Shadow Dancer [2012]
Wertung: |
Kritik von Jens Adrian |
Hinzugefügt am 04. März 2014
Genre: Drama / ThrillerOriginaltitel: Shadow Dancer
Laufzeit: 101 min.
Produktionsland: Großbritannien / Irland / Frankreich
Produktionsjahr: 2012
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren
Regie: James Marsh
Musik: Dickon Hinchliffe
Darsteller: Andrea Riseborough, Clive Owen, Gillian Anderson, Brid Brennan, Cathal Maguire, Domhnall Gleeson, David Wilmot, Aidan Gillen, Michael McElhatton, Gary Lydon, Barry Barnes, Stuart Graham, Martin McCann, Maria Laird, Ben Smyth
Kurzinhalt:
Als sie erkennt, dass sie beobachtet wird, lässt Collette McVeigh (Andrea Riseborough) die Tasche, die sie mit sich führt, in der Londoner U-Bahn stehen und läuft davon. Doch sie geht Agenten des MI5 ins Netz. Es ist das Jahr 1993 und Collette ist Mitglied der IRA. Sie sollte eine Bombe in der U-Bahn deponieren, die jedoch nicht gezündet hat. Sie wird dem britischen Agenten Mac (Clive Owen) vorgeführt, der ihr einen Deal anbietet: Wenn sie Informationen über die Pläne der Organisation weitergibt, kommt sie nicht ins Gefängnis. Um ihren kleinen Sohn Mark (Cathal Maguire) nicht zu verlieren, geht Collette darauf ein.
Doch wieder zurück in der Heimat, stellt ihr Waffenbruder Kevin (David Wilmot) ihre schnelle Freilassung in Frage, während Connor (Domhnall Gleeson), ihr leiblicher Bruder, zusammen mit ihrer Mutter (Brid Brennan) nichts von ihren wahren Absichten ahnt. Wenig später soll sie, vermutlich als Test, bei einem Anschlag auf einen Polizisten helfen. Nachdem sie Mac informiert, erfährt dieser von seiner Vorgesetzten Kate (Gillian Anderson), dass das Attentat verhindert werden soll, auch wenn Collette dadurch auffliegen wird. Es ist, als würde sie vorgeschickt, um einen anderen Informanten zu schützen ...
Kritik:
In den Augen von Collette, ruhig und eindringlich gespielt von Andrea Riseborough, sieht man Trauer in unterschiedlichen Schattierungen. Das beginnt bei ihrem ersten Auftritt, nachdem der Prolog 20 Jahre in der Vergangenheit spielt, und endet mit der letzten Einstellung. Doch es gelingt Regisseur James Marsh in seinem IRA-Drama Shadow Dancer nicht, die Ursache dafür herauszuarbeiten. Womöglich war das auch gar nicht seine Absicht, doch es ist genau das, worauf man die ganze Zeit – vergebens – wartet.
Das Drehbuch von Tom Bradby, basierend auf seinem eigenen Roman, sollte auf Grund seines journalistischen Hintergrunds und der Tatsache, dass er gerade in der Zeit von 1993 bis 1996 als Korrespondent den nordirischen Friedensprozess begleitet hat, einen tieferen Einblick in die Dynamik der IRA geben, die Machtverhältnisse und die Zersplitterung der Gruppierung, zumindest jedoch ihre Ziele vorstellen können. Doch davon ist in Shadow Dancer nichts zu sehen.
Der Film beginnt mit dem gewaltsamen Tod von Collettes Bruder, als beide noch kleine Kinder waren. Zwei Jahrzehnte später sehen wir sie, wie sie in London beinahe ein Bombenattentat in der U-Bahn verübt, da sie jedoch beschattet wird, den Versuch abbricht. Was ist ihre Motivation? Wenig später erfahren wir, dass ihr kleiner Junge Mark das Wichtigste in ihrem Leben ist, doch was ist mit seinem Vater geschehen?
