Mulan [2020]

Wertung: 3 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 3. September 2020
Genre: Action / Fantasy

Originaltitel: Mulan
Laufzeit: 115 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2020
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: Niki Caro
Musik: Harry Gregson-Williams
Besetzung: Yifei Liu, Donnie Yen, Yoson An, Tzi Ma, Rosalind Chao, Li Gong, Jason Scott Lee, Jet Li, Xana Tang, Nelson Lee, Jun Yu, Jimmy Wong, Doua Moua, Ron Yuan


Kurzinhalt:

Als der Chinesische Kaiser (Jet Li) per Dekret eine riesige Armee zusammenstellen lässt, um den angreifenden Bori Khan (Jason Scott Lee) und seine Truppen abzuwehren, muss jede Familie im Land einen Mann für die Kaiserliche Chinesische Armee stellen. Hua Zhou (Tzi Ma) hat bereits im Krieg gedient, doch als Vater zweier Töchter und ohne einen Sohn, muss er dem Ruf des Kaisers selbst folgen, will er keine Schande über seine Familie und sein Dorf bringen. Seine älteste Tochter Hua Mulan (Yifei Liu), deren Stärke und Geschicklichkeit sie seit Kindertagen immer wieder in Bredouille bringen, entschließt sich, den Platz ihres Vaters einzunehmen und bricht nachts auf, der Armee beizutreten. Da dort nur Männer erlaubt sind, verbirgt sie ihre wahre Identität und tritt als junger Mann, Hua Jun, auf. Während der anstrengenden Ausbildung unter Kommandant Tung (Donnie Yen) findet sie in Chen Honghui (Yoson An) einen Kameraden und Freund, der ebenfalls nicht ahnt, wer sie in Wirklichkeit ist. Als sie sich Bori Khans Kriegern stellen, werden sie auf eine harte Probe gestellt. Der macht sich die Fähigkeiten der Zauberin Xian Lang (Li Gong) zunutze, die Mulan auf Anhieb durchschaut …


Kritik:
Die Realverfilmung von Disneys gleichnamigem Zeichentrickfilm aus dem Jahr 1998, Mulan, hat eine lange Entwicklung hinter sich. Umso unverständlich ist, wie unfertig die Adaption der renommierten Filmemacherin Niki Caro am Ende erscheint. Sowohl inhaltlich als auch in Bezug auf die handwerkliche Umsetzung. Es fällt dabei auf, dass die Schwachpunkte mit längerer Laufzeit umso mehr zunehmen, als hätten es die Macher gar nicht weiter versucht. Gerade, weil die Figur solch großes Potential hat, ist das so bedauerlich.

Dabei klingt die Geschichte heute so inspirierend und vielversprechend wie eh und je. Mulan ist eine von zwei Töchtern des vom letzten Krieg gezeichneten Hua Zhou. Sie war dabei schon immer etwas Besonderes, abenteuerlustig, lebhaft und, wie der Prolog mit Mulan als junges Mädchen zeigt, mit einer besonderen Gabe versehen: Dem Chi, das sie stärker und schneller macht als andere. Doch im alten China bringen Söhne der Familie Ehre durch ein starkes Chi – Töchter hingegen durch eine Heirat. Als der Rouran-Krieger Bori Khan Handelsposten entlang der Seidenstraße angreift, lässt der Kaiser eine riesige Armee zusammenstellen, für die jede Familie in China einen Mann abstellen muss. Da Hua Zhou, wie er selbst sagt, mit zwei Töchtern, aber keinem Sohn gesegnet ist, liegt es an ihm, dem Aufruf des Kaisers zu folgen. Selbst, wenn es angesichts seines Gesundheitszustands den sicheren Tod bedeutet. Doch es ist Mulan, die sein Schwert und seine Rüstung an sich nimmt und ohne das Wissen ihrer Familie der Armee beitritt, wobei sie niemandem verrät, dass sie in Wirklichkeit eine Frau ist, denen dies strikt verboten wäre.

