Islands [2025]
Wertung:
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Kritik von Jens Adrian |
Hinzugefügt am 20. März 2025
Genre: Drama / Thriller
Laufzeit: 123 min.
Produktionsland: Deutschland
Produktionsjahr: 2025
FSK-Freigabe: noch nicht bekannt
Regie: Jan-Ole Gerster
Musik: Dascha Dauenhauer
Besetzung: Sam Riley, Stacy Martin, Jack Farthing, Dylan Torrell, Pep Ambròs, Bruna Cusí, Agnes Lindström Bolmgren, Ahmed Boulane, Fatima Adoum, Maya Unger, Fernando Navas
Kurzinhalt:
Einst konnte es Tom (Sam Riley) als Tennisspieler sogar mit den Besten aufnehmen. Inzwischen aber fristet er ein monotones Dasein als Tennislehrer bei einer in die Jahre gekommenen Hotelanlage auf Fuerteventura. Der Alkohol ist sein ständiger Begleiter und Drogen nimmt er regelmäßig. Auch wenn er nicht immer zuverlässig ist, er ist bei den Gästen beliebt, von denen viele glauben, er lebe einen Traum auf der Urlaubsinsel. Toms eintönige Welt gerät ins Wanken, als die Familie Maguire im Hotel eintrifft. Sie scheinen nicht in ihrem Element, als wären sie unterhalb ihres Niveaus angekommen. Tom soll Annes (Stacy Martin) und Daves (Jack Farthing) Sohn Anton (Dylan Torrell) unterrichten. Irgendetwas zieht Tom zu dieser Familie, so dass er sich sogar die Zeit nimmt, ihnen die schönsten Orte der Insel abseits der Tourismushochburgen zu zeigen. Doch nach einem Abend mit den Maguires, der auch immer wieder unangenehme Momente bereithält, verschwindet Dave spurlos. Als die Polizei zu ermitteln beginnt, kommen Details ans Licht, die Tom zweifeln lassen. Und das, während er Anne gerade näherkommt, mit der ihn noch etwas anderes zu verbinden scheint …
Kritik:
Jan-Ole Gersters immens stimmungsvoller Film Islands bietet alles, was ein einfallsreicher Krimi benötigt. Doch so gelungen die Erzählung in handwerklicher Hinsicht, so unentschlossen ist sie inhaltlich. Die ruhige Herangehensweise sorgt für eine dichte Atmosphäre, doch der langsame Aufbau wird zu keinem Moment so herausbrechend aufgelöst, wie man sich das wünschen würde. Das Ergebnis zeigt daher mehr Potential, als die Verantwortlichen offenbar nutzen wollen.
Unter der sengenden Sonne Fuerteventuras verdient sich der ehemalige Spieler Tom seinen Unterhalt als Tennislehrer in einer großen Hotelanlage. Bei den Gästen ist er beliebt, selbst wenn man ihm ansieht, dass er von einem Tag zum anderen lebt. Die Abende verbringt er oft in einem Club, sein Alkoholkonsum ist so exzessiv, dass er sogar in seinem Lagerraum im Hotel eine Flasche versteckt hat. Drogen konsumiert er zusätzlich regelmäßig und wacht morgens mal im Auto, mal am Strand oder auf einer Liege des Hotels auf. Eines Tages wird er von der neu im Hotel eingetroffenen Anne Maguire angesprochen, die bei Tom Tennisunterricht für ihren siebenjährigen Sohn Anton buchen will, da sein Vater Dave auf Einzelstunden besteht. Tom geht darauf ein und nimmt sich sogar einen Tag Zeit, der Familie die Highlights der Insel fernab der Touristen-Hotspots zu zeigen. Am Abend bittet Dave, Tom in eine bekannte Bar in der Stadt begleiten zu dürfen. Am nächsten Morgen erfährt Tom, dass Dave verschwunden ist. Es beginnt eine Suche, bei der die Polizei Details der letzten Nacht verrät, die Toms Bild von Anne ins Wanken bringen, bei der er zudem das Gefühl nicht loswird, sie zu kennen.
Eine große (vermutliche) Überraschung der Geschichte wird ein erfahrenes Krimipublikum dabei lange kommen sehen. Doch worauf Islands ansonsten hinarbeitet, was es mit Daves Verschwinden auf sich hat, ist lange ein Rätsel. Bis es überhaupt soweit ist, dass der von Grund auf unsympathische Dave, der die Firma seines Schwiegervaters in den Ruin getrieben hat, wie Anne beim gemeinsamen Abendessen Tom verrät, vermisst wird, ist beinahe die Hälfte des Films vorbei. Bis dahin schildert Regisseur Gerster geradezu bedächtig, wie Tom seinen Alltag verbringt, der auch außerhalb des Hotels bekannt und gern gesehen ist. So offensichtlich es ist, dass zwischen Anne und Dave Vieles nicht in Ordnung ist, so offenkundig ist auch die Anziehung zwischen Anne und Tom, die ihren Blick kaum von ihm nehmen kann und bewusst seine Nähe sucht. Sei es, wenn sie ihn auf einen Drink einlädt, oder ihn bittet, sie am Strand mit Sonnencreme einzucremen. Obwohl er sich zuvor bereits mit weiblichen Gästen eingelassen hat, erwidert Tom Annes Avancen nicht, als würde er ahnen, dass sich im Hintergrund mehr abspielt, als er sieht. Diese einnehmende Stimmung fängt der Film gekonnt ein, ohne jedoch eine knisternde Atmosphäre zu erschaffen. Es ist vielmehr, dass man ahnt, dass ein Unheil lauert, das insbesondere über Tom hereinbrechen wird.