Vom Geheimdienst aufgegriffen, wird Collette in ein Hotelzimmer gebracht, wo sie sich dem MI5-Agenten Mac gegenübersieht. Damit sie nicht angeklagt und für lange Zeit ins Gefängnis gesteckt wird, soll sie für den britischen Geheimdienst die Pläne der IRA ausspionieren und regelmäßig Bericht erstatten. Um bei ihrem Sohn bleiben zu können, soll sie alles verraten, woran sie glaubt. Sollte sie von ihren "Brüdern" entdeckt werden, wäre ihr Schicksal besiegelt.
Es ist ein Dilemma, das Andrea Riseborough greifbarer macht, als es dem Film selbst gelingt. Sie verkörpert das Zögern, die Unsicherheit und die Angst angesichts dessen, was sie als Verräterin erwartet, mit Pausen in ihren Gesprächen, die etwas zu lang sind, um noch angenehm zu erscheinen. Und durch ihren Blick, in dem sich nie Überzeugung für das, was sie tut, wiederfindet.
Als Geheimagent Mac scheint Clive Owen indes unterfordert, was auch daran liegen mag, dass seiner Figur nie alle Informationen zur Verfügung stehen. So soll er auf Geheiß seiner Vorgesetzten Kate Collette anwerben, doch wie es scheint, ist all das nur ein Ablenkungsmanöver. Vielmehr gibt es wohl einen zweiten Informanten, dessen Identität in der Tat eine Überraschung ist.
Kristallisiert sich dieser Storyzweig aus, gewinnt die außergewöhnlich langsame Erzählung von James Marsh zumindest etwas an Fahrt. Er konzentriert sich in seinem Drama sowohl darauf, die Zeit, in der es spielt, authentisch einzufangen, als auch die Atmosphäre des Misstrauens, die demnach in weiten Teilen der irischen Bevölkerung vorherrschte.
Dagegen ist nichts einzuwenden, zumal Shadow Dancer eine wohl überlegte Optik vorzuweisen hat, in der die Anordnung der Bilder und der Figuren darin mehr über die Situation verrät, als die Dialoge. Auch die Farbgebung wirkt in sich stimmig mit ausgewaschenen Farben, die von Grüntönen, bis hin zum goldenen Sonnenschein reichen, so dass Collettes rote Jacke oder eine Telefonzelle wie ein Warnsignal hervorstechen.
Doch so gelungen das ist und so beunruhigend viele Momente, in denen Collette aufzufliegen droht, der Film ist ein Porträt dieser Zeit und bietet keinerlei Einblick, weder im Detail in die Hierarchien der IRA, noch bezüglich der Motivation seiner Mitglieder. Je weiter die Zeit heute voran schreitet, umso schwieriger wird es für junge Generationen zu verstehen, was ihre Eltern und Großeltern damals zu solch radikalen Maßnahmen bewogen hat. Das vollkommen auszuklammern, macht Collette als Hauptfigur, ihre letzte Entscheidung insbesondere, nur noch unverständlicher.
Fazit:
Es ist, als wäre an der Geschichte von Shadow Dancer, ebenso wie an den Charakteren, viel mehr, als Regisseur James Marsh bereit ist, zu enthüllen. Er stellt in Collette McVeigh eine Figur vor, deren Motivation ebenso ein Rätsel bleibt, wie ihre letzte Handlung. Auch der rückblickend abstruse Plan von Macs Vorgesetzter Kate ergibt, ohne dass Erklärungen gegeben werden, keinen Sinn.
Es mag sein, dass die Romanvorlage das Gefühlsleben der Figuren weiter erkundet und den Sinn hinter ihren Entscheidungen offenbart. Zumindest wäre es zu wünschen. Für ein Drama behält der Film zu viel für sich, für einen Thriller ist er allerdings zu langsam erzählt. Dafür entschädigen die bedrohliche Stimmung und die Bilder – wenn auch nicht vollends.