Dass dies verständlicherweise für zahlreiche Situationen sorgt, in denen Mulan, die zuvor keinen großen Kontakt zu anderen Männern hatte, vor Herausforderungen gestellt wird, ist kein Kritikpunkt und erzeugt durchaus den ein oder anderen humorvollen Moment. Doch hat es Mulan merklich schwer, eine Balance zwischen Ernst und Humor zu finden. Ist die eigentliche Story um eine junge Frau, die die Familienehre erhalten will und dafür ihre eigene Familie und die Kameraden bei der Armee hintergehen muss, durchaus ernst – wozu auch die Kampfszenen beitragen – versucht die Geschichte bei den Szenen um Mulans Weggefährten, mit arg absehbaren Momenten für Erheiterung zu sorgen. Vollends gelingen kann dies nicht. Allerdings verwebt die Story auch ein mystisches Element. So wird Bori Khan von einer mächtigen Zauberin unterstützt, Xian Lang, und auch Mulan selbst verfügt über außergewöhnliche Fähigkeiten. Mehr noch, bittet ihr Vater, als er bemerkt, was Mulan getan hat, seine Vorfahren, auf Mulan aufzupassen, erscheint ihr fortan eine Phönix, die spirituelle Führerin ihrer Familie. Dass Mulan und Lang mehr verbindet, als sie auf den ersten Blick ahnen, würde an sich die Botschaft des Films unterstützen. Immerhin wird Lang von Bori Khan nicht als Gleichgestellte, sondern als Untergebene gesehen, während sie es seit jeher als ihre Bestimmung sah, unabhängig zu sein. Mulan ist die ergebenste und tapferste Kriegerin von Kommandant Tung, der bereits mit Mulans Vater diente, doch sie wird nie Männer in die Schlacht führen können, weil Frauen in der Gesellschaft einen festen Platz hinter den Männern zugewiesen bekommen. Nur nimmt die Entwicklung zwischen diesen gar nicht unähnlichen Figuren einen so absehbaren Verlauf, dass man kaum glauben mag, die Macher würden so wenig Einfallsreichtum beweisen.

Dass dem nicht so sein müsste, wird bereits in Mulans Vater deutlich, der von Tzi Ma hervorragend gespielt ist. Sieht man in seinem Blick anfangs sowohl den Stolz auf seine beiden Töchter auf der einen Seite und das Wissen, dass er die Ehre der Familie auf dem Schlachtfeld nicht wird erfüllen können, auf der anderen, wird seine Zerrissenheit durchaus greifbar. Er ist die größte Stärke des Films, selbst wenn die übrige Besetzung, angeführt von Yifei Liu, nicht minder gelungen ist.
Welches Potential in Niki Caros Mulan steckt, deuten auch die Produktionswerte an. Die Landschaftsaufnahmen sind zumeist malerisch beeindruckend, Bauten und Kostüme durchweg gelungen. Es ist die handwerkliche Umsetzung und der Verlauf der Geschichte, die nicht nur weit hinter ihren Möglichkeiten bleiben.

So schwelgerisch die Bilder der weiten Landschaft mit schneebedeckten Berggipfeln oder der chinesischen Kaiserstadt sein mögen, es sind die Action- und Kampfszenen, in denen die Inszenierung in sich zusammenfällt. Das liegt hauptsächlich daran, dass sie allesamt nicht packend zum Leben erweckt sind. Fängt die Filmemacherin den übrigen Film oft in längeren Einstellungen mit zahlreichen Zeitlupen ein, ändert sich dieser Stil schlagartig, sobald die Action beginnt. Dann wird spätestens alle eineinhalb bis zwei Sekunden geschnitten und die Perspektive gewechselt. Kein Schwertkampf, kein Schlagabtausch, kein Stunt, wie wenn ein Reiter, der sich im Galopp rückwärts auf sein Pferd setzt, sind am Stück gezeigt. Immer ist die Bewegung durch einen Schnitt unterbrochen. Auch treffen die Macher vollkommen unverständliche Entscheidungen bei der Wahl der Blickwinkel. Bei einer Verfolgung zu Pferd, bei der auf Mulan mit Pfeil und Bogen geschossen wird, wird zuerst Mulan frontal gezeigt, anschließend von oben, wie der Pfeil über sie hinwegfliegt, während sie nach hinten gebeugt ist. Nicht nur, dass nie im Profil zu sehen ist, wie dicht der Pfeil sie passiert, nicht einmal ihr Zurückbeugen und Aufrichten sind richtig zu sehen. Gerät wenig später Mulans Regiment unter Beschuss durch einen Katapult, unternimmt sie einen Rettungsversuch – doch fehlen zwischen den einzelnen Schnitten innerhalb der Szene ganze Minuten. In wenigen Sekunden legt Mulan Kilometer zu Pferd zurück, während Bori Khans Truppen offenbar auf der Stelle zu verharren scheinen und nicht einmal zum Nachladen kommen.

