Sherlock: "Das große Spiel" [2010]

Wertung: 4.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 18. März 2012
Genre: Krimi

Originaltitel: Sherlock: "The Great Game"
Laufzeit: 87 min.
Produktionsland: Großbritannien
Produktionsjahr: 2010
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: Paul McGuigan
Musik: David Arnold, Michael Price
Darsteller: Benedict Cumberbatch, Martin Freeman, Rupert Graves, Una Stubbs, Zoe Telford, Loo Brealey, Andrew Scott, Vinette Robinson, Matthew Needham, Kemal Sylvester, San Shella, Deborah Moore, Lauren Crace, Nicholas Gadd, Caroline Trowbridge


Kurzinhalt:
Obwohl Sherlock Holmes (Benedict Cumberbatch) gebeten wird, für das Innenministerium den Fall um die gestohlenen Bruce-Partington-Raketen-Pläne aufzuklären, lehnt er ab – ihn würde ein neuer Mord reizen, doch der scheint sich nicht einzustellen. Bis eine Bombe in London explodiert, mit einer ausdrücklichen Nachricht für Sherlock. Wer immer hinter dem Anschlag steckt, hat es auf ein Katz-und-Maus-Spiel mit dem Ermittler angelegt, in welchem Dritte als Opfer herhalten sollen. So wird Sherlock von einer Frau angerufen, die einen Text des Bombenlegers vorliest. Wenn er nicht innerhalb einer bestimmten Frist das Rätsel löst, wird die Frau sterben. Und ist diese Runde gewonnen, wird der Einsatz beim nächsten Opfer erhöht.
Detective Inspector Lestrade (Rupert Graves) lässt Holmes alle Freiheiten, während Dr. Watson (Martin Freeman) von der emotionalen Kälte seines Mitbewohners schockiert ist. Selbst als Holmes' Kollegin Molly Hooper (Loo Brealey) ihm ihren neuen Freund Jim (Andrew Scott) vorstellt, reagiert er so abweisend, dass er sie regelrecht verletzt. Watson ist der Meinung, dass es Sherlock nicht um die Menschen, sondern nur um die Herausforderung geht – dabei ahnen beide nicht, mit wem sie es überhaupt zu tun haben ...


Kritik:
Das Verhalten von Sherlock Holmes als kühl und exzentrisch zu bezeichnen, ist im Grunde genommen eine Untertreibung. Er wirkt in Das große Spiel noch unnahbarer, als bisher ohnehin schon, und man mag mitunter gar nicht verstehen, weshalb sich John Watson überhaupt mit ihm abgibt. Im Staffelfinale von Sherlock treffen die ungleichen Protagonisten schließlich auf den Mann, der im Roman das Genie des Meisterdetektivs bis hin zur Selbstaufgabe forderte. Angesichts der Modernisierung der Reihe ist man durchaus gespannt, wie die Macher die Figur des Moriarty umsetzen würden. So viel sei verraten, sie finden einen frischen Ansatz, der weniger durch das berechnende Kalkül des Verbrechers fesselt, als durch seine Unberechenbarkeit.

Auch in diesem TV-Film streuen die Macher wieder genügend Anlehnungen an die Bücher und Geschichten von Sir Arthur Conan Doyle ein, um Fans ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern. Dabei dienen die Bruce-Partington-Pläne nur als Aufhänger des Storyrahmens, in welchem sich Das große Spiel entfaltet. Mit Sprengstoffattentaten und Geiseln, die als lebende Bomben benutzt werden, gleitet der Krimi bisweilen ins Thrillergenre ab, doch wie Holmes das Drama um die beteiligten Personen ausblendet, bekommt das Publikum hiervon ebenfalls erstaunlich wenig zu sehen. Nach dem ersten Hinweis ist klar, dass, sollte Holmes die Geisel retten wollen, er ein anderes Rätsel lösen muss. Diese reichen vom Aufklären eines Jahrzehnte zurückliegenden Mordes (wobei der Täter hierfür nicht benannt wird), über den vermeintlichen Unfalltod einer TV-Prominenz, bis hin zu einem Versicherungsbetrug. Woher der Bombenleger jeweils die Informationen hat, dass es sich hierbei um einen ungeklärten Fall handelt, beschäftigt das Publikum wohl stärker, als die Ermittler, die sich die Frage erst so spät stellen, dass sie in jenem Moment bereits in der Klemme sitzen. Wie bei den vorangegangenen Krimis ebenso, stellt Das große Spiel kaum eine Figur oder einen Sachverhalt vor, der nicht wichtig wäre. Darum sind die Rätsel mitunter einfacher zu durchschauen, als man die Zuseher glauben machen möchte. Bei zwei der Aufgaben, die Sherlock gestellt bekommt, fehlen schlicht die Informationen, so dass man selbst gar nicht auf die Lösung kommen kann. Bei den übrigen ist zumindest der Schuldige zu entlarven, auch wenn die Zusammenhänge unklar sind.

Der Vorwurf, den sich Das große Spiel gefallen lassen muss ist, dass der Krimi aus dem Wettlauf gegen die Zeit keinen Profit schlägt. Würde man erwarten, dass einem die wertvollen Minuten zerrinnen und man innerlich wie zerrissen ist angesichts der prekären Situation der Geisel, streut das Drehbuch in aller Ruhe die Nebenhandlung um die gestohlenen Pläne wieder mit ein, derer sich Watson verschrieben hat. Wirklich spannend gerät der TV-Film sowohl in den letzten Minuten des jeweiligen Rätsels, als auch beim Finale, wenn es zur Konfrontation zwischen Holmes und seinem Erzfeind kommt. Doch insgesamt war schlichtweg mehr zu erwarten.
Wie Holmes aus den Informationen, die er sieht, seine Schlussfolgerungen kombiniert, wird zwar erneut weniger greifbar nahe gebracht, als bei Ein Fall von Pink [2010], doch ist hiervon mehr zu sehen, als im vorangegangenen Film. Die sich weiterentwickelnde Hintergrundgeschichte fesselt mehr, als das Drama um die Figuren vor Ort. Dank der gelungenen und ebenso motivierten Besetzung weckt Das große Spiel Lust auf eine Fortsetzung. Der frische Ansatz hat sich dabei erstaunlich bewährt, selbst wenn der Pilotfilm hier am überraschendsten war.


Fazit:
Nach den drei Fällen der ersten Staffel von Sherlock bleibt festzuhalten, dass die Modernisierung der Detektiv-Ikone erstaunlich gut gelungen ist. Genau genommen ist es sogar verblüffend, wie leicht sich jene Figur aus dem 19. Jahrhundert in unsere heutige Zeit übertragen lässt. Andererseits sieht man das auch daran, dass sehr viele Kriminologen in zahlreichen Medien eindeutige Wesenszüge von ihm getragen haben. Für das Staffelfinale Das große Spiel bedeutet das, dass es schwer fällt, sich nach so kurzer Zeit von den Figuren zu verabschieden. Wie die Macher den Cliffhanger auflösen bleibt abzuwarten, doch es macht die Wartezeit nicht angenehmer.
Gleichwohl die Geschichte mehr durch die verschachtelte und konfuse Erzählweise fesselt, als durch das Drama der Geiseln, das dem Publikum erstaunlich wenig nahegebracht wird, überzeugt der Krimi sowohl durch die tadellose Besetzung, als auch durch die interessante Neuinterpretation eines legendären Schurken. Das ist für Fans ohnehin sehenswert, ein neu interessiertes Publikum sollte die Staffel jedoch in der richtigen Reihenfolge ansehen – sonst könnte einen auch Sherlocks Verhalten vor den Kopf stoßen.