Ben Hur [2016]

Wertung: 4 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 21. Mai 2017
Genre: Monumental / Drama / Action

Originaltitel: Ben-Hur
Laufzeit: 123 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2016
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: Timur Bekmambetov
Musik: Marco Beltrami
Darsteller: Jack Huston, Toby Kebbell, Nazanin Boniadi, Ayelet Zurer, Pilou Asbæk, Sofia Black-D'Elia, Morgan Freeman, Rodrigo Santoro, Marwan Kenzari, Moises Arias, James Cosmo, Haluk Bilginer


Kurzinhalt:
Judah Ben-Hur (Jack Huston) ist ein jüdischer Prinz und Sohn einer sehr wohlhabenden und angesehenen Familie in Jerusalem des Jahres 25 A.D.. Seine Eltern nahmen den Waisen Messala Severus (Toby Kebbell) bei sich auf und erzogen ihn wie ihren eigenen Sohn. Dennoch ist von Seiten von Judahs Mutter Naomi (Ayelet Zurer) eine Unterscheidung zwischen ihm und Judah vorhanden, immerhin ist Messala Römer und damit Teil eines Reiches, das sich stets ausbreitet. So verlässt Messala die Familie und schließt sich den römischen Legionen an. Jahre später kehrt er zurück mit dem Statthalter Pontius Pilatus (Pilou Asbæk). Als bei dessen Einzug in die Stadt ein Attentat auf ihn verübt wird, verlangt Rom, die Schuldigen zu bestrafen. Der Angreifer agierte vom Anwesen der Ben-Hurs aus und so statuiert Messala ein Exempel an seiner früheren Familie. Doch Judah überlebt Jahre der Gefangenschaft und schwört mit Hilfe des Händlers Ilderim (Morgan Freeman) seinem einstigen Bruder Rache …


Kritik:
Die wohl größte Überraschung an Timur Bekmambetovs Neufassung von Ben Hur ist, dass der Film in keiner Weise wirklich grauenvoll geraten ist. Beinahe 60 Jahre nach der letzten großen Leinwandadaption des Stoffes mit Charlton Heston in der Rolle des jüdischen Prinzen Judah Ben-Hur, komprimiert der Filmemacher den Stoff auf etwas mehr als zwei Stunden, ohne die großen Wegstationen zu verpassen. Abgesehen von einigen wenigen Momenten ist das durchaus ansehnlich – nur nie mehr als das.

Die Geschichte beginnt im Jahre 25 A.D. und erzählt von dem in Jerusalem mit seiner Familie lebenden Judah und dessen Adoptivbruder Messala. So nahe sie sich stehen, so groß ist stets der Konkurrenzkampf zwischen beiden. Nachdem Messala ein weiteres Mal von seiner Ziehmutter darauf hingewiesen wird, dass er zwar zur Familie gehört und dennoch kein Teil von ihr ist, zieht er aus, um sich den römischen Truppen anzuschließen, die an verschiedenen Fronten das immer größer werdende Reich verteidigen. Jahre später kehrt er als Centurio zurück und ist gezwungen, seine ehemalige Familie nach einem misslungenen Anschlag auf den Präfekten Pontius Pilatus zum Tode zu verurteilen. Judah wird auf eine Galeere verbannt, seine Mutter und Schwester sollen gekreuzigt werden. Als Judah freikommt, schwört er Rache an Messala. Die einzige Plattform, auf der er nahe genug an ihn herankommt sind die Spiele, die die Römer im hierfür erbauten Zirkus von Jerusalem veranstalten.