Dass ab diesem Moment auch die Trickeffekte deutlich offensichtlicher werden, unterstreicht nur den unfertigen Eindruck, den Mulan hinterlässt. So wundert es nicht, dass der eigentliche Plan des Bösewichts viel zu spät offenbart wird, so dass nie eine Dringlichkeit entsteht, oder dass die Geschichte im letzten Akt insgesamt keinen großen Sinn ergibt. Dass beim Finale urplötzlich Teile der Umgebung benutzt werden, die dem Publikum nie zuvor gezeigt wurden, fügt sich letztlich nur ins Bild. Einen wirklichen Szenenaufbau, der das Finale auch packend präsentieren würde, das an sich an zwei bzw. sogar drei Schauplätzen, nimmt man Kommandant Tung hinzu, stattfindet, gibt es nicht. Hier spielen auch die grob zusammengeschnittenen Schauplatzwechsel eine Rolle, bei denen man nie weiß, wer sich wo befindet und wie weit Mulan von ihrem Ziel und ihren Kameraden entfernt ist.

Dass es heute ebenso ein Bedürfnis, ja eine Notwendigkeit gibt, die Geschichte einer Heldin zu hören, die sich nicht in das Korsett zwängen lässt, das die Gesellschaft ihr vorgibt, ist unbestritten. Umso enttäuschender ist, wie wenig es Mulan gelingt, diese Geschichte trotz der Besetzung und des sichtbaren Produktionswerts auch anschaulich zum Leben zu erwecken.


Fazit:
Filmemacherin Niki Caro versieht ihren Film mit vielen Einstellungen und Momenten, die sich toll in einer Filmvorschau präsentieren lassen. Die einzelnen Perspektiven in den Kämpfen sind für sich genommen ansehnlich und teils auch einfallsreich. Aber innerhalb der Erzählung ergibt das keinen großen Sinn – ob die Phönix überhaupt real oder lediglich Mulans spiritueller Führer ist, wird nie geklärt – und die Szenen selbst entwickeln nie eine mitreißende Dynamik, weil die interessanten Einfälle nicht stimmig zu Ende erzählt sind. So mangelt es der Dramaturgie, auch innerhalb der Actionszenen, grundlegend eines packenden Aufbaus. Bei der Inszenierung stören unnötige Sprünge in einzelnen Szenen, was sich schon nach dem ersten Drittel andeutet, nach dem zweiten aber so offensichtlich ist, als würden die Macher sich keine Mühe mehr geben, die Erzählung verständlich machen zu wollen. Die Besetzung ist durchaus gelungen, wobei der charismatische Tzi Ma als Mulans Vater merklich hervorsteht. Auch die Ausstattung ist tadellos. Nur kann Mulan weder inhaltlich, noch was die handwerkliche Umsetzung anbelangt, überzeugen. Dabei wäre es für eine neue Generation gerade jetzt wichtig, die Geschichte dieser Heldin mitreißend zum Leben erweckt zu sehen. Diesem Anspruch wird die Realverfilmung nicht gerecht.