Auf dass ihr nicht gerichtet werdet [2005]

Wertung: 4 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 17. April 2006
Genre: Krimi

Originaltitel: The Inspector Lynley Mysteries: The Seed of Cunning
Laufzeit: 87 min.
Produktionsland: Großbritannien
Produktionsjahr: 2005
FSK-Freigabe: -

Regie: Jeremy Silberston
Musik: Debbie Wiseman, Robert Lockhart
Darsteller: Nathaniel Parker, Sharon Small, Roger Allam, Clive Merrison, Claudie Blakley, Gawn Grainger, Richard Henders, Tony Haygarth, Paul Hickey, Matilda Ziegler


Kurzinhalt:
Bei den Ermittlungen des Mordes am Türsteher des Londoner Oberhauses, wird Thomas Lynley (Nathaniel Parker) unversehens mit Geistern aus seiner Vergangenheit konfrontiert; nicht nur, dass der adelige Inspektor in den Kammern des Parlaments kein Unbekannter ist, sein Studienkommilitone Simon Featherstonehaugh (Roger Allam) zählt zum zu befragenden Personenkreis. Der scheint zusammen mit der Lobbyistin Laetitia Gane (Claudie Blakley) auch mehr über die verworren scheinenden Umstände des Mordes zu wissen, als er zugibt.
Nicht nur, dass der getötete Türsteher für seine Spielschulden bekannt war, er scheint einem mächtigen US-Konzern, der mit Ganes Hilfe eine Entscheidung im britischen Parlament herbeiführen will, im Weg gestanden zu haben. Während Lynley und Barbara Havers (Sharon Small) darum bemüht sind, Licht ins Dunkel zu bringen, müssen sie sich eingestehen, dass Mächte am Werk sind, die ihre kühnsten Vermutungen übersteigen – wieso sollte sonst jemand die beiden Ermittler beschatten lassen? Und vor allem, wer?


Kritik:
Enttäuschten die letzten Krimis um das an sich sympathische britische Ermittlerduo Lynley und Havers meist durch die wenig originellen Storys, die den erfahrenen Zuschauern mit den wenigen Figuren und den absehbar gestrickten Motiven vor wenige Rätsel gestellt haben, gehen die Macher bei Auf dass ihr nicht gerichtet werdet andere Wege. Drehbuchautor Mark Greig verlegt das Geschehen vom meist idyllisch-ländlichen Setting weg in die komplexe Welt der britischen Politik und erweitert dabei quasi nebenbei die Persönlichkeit von Inspektor Thomas Lynley, wobei die zu Beginn vernachlässigte Barbara Havers im Verlauf der nur eineinhalb Stunden immerhin ein wenig weiterentwickelt wird.

Das Skript mutet dabei zu Beginn nur wenig verschieden von den bekannten Versatzstücken der Reihe an, entfaltet dann allerdings bereits im ersten Drittel ungeahnte Tiefe, wenn der zu lösende Fall sich rasch auf ein bestimmtes Ermittlungsfeld konzentriert, die drängendsten Fragen aber nach wie vor unbeantwortet bleiben. Dass Greig zudem den Zuschauern die mannigfaltigen Verstrickungen innerhalb der britischen Gesetzgebung (und ihre Verwebungen mit der Aristokratie) nahebringt, ergibt sich zwar nur als Nebenprodukt des Krimis selbst, bildet aber eine willkommene Abwechslung. Was dem Autor aber bei der merklich interessanteren Gestaltung der Geschichte dennoch nicht gelingen mag, ist eine spannende Umsetzung der durchaus verschachtelten Geschichte, die überraschend aktuelle Bezüge zur Gesetzesfindung und der Einflussnahme zahlreicher Lobbyisten aufweist. Damit behandelt Greig zwar ein sehr politisches Thema, das aber trotz der offensichtlichen Bedrohung für die beiden Hauptcharaktere einiges an Spannungsmomenten vermissen lässt, die sich aber eigentlich immer wieder ankündigen, nur im Endeffekt nie aufgelöst werden.
So fällt auch das Finale dementsprechend schwach aus, lässt mit einer überraschenden Wendung auf einen feuergefährlichen Schluss hoffen, um dann aber eher unbefriedigend aufgelöst zu werden – und damit ist nicht der durchaus mutige und auch begrüßenswerte Schluss des TV-Krimis gemeint, sondern vielmehr die Vorbereitung desselben.