Wer eine der zwei bekanntesten Filmumsetzungen des Stoffes kennt, den monumentalen Ben Hur [1959] oder die Stummfilmfassung aus dem Jahr 1925, der weiß, dass die Konfrontation zwischen den beiden Brüdern in einem Wagenrennen gipfelt, das in beiden vorgenannten Filmversionen Geschichte geschrieben hat. Regisseur Bekmambetov beginnt seine Adaption von Ben Hur sogar mit einem kleinen Ausblick darauf. Interessenten müssen jedoch mehr als zwei Drittel des Films abwarten, bis das Rennen tatsächlich startet.
Ist es dann schließlich soweit, ist es bedauerlicherweise der enttäuschendste Aspekt des Films. Aus dem einfachen Grund, weil hier die Trickeffekte allzu offensichtlich sind. In beinahe jeder Einstellung. Sieht man sich die Sequenz in dem vor mehr als 50 Jahren gedrehten Meilenstein an, ist es gleichzeitig ernüchternd und doch irgendwie beruhigend, dass jenes Jahrhundertrennen offensichtlich nicht zu übertreffen ist.

Davon abgesehen verläuft Ben Hur in gewohnten Bahnen und zeigt greifbar, wie sich die Brüder auseinanderleben, ihre unterschiedlichen Lebensauffassungen sie jeweils innerlich aufzufressen drohen. Dass Messala nicht als platter Bösewicht porträtiert wird, ist eine gute Entscheidung, ebenso wie die Tatsache, dass die Hauptrollen allesamt von wenig bekannten Darstellern verkörpert werden. Einzig die deutsche Synchronisation hinterlässt keinen überragenden Eindruck. Dafür überzeugen sowohl die Kostüme als auch die Bauten sowie die – vom Wagenrennen abgesehen – großteils unsichtbaren Effekte, um das Jerusalem vor beinahe 2.000 Jahren wiederauferstehen zu lassen.

Abgesehen von den beiden Hauptfiguren erhalten die übrigen Charaktere nur wenig Profil, was jedoch auch der im Vergleich zu den übrigen Adaptionen deutlich kürzeren Laufzeit geschuldet ist. Immerhin mussten die Filmemacher beinahe eineinhalb Stunden einsparen.
Das wird gerade am wiederkehrenden Storystrang um Jesus von Nazareth deutlich. Zwar stellt dieser inhaltlich ein für Judah Ben-Hur wichtiges Spiegelbild seiner eigenen Entwicklung dar, von seiner öffentlichen Erniedrigung bis hin zu der Erkenntnis, dass Vergebung und Barmherzigkeit die Säulen eines jeden Lebens sein sollten. Doch diese Punkte kommen hier zu kurz, auch in Bezug auf seine Familie. Die gesamte Nebenhandlung macht den Eindruck, als wäre sie notwendigerweise angehangen worden, anstatt ein zentraler Bestandteil der Reise der Hauptfigur zu sein.


Fazit:
Obwohl die Wartezeit seit der letzten Neufassung des bekannten Stoffes so lange Zeit zurückliegt – von zahlreichen Fernsehadaptionen abgesehen – ist die erste Frage, die man sich als Zuseher stellt, ob Timur Bekmambetovs Ben Hur wirklich notwendig ist. Die Antwort hierauf ist nicht einfach. Der gefühlt merklich kürzer gewordenen Aufmerksamkeitsspanne des breiten Publikums tut es keinen Abbruch, dass die Erzählung deutlich kompakter ausfällt. Allerdings fallen dadurch viele für die Geschichte wichtigen Elemente und Entwicklungen weg. Im Ergebnis ist die 2016er Filmfassung entsprechend kurzweilig, lässt jedoch auch die Tiefe und emotionale Tragweite voriger Fassungen vermissen. Sowohl was die Bedeutung der Geschichte als auch die Figuren anbelangt. Dafür ist die Produktion aufwändig gestaltet und gut ausgestattet. Sieht man vom etwas enttäuschenden Wagenrennen ab, das mehr konfus als spannend geraten ist, gibt es auch an der Umsetzung nichts zu bemängeln. Als Unterhaltungsfilm ist das recht gelungen, doch die monumentale Geschichte von Judah Ben-Hur sollte mehr sein als nur das.