2001: Odyssee im Weltraum [1968]

Wertung: 4.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 9. Januar 2022
Genre: Science Fiction

Originaltitel: 2001: A Space Odyssey
Laufzeit: 149 min.
Produktionsland: Großbritannien / USA
Produktionsjahr: 1968
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: Stanley Kubrick
Musik: Aram Khachaturyan, György Ligeti, Johann Strauß, Richard Strauss
Besetzung: Keir Dullea, Gary Lockwood, William Sylvester, Douglas Rain (Peter Schiff), Leonard Rossiter, Margaret Tyzack, Robert Beatty, Sean Sullivan, Daniel Richter, Frank Miller


Kurzinhalt:

Nach einer Entdeckung auf dem Mond, welche die Menschheitsgeschichte neu schreiben oder wenigstens in eine neue Richtung lenken könnte, wird unter Dr. Heywood Floyd (William Sylvester), dem Vorsitzenden des United States Nationalrat der Astronautik, im Jahr 2001 eine Mission zum Jupiter entsandt. Die Discovery One besitzt nur fünf Besatzungsmitglieder, von denen drei noch vor Abreise in Tiefschlaf versetzt wurden. Dr. Dave Bowman (Keir Dullea) und Dr. Frank Poole (Gary Lockwood) sind während der Reise wach und werden von HAL 9000 (Douglas Rain / Peter Schiff), dem modernsten Computer, der je gebaut wurde, unterstützt. HALs Sensoren überwachen alle Systeme der Discovery und ermöglichen der sprechenden, elektronischen Intelligenz Einblick in beinahe alle Bereiche. Doch die Natur der Mission beunruhigt HAL und kurz darauf scheint es, als hätte das unfehlbare technische Gehirn einen Fehler gemacht. Das hätte Auswirkungen, die nicht nur die Mission, sondern auch das Leben der Menschen an Bord gefährden würden …


Kritik:
Stanley Kubricks 2001: Odyssee im Weltraum ist ein Film, der einen als Teil der Spezies Mensch mehr als ein halbes Jahrhundert nach seiner Premiere im Grunde nur beschämen kann. Welche Aufbruchstimmung zur Zeit des Drehs, wenige Jahre nach John F. Kennedys Bekenntnis, zum Mond reisen zu wollen, und noch vor der Mondlandung selbst, geherrscht haben muss, kann man sich kaum ausmalen. Die Verantwortlichen sahen die Menschheit nur 30 Jahre später mit festen Stationen auf dem Mond, vereint in einer Zukunft, die durch Zusammenarbeit geprägt war. Was wir tatsächlich erreicht haben, ist dagegen schlicht enttäuschend. Anstatt sich jedoch lediglich mit einer möglichen Zukunftsvision zu beschäftigen, geht Kubrick zusammen mit Science Fiction-Autor Arthur C. Clarke, mit dem er auch die Vorlage schrieb, deutlich weiter und stellt Fragen und Konzepte vor, mit denen wir uns zum Teil heute noch auseinandersetzen und die philosophische Diskussionen seit Jahrzehnten beflügeln.

Nach einer Ouvertüre, die das Publikum ohne Bild, aber mit dem aus klassischen Themen bestehenden Soundtrack auf das Geschehen einstimmt, beginnt die Geschichte nicht in der damaligen Zukunft, sondern beim „Anbeginn der Menschheit“ in Afrika zu prähistorischer Zeit. Dort werden mehrere Gruppen Hominider gezeigt, der affenähnlichen Vorfahren der Menschen, die, selbst wenn sie sich gegeneinander durchsetzen können, dennoch nicht die Spitze der Nahrungskette bekleiden, sondern nachts vor Raubtieren wie dem Geparden zusammenkauern. Bis eines Tages in ihrer Mitte ein schwarzer, aufrecht stehender und makelloser Quader erscheint. Danach beginnen die Hominiden, Werkzeuge zu benutzen, ein evolutionärer Sprung, der den modernen Menschen bis heute prägt. Es ist in Prolog, der die interessante Frage aufwirft, ob die Evolution unserer Spezies aus uns selbst heraus erfolgte, oder von äußeren Einwirkungen entzündet wurde. Doch zieht sich dieser Prolog, der tatsächlich 20 Minuten dauert, spürbar in die Länge und die Frage ist durchaus berechtigt, ob ein so langer Vorlauf wirklich notwendig ist.

Er ist jedoch symptomatisch für Stanley Kubricks Herangehensweise an seine Erzählung, denn das Tempo nimmt auch nach dem zeitlichen Sprung in das Jahr 2000 nicht wirklich zu. Dann reist Dr. Heywood Floyd in einem Shuttle zuerst zur Raumstation „Hilton Space Station 5“ und im Anschluss zu einem Außenposten auf dem Erdtrabanten, der „Clavius“ Mondbasis, wo eine die Weltgeschichte verändernde Entdeckung gemacht wurde. 2001 schwelgt in diesen Bildern der sich drehenden Raumstation, die aussieht, wie zwei in der Mitte miteinander verbundene Wagenräder. Diese Eindrücke sind, ebenso wie die Reise über die Mondoberfläche und in die teils unterirdisch gelegene Mondbasis, mit klassischer Musik, darunter dem Wiener Walzer, unterlegt und entwickeln eine geradezu hypnotisch-beruhigende Wirkung. Es sind Aufnahmen, die immer noch erstaunen durch ihre Detailtreue, ihre Plastizität und das grundlegende Design der meist unerkennbaren Trickeffekte, der weitläufigen Bauten und des Designs. Die Kostüme der Figuren, gezeigte Technik wie die Videotelefonie von der Raumstation zur Erde, sind als Zukunftsvisionen so bahnbrechend wie wegweisend und vor allem eines: Alle machbar, anstatt übernatürlich fantastisch. Allein, dass sich hier Menschen aus der Sowjetunion und Amerika auf einer für alle zugänglichen Raumstation austauschen, während Ende der 1960er-Jahre der Kalte Krieg tobte, sind hoffnungsvolle Zeichen auf eine bessere Zukunft.

