Das Geisterschloss [1999]

Wertung: 3.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 24. November 2002
Genre: Horror / Thriller

Originaltitel: The Haunting
Laufzeit: 112 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 1999
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: Jan de Bont
Musik: Jerry Goldsmith
Darsteller: Lili Taylor, Liam Neeson, Catherine Zeta-Jones, Owen Wilson, Alix Koromzay


Kurzinhalt:
Unter dem Vorwand, ihre Schlafprobleme untersuchen zu wollen, lockt Dr. David Marrow (Liam Neeson) eine Gruppe von Menschen, darunter die extrovertierte Theo (Catherine Zeta-Jones), Luke Sanderson (Owen Wilson) und die in sich gekehrte Eleanor (Lili Taylor) in ein altes Haus, während er aber tatsächlich Angstphänomene erforschen möchte.
Nachdem jedoch Marrows Assistentin Mary (Alix Koromzay) verletzt wird, häufen sich seltsame Vorfälle in dem extravaganten Schloss: Figuren bewegen sich, Geräusche, die aus dem Nichts kommen, Eiseskälte, die sich urplötzlich breit macht – und zu alledem hört Eleanor Kinderstimmen, die sie auf ein grauenvolles Geheimnis des Schlosses und des Erbauers Hugh Crain (Charles Gunning) aufmerksam machen. Es scheint, als habe der seit langem verstorbene Crain das Gebäude nie ganz verlassen, ebenso wie die Seelen, die er mit sich nahm.


Kritik:
Als Star Wars 1977 in die Kinos kam waren sich die Kritiker großteils einig: Dieser Film sei Schrott. Keine Handlung, Märchenerzählerei im Kino mit tollen Spezialeffekten aber ohne Herz.
Heute sehen das nicht nur Millionen Menschen anders, auch die meisten Kritiker von damals haben ihre Meinung revidiert.
Als Das Geisterschloss in die Kinos kam, urteilten die meisten Kritiker und Zuschauer ähnlich vernichtend: Eine Effektorgie ohne Sinn und Verstand, bei der die Darsteller zur unwichtigen Staffage verkommen sind. - Damit haben sie nicht unrecht, und dennoch ist The Haunting, so der Originaltitel, für mich kein schlechter Film.

Die Story des alten Hauses, das ein Eigenleben besitzt und zuerst nicht will, dass die Leute dort sind und sie anschließend nicht mehr gehen lassen möchte, ist nicht neu. Um genau zu sein basiert der Film auf Robert Wises Bis das Blut gefriert [1963].
Abgesehen von den üblichen Erschreckeffekten bietet die Story allerdings keinerlei große Überraschungen. Zusammenhänge erschließen sich dem Zuschauer meilenweit vor den Filmcharakteren und alles in allem ist eben der gesamte Hintergrund sehr klischeehaft und einfach geraten.
Die einzig unerwartete Szene ist der Filmtod eines Charakters, der nicht nur relativ brutal geraten ist, sondern überhaupt nicht ins restliche Konzept des Films passt. Bis zum diesem Zeitpunkt hatte das Haus die Besucher nur tyrannisiert und in Angst und Schrecken versetzt, ja sogar verletzt, aber der sogenannte Body-Count war bis dahin auf 0. Für den Fortgang der Geschichte war der Tod auch überhaupt nicht notwendig, die anderen Charaktere haben ihn in sekundenschnelle angenommen und verarbeitet, und als Zuschauer fragt man sich, wieso ausgerechnet der sympathischste Charakter dran glauben muss.