Die Darsteller belohnen das mit durchweg engagierten Darbietungen, allen voran Nathaniel Parker, der hier die Lust an der Rolle wiedergefunden zu haben scheint. Ihm gelingen kleine Nuancen im zwar gewohnt stoischen, englischen Spiel, das aber gerade in den Momenten, in denen seine Frau Helen erwähnt wird, und in denen er sich seiner Ohnmacht gegenüber seinem Gegner bewusst wird, an Farbe gewinnt.
Auch Sharon Small, der hier der kokette Ansatz ihrer Figur besser zu Gesicht steht, als beispielsweise beim Staffelauftakt der Reihe, überzeugt mit einer durchweg guten Leistung, auch wenn sie leider nicht so stark gefordert wird, wie man sich das wünschen würde.
Routiniert mimt hingegen Roger Allam, dessen Rolle überraschend groß ausfällt, und der Lynley-Akteur Parker in den gemeinsamen Momenten durchaus gewachsen ist. Auch Clive Merrison und Gawn Grainger können überzeugen, ebenso wie Tony Haygarth.
Keinen Grund zur Beanstandung lassen auch Claudie Blakley und Matilda Ziegler, wobei gegen einen erneuten Auftritt Zieglers in der Serie nichts einzuwenden wäre.
Die Besetzung wirkt stimmig und des parlamentarischen Hintergrunds durchaus angemessen, glücklicherweise sind auch die geforderten Akteure sichtlich motiviert und erzeugen eine passende Atmosphäre.

Handwerklich gibt es prinzipiell nichts auszusetzen, Regisseur Jeremy Silberston kleidet den Krimi in gut ausgewählte Bilder und verleiht den Dialogen mit dem bewussten Verweis auf die Wahl der Gesprächspartner (die Parlamentarier unterhalten sich selbst bei Havers Anwesenheit nur mit Lynley) eine wohl nicht unbeabsichtigte Botschaft bezüglich der Aristokratie.
Was aber stört ist die Tatsache, dass der gesamte Krimi mit dem zu Beginn der Staffel eingeführten Weichzeichner versehen ist, und die überstrahlenden Flächen einmal mehr an eine drittklassige Schnulzenverfilmung erinnern, statt an einen britischen Krimi. Statt wie andere Genrevertreter auf körnige Farben und harte Kontraste zu setzen, erweckt Auf dass ihr nicht gerichtet werdet stets den Eindruck eines Traums und bekommt dadurch eine unwirkliche Atmosphäre, obwohl zumindest in wirklich exzellenten Kulissen des britischen Parlaments, wenn nicht an Originalschauplätzen gedreht wurde. Auch die Landschaftsaufnahmen des sommerlichen London sind gelungen, und verzichten glücklicherweise auf die überstrahlenden Flächen.
Mit einer klassischeren, weniger weichgespülten Umsetzung wäre hier noch ein wenig mehr möglich gewesen. An der Optik selbst, der Bildauswahl an sich, gibt es indes nichts zu bemängeln.

Auch die musikalische Begleitung von Debbie Wiseman kann überzeugen, wenngleich der Score durch den Spagat zwischen klassischer Instrumentierung und zurückhaltender atmosphärischer Begleitung ein wenig den Eindruck erweckt, als wäre die Komponistin von Howard Shores kongenialem Soundtrack zu Das Schweigen der Lämmer [1991] inspiriert gewesen.
Dennoch wirkt die Musik nicht aufdringlich und nicht übermäßig sentimental, passt gut zu den Bildern und verleiht dem TV-Film eine gelungene Stimmung, die aber über das wenig spannende Skript nicht hinweg zu täuschen vermag.

Was nach den eineinhalb Stunden bleibt, sind viele Fragen, deren Beantwortung sich die Autoren in einer der kommenden Episoden durchaus annehmen sollten. Hier verbirgt sich genügend Potential, um nicht nur einen weiteren Krimi zu füllen, sondern auch Hauptfigur Thomas Lynley weiterzuentwickeln.
Schon aus diesem Grund ist der Schluss und dessen Aussage bezüglich des Einflusses des Inspektors durchaus gelungen, wenn auch nicht in dem Maße zufriedenstellend, wie es sich klassische Krimifans womöglich erhoffen. Woran man sich aber stört ist der schleppende Erzählstil im übrigen Verlauf des TV-Films, der zwar nie langweilig gerät, aber wirkliche Höhepunkte vermissen lässt und auch in den Verhören nicht das Maß an Wortgewandtheit oder psychologischer Tiefe offenbart, das man von einem modernen Krimi erwarten würde.
Der Weg, gerade in Bezug auf den Auftakt dieser Inspector Lynley Mysteries-Staffel, ist aber auf jeden Fall der richtige.


Fazit:
Die Entscheidung des Drehbuchautors Mark Greig, die Unbescholtenheit des englischen Hinterlands gegen die vermeintlich makellose, und doch kühle Fassade der Londoner Politik einzutauschen, mag auf den ersten Blick verwundern, offenbart aber nicht zuletzt durch die eingebrachten Verstrickungen von Hauptfigur Thomas Lynley in das britische Oberhaus neue Aspekte der Figur und lohnt für Kenner der Reihe schon deswegen.
Wie Regisseur Jeremy Silberston seinen Politkrimi überdies darbringt, ist immer interessant, dank der komplexen Verwicklungen auch dann, wenn Auf dass ihr nicht gerichtet werdet inhaltlich nicht das Maß an Spannung bereit hält, das man sich von einer solch aktuellen Story versprechen würde. Nicht zuletzt sind es die routinierten und merklich engagierteren Darsteller, die den TV-Film für Fans sehenswert machen, und der bemerkenswert mutige Schluss, der über den leidlich mitreißenden Aufbau aber nicht so recht hinweg zu retten vermag.