständnis stattfindenden Schweigens.

Für die Darsteller, die bereits bei Titanic [1997] vor der Kamera standen, bedeutete dies sicherlich eine unangenehme und anstrengende Drehzeit, bei der sich die Lebensfreude und Energie Aprils genauso auf die Zuseher überträgt wie die Energie in den Auseinandersetzungen, die mindestens ebenso stark, aber entgegen gerichtet ist. April erscheint wie eine Frau, die in ihrer Situation gefangen ist, die zumindest in den Rollen der Schauspielerei erkennen konnte, wie anders, wie aufregend das Leben sein könnte, und der nach einem Blick in jenes Paradies die Reise dorthin verwehrt wird. Für Frank ist zwar nie klar, was er mit seinem Leben machen möchte, doch nutzt er die Ernährung der Familie, für die er sich verantwortlich fühlt, als Vorwand, über seine Träume und Wünsche nicht nachdenken zu müssen. Er verkriecht sich hinter der Sicherheit der Fassade seines eigenen Lebens, die durch Aprils Vorhaben ins Wanken gerät.
Es ist das Unvermögen beider, aufeinander zuzugehen, oder sich endgültig für den eigenen Weg zu entscheiden, das ihnen schließlich zum Verhängnis wird. Insofern ist Zeiten des Aufruhrs kein Unterhaltungsstück, erhebt aber auch nicht den moralischen Zeigefinger, sondern veranschaulicht lediglich, auf welche Art und Weise eine Beziehung enden kann, bei der beide Partner nicht den Mut haben, sich in die eine oder andere Richtung zu bewegen. Das mag einerseits lehrreich sein, ist aber auch für das Publikum anstrengend, das hier mitunter ebenso Zuschauer ist wie beim eigenen Leben.


Fazit:
Ein Traum hört in den seltensten Fällen auf, wenn er am schönsten ist. Durch die Konventionen der Gesellschaft und die eigenen Erwartungen finden sich April und Frank in einer Ehe wieder, die mit ihrem Lebenstraum kaum mehr etwas gemein hat. Um jedoch aus ihrem selbst errichteten Käfig auszubrechen, müssen beide den Mut haben, etwas zu verändern. Entweder gemeinsam, oder einer allein.
Auch wenn der Ausgang des anspruchsvollen Dramas nicht überrascht und stimmig erscheint, man hätte sich eine hoffnungsvollere Aussage gewünscht. Die aufwühlende und tadellos gefilmte Charakterstudie Zeiten des Aufruhrs wirkt wie ein zeitloses Mahnmal, ein hervorragend und kräftezehrend gespieltes Kammerspiel, bei dem man sich als Zuschauer an vielen Stellen wünschen würde, man könnte in die Situation eingreifen – oder leise den Raum verlassen.