Hauptmanko des Films sind neben dem Drehbuch zweifelsohne (und das ist kein Kompliment) die Darsteller. Sie alle wirken mit Ausnahme von Lili Taylor gelangweilt und fehlplatziert. Catherine Zeta-Jones ist sicherlich ein Männermagnet im Film und kann ihre Reize auch ausspielen, schauspielerisch enttäuscht sie allerdings völlig. Besonders, wenn man daran denkt, wie sie die Zuschauer in dem Drama Traffic [2000] das Fürchten lehrte, ist es unverständlich, wie sie nur ein Jahr zuvor derart hölzern und gekünstelt vor eine Kamera treten konnte. Von ihrer aus Die Maske des Zorro [1998] bekannten Schlagfertigkeit und Ausstrahlung ist hier nichts zu sehen.
Alix Kromozays Auftritt in Das Geisterschloss ist nicht nur gänzlich unwichtig für die Geschichte, sondern überdies auch noch viel zu kurz. Auch was weiter mit ihr geschieht wird nicht erklärt, als hätten die Macher beschlossen, dass es sie nach den ersten 15 Minuten nicht mehr gibt.
Owen Wilson sorgt unbestritten für die meisten witzigen Momente im Film und ist auch am ehesten eine Identifikationsfigur für die Zuschauer. Dies sicherlich deshalb, weil er der "normalste" Charakter im Film ist.
Maßlos enttäuscht muss man allerdings von Liam Neeson sein, der so blaß und farblos noch nie auf der Leinwand zu sehen war, obwohl er schon vor Schindlers Liste [1993] bewiesen hat, dass er wirklich spielen kann.

Für Schauspieler ist es zwar ein schwerer Schlag, wenn man ihr Spiel als schlecht empfindet, aber weitaus schlimmer ist das, was alle Darsteller in diesem Film waren: unbedeutend. Jeder einzelne von ihnen war entweder ersetzbar, oder aber so unwichtig, dass die Rolle komplett hätte gestrichen werden können. Angesichts anderer Rollen, die sie alle schon gespielt haben, völlig unverständlich.

Lili Taylor spielt am besten von den vier Hauptcharakteren, aber auch sie verblasst immer mehr angesichts der unbändigen Effektschlacht, die sich auf dem Bildschirm abzeichnet. Mit zunehmendem Fortschreiten der Handlung wird sie immer weiter unterfordert.
Eine Entwicklung der Charaktere findet entweder in Schüben oder überhaupt nicht statt, wobei Letzteres eher eintritt.

Der Film lebt ganz eindeutig von dem Haus selbst, von seiner Innenausstattung und dem schieren Anblick. Selbstverständlich erinnern die großen dunklen Türme, die unzähligen Zimmer und vielen Fenster an ein Gespensterschloss, aber all das ist nichts gegenüber der Architektur und den außergewöhnlichen Bauten im Innern, die großteils im Studio entstanden (was man glücklicherweise nicht bemerkt).
Viel Holz und Marmor, lange dunkle Gänge, Verzierungen soweit das Auge reicht und Bilder, Teppiche und knarzende Wände und Türen ... das ist wahrlich das Geisterschloss, das sich jeder Horrorfan nur erträumen kann.
Dass in den teils fünf und mehr Meter hohen Kulissen sehr viel Geld und Aufwand steckt, erkennt man sofort.

An der reinen Inszenierung, den Kamerafahrten, Einstellungen und Schnittfolgen gibt es im Großen und Ganzen nichts zu bemängeln, hier war eindeutig Regisseur Jan de Bont am Werk, der sich mit Filmen wie Speed [1996] einen Namen machte und als gelernter Kameramann genau weiß, wie er die einzelnen Bilder einfangen möchte.
Er vermittelt ein gutes Gefühl für die jeweiligen Räume und das Haus ansich.

Hauptaugenmerk haben die Macher ganz offenbar auf die Spezialeffekte gelegt, die vor allem dann zum Tragen kommen, wenn das Haus zum Leben erwacht. Sich bewegende Figuren, Geister, die sich in Vorhängen manifestieren – all das gefällt und kann doch nicht überzeugen.
Kindergespenster, die der Hauptperson ihr Leid ins Ohr flüstern und vom bösen Hausherrn bedroht werden, das mag sich zwar auf dem Papier gut angehört haben, die Umsetzung ist allerdings sehr mäßig. Die Computereffekte sind in aller Regel als solche zu erkennen, und wenn man als Zuschauer den Filmpersonen weit im Denken voraus ist, macht das Zusehen keinen großen Spaß.

Ein Grundproblem bei den Computereffekten ist vor allem die Art der Bewegungen: da die sich bewegenden Figuren eigentlich aus Holz oder Stein bestehen, wirkt eine flüssige, makellose Bewegung nicht natürlich. Mechanische Effekte wären hier – wie es einmal in einem Zimmer eingesetzt wird – passender und natürlicher gewesen.