Dr. Floyds Reise zum Mond, der Abstieg in die Ausgrabungsstätte, sind ein Bilderreigen sondergleichen, aber erneut spürbar lang, zumal die Geschichte im Anschluss wieder einen Sprung aufweist zu einer bemannten Jupiter-Mission, die 18 Monate später stattfindet. Es beginnt die eigentliche Story von 2001: Odyssee im Weltraum gewissermaßen erst nach beinahe einer Stunde und auch wenn was zuvor geschieht, inhaltlich relevant ist, es in dieser epischen Breite vorzustellen, ist inhaltlich nicht erforderlich, aber für die Wirkung notwendig, die Kubrick offenbar erreichen wollte. Die Jupiter-Mission des Raumschiffs Discovery One stellt schließlich die beiden Figuren vor, die am meisten in Erinnerung bleiben, Dr. David Bowman und den Supercomputer HAL 9000, der für die Steuerung der Discovery zuständig ist und gewissermaßen das sechste Crewmitglied. Drei davon befinden sich im Tiefschlaf, Dr. Frank Poole begleitet David während der Reise.

Was auf dieser Reise geschieht und welchen Zweck sie überhaupt verfolgt – was nicht einmal die beiden Astronauten wissen – sollte das geneigte Publikum selbst erfahren. Es soll genügen zu sagen, dass es den Anschein hat, als hätte HAL eine Fehlfunktion und in Anbetracht dessen, wie viel der Computer, der auch über ein Sprachmodul verfügt, bei der Mission steuert, steigt das Misstrauen Franks und Daves gegenüber HALs Zuverlässigkeit. Dieses Misstrauen gegenüber Künstlicher Intelligenz, deren Betriff zur Zeit des Films noch gar nicht existierte, wurde seither in zahlreichen Science Fiction-Geschichten aufgegriffen, oder hier vorgestellte Ideen schlicht übernommen. Die Konzepte, die 2001: Odyssee im Weltraum dabei oder auch hinsichtlich des Monolithen vorstellt, waren denen der meisten anderen Geschichtenerzähler mindestens eine Generation voraus und optisch derart eindrucksvoll präsentiert, dass es einem immer noch die Sprache verschlägt. Ohne Töne bei den außerhalb der Discovery sich abspielenden Ereignissen im Weltraum, fasziniert das Gezeigte umso mehr. Anstatt sämtliche Handlungen und Beweggründe der Personen zu erläutern, beobachtet das Publikum und fühlt sich so nur noch mehr an die Seite der menschlichen Figuren versetzt. Doch wiederholt Kubrick manche Einstellungen, die zum Teil verblüffende, kameratechnische Finessen beinhalten, wie beispielsweise Daves Training im kugelförmigen Teil des Raumschiffs, so oft, als wollte er zeigen, wie stolz er auf diese Aufnahmen ist und nicht, weil er damit eine weitergehende Aussage treffen wollte.

So ist 2001: Odyssee im Weltraum in gewisser Weise ein zweischneidiges Schwert. Einer der einflussreichsten und wegbereitendsten Meilensteine der Filmgeschichte überhaupt, der trotz seiner punktuell verblüffenden Brillanz auf eine Art und Weise präsentiert wird, dass er sich wenigstens einem breiten Publikum verschließt. Dass es auch anders geht, man der Zuschauerschaft verblüffende und philosophisch anregende Geschichten nicht notwendigerweise derart schwer zugänglich erzählen muss, hat im selben Jahr Planet der Affen [1968] bewiesen. Insofern ist dies hier eine bewusste Entscheidung von Regisseur Stanley Kubrick. Dies ist zu respektieren, es muss einem aber nicht gefallen.


Fazit:
Insbesondere, wenn man nach einem halben Jahrhundert darauf zurückblickt, was Stanley Kubrick und Arthur C. Clarke sowohl inhaltlich als auch hinsichtlich des Designs und der Zukunftsvisionen erschaffen haben, sorgt 2001 nach wie vor für Staunen und scheint sich selbst in heutigen Designentscheidungen wiederzufinden. Wie das Drehbuch HAL einbindet, ist konzeptionell umwerfend und die seither unzählige Male kopierten Ideen scheinen hier wie aus einem anderen Jahrtausend zu stammen. Allerdings ist Vieles dabei so behäbig, beinahe elegisch erzählt, dass es dem Filmemacher weniger auf den Inhalt, als die Erfahrung desselben anzukommen scheint. So auch bei den kaleidoskopartigen Eindrücken am Ende, deren Inhalt zu deuten sichtlich schwerfällt. Dennoch, wenn in der letzten Stunde Daves Überlebenskampf beginnt, ist das gerade deshalb packend, weil nicht alles zu Ende erklärt wird. So bleibt dies ein filmisches Meisterwerk, ein Film, der wie kein anderer das Science Fiction-Genre geprägt und unzählige Filmschaffende inspiriert hat. Doch so umwerfend der Klassiker in Bezug auf seine wegweisenden, bahnbrechenden Elemente ist, aus erzählerischer Sicht ist 2001: Odyssee im Weltraum ein Werk, das im besten Fall als schwierig und schwer zugänglich bezeichnet werden kann.