Erst ab dem Mittelteil, wenn Dave verschwindet und der ermittelnde Polizist mit gezielten Fragen im Nu das Kartenhaus zum Einsturz bringt, mit dem sich Anne aus der Situation retten möchte, beginnt der Krimi. Auch hier überzeugt Islands mit einer dichten Atmosphäre, in der nur die Unsicherheit die einzige Gewissheit ist. Unsicherheit über Daves Verbleiben und Annes Verwicklung. Gleichzeitig warten auf Tom Offenbarungen, die sein Leben auf den Kopf stellen, selbst wenn sie nie ausgesprochen, sondern nur unmissverständlich angedeutet werden. Doch dadurch gerät gerade dann, wenn der Krimiaspekt (endlich) ins Zentrum gerückt wird, selbiger wieder ins Hintertreffen. Filmemacher Jan-Ole Gerster, der auch am Drehbuch mitschrieb, kann oder will sich nicht wirklich entscheiden, was für eine Geschichte er eigentlich erzählen möchte. Für ein Drama sind die persönlichen Umwälzungen der Figuren nicht groß genug und die definierenden Charaktermomente zu leise präsentiert. Die mögliche Liebesgeschichte zwischen Anne und Tom nimmt kaum genug Raum ein und als Krimi lässt sich der Film zu lange Zeit und spitzt sich vor der Auflösung nicht so sehr zu, wie man sich wünschen würde.
Das bedeutet nicht, dass Islands viele andere Aspekte nicht gelingen würden. Von Beginn an erinnert die Präsentation an Krimis aus den 1970er- oder frühen 1980er-Jahren mit überstrahlend hellen Lichtquellen, Bildern, die dank der verwendeten Kameralinsen in der Mitte deutlich sind, zum Rand hin aber schnell unscharf werden, einer allgemeinen Weichzeichnung oder der ruhigen, wohl überlegten Kameraführung. Auch die Musik trägt ihren Teil dazu bei. Die Perspektiven selbst sind erstklassig, so dass man hier zahlreiche Aufnahmen als Standbild auf Leinwand abdrucken könnte. Wenn die Polizei etwas aus der Bucht birgt, beispielsweise. Auch die Tatsache, dass der Ermittler die richtigen Fragen stellt und Tom gegenüber Andeutungen macht, die ihn zum Zweifeln bringen, hebt die Erzählung ab. Doch Vieles hiervon wird angesprochen, aber nicht weiterverfolgt, als wäre der Ausgang der Geschichte mittendrin umgestellt worden. Gleichermaßen unvermittelt beendet Regisseur Gerster seine Erzählung, in die man im Nachhinein viel hineininterpretieren kann. Das man sich zahlreiche Details und deren Bedeutung durch Beobachtungen erschließen muss, ist kein Kritikpunkt, sondern unterstreicht, dass die Verantwortlichen ihrem Publikum auch etwas zutrauen. Das Gefühl, dass sich dies am Ende aber gelohnt hat, stellt sich nicht wirklich ein.
Fazit:
Vor allem für viele seiner männlichen Gäste lebt Tom einen Traum. Ungebunden und stets bei schönstem Wetter kann er die Freuden des Lebens genießen. Dort, wo andere Menschen Urlaub machen. Doch für Tom ist es kein Paradies. Einst als Übergang gedacht, verharrt er in der Monotonie seiner Arbeit und seines Lebens. Die Familie Maguire bietet ihm ihn vielerlei Hinsicht eine neue Perspektive. Was hätte sein können oder was sein kann. Vieles davon wird nur angedeutet, Regisseur Jan-Ole Gerster hält sich mit genauen Aussagen ebenso zurück wie mit einer Festlegung auf ein bestimmtes Genre. Er spielt mit Erwartungen und wird auch deshalb einen vermutlich nicht kleinen Teil des Publikums enttäuschen. Das ist insofern verständlich, als dass die Geschichte in allen Belangen mehr Potential besitzt, als hier genutzt wird. Islands ist von sämtlichen Beteiligten gut und vor allem facettenreich gespielt. Erstklassig in Szene gesetzt und immer stimmungsvoll, ist dies eine Geschichte über eine Figur, die im Verlauf bemerkt, was ihr fehlt, selbst wenn sie es anfangs gar nicht vermisst hat. Dass kein Storyaspekt vollends ausgekostet wird, ist schade. Dafür bietet der Rest umso mehr Interpretationsspielraum, den ein ruhiges Publikum wird zu schätzen wissen.