Der Inszenierung fehlt wie dem Drehbuch das Nötige, um den Zuschauer in die Story einzubinden und wirkliche Spannung aufkommen zu lassen. Es hagelt zwar Effekte und Kameraschwenks in Massen, aber das wirkt viel eher wie eine Technologieshow, als wie ein spannendes Horroabenteuer.
Besonders nach dem ruhigen und ausgewogenen Anfang nehmen die Effekte ab der Mitte des Films bis zum Schluss hin derart viel Platz in den Bildern ein, dass nicht nur die tollen Kulissen kaum zu erkennen sind, sondern das Geschehen immer mehr in den Hintergrund gedrängt wird – nur, um zu zeigen, was heute mit Pixeln und Bytes alles machbar ist.

Zwar versucht Komponist Jerry Goldsmith, dem Film die nicht vorhandene Spannung durch die Musik einzuhauchen, aber selbst ihm gelingt dies nicht ganz. Seine Musik ist sehr rhythmisch, harmonisch und eingängig, allerdings handelt es sich nicht um viel mehr als eine Variation des oscarnominierten Scores zu Poltergeist [1982].

Mit eben dem letztgenannten Film muss sich seit 20 Jahren jeder neue Geisterhorrorfilm messen lassen, denn was die Macher damals auf die Leinwand zauberten trieb den Angstschweiß auf die Stirn der Zuschauer und viele Fernseher aus den Schlafzimmern. Schon bei Poltergeist setzte das Finale mehr auf Spezialeffekte, als auf Erklärungen oder Logik, und auch dort wollte es nicht so recht ins Gesamtbild passen.
Bei Das Geisterschloss drehte Produzent Steven Spielberg das Ende angeblich selbst nach und übernahm nach vielen Streitereien den Platz von Jan de Bont. Vielleicht ist der Schluss deshalb so kitschig, klischeehaft und versöhnlich geraten, denn dazu neigt der Meisterregisseur leider hin und wieder doch – besser macht es das allerdings nicht. Vielleicht wäre ein härterer, düsterer Schluss passender gewesen, doch das werden die Zuschauer wohl nie erfahren.

Als ähnlich angelegter Film in jüngerer Zeit ist Haunted Hill [1999] nicht nur deutlich erwachsener, sondern auch düsterer und spannender. Aber, als wäre es ein Fluch, das Finale setzt auch dort ausschließlich auf computergenerierte Effekte, anstatt den Zuschauer mit interessanten Wendungen oder spannenden Szenen zu überraschen.
Obwohl Das Geisterschloss für viele schlechte Auszeichnungen nominiert wurden, und keiner die offensichtlich hervorragende Ausstattung erkannte, ist der Film nicht wirklich schlecht. Die Story kann in Grundzügen Interesse erwecken und gerade zu Beginn überzeugt der Regisseur durch interessante Kamerafahrten und einige Schreckeffekte. Nach dem ansich recht gelungenen Beginn verlässt sich der Film allerdings zu sehr auf sinnlose Spezialeffekte, ohne durch Spannung überzeugen zu können. Auch die Hintergrundgeschichte um den alten Mr. Crain geriet bei den Autoren leider immer mehr in Vergessenheit.


Fazit:
Als der Film vor drei Jahren in den heimischen Kinos lief, hagelte es von den Film- und Fernsehzeitschriften Kritik, dass die Druckpressen qualmten. Von "Flop des Jahres" und "Absolut erbärmlich" war die Rede. - Heute ist der Film entweder "Tipp des Tages" oder er bekommt zumindest den "Daumen nach oben". Dabei hat sich am Film selbst nichts geändert.
Die Spannung bleibt oftmals auf der Strecke und der interessante Ansatz verkommt zu einem aufgeblähten aber inhaltsleeren Special-Effects-Inferno. Schade um die verschenkten Möglichkeiten.
Nichtsdestotrotz ist der Film recht unterhaltsam, gut gemacht und auf jeden Fall das Einschalten wert; schon auf Grund der grandiosen Kulissen, sowohl innen, wie außen.