Underwater - Es ist erwacht [2020]

Wertung: 3 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 17. August 2020
Genre: Science Fiction / Action

Originaltitel: Underwater
Laufzeit: 95 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2019
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren

Regie: William Eubank
Musik: Marco Beltrami, Brandon Roberts
Besetzung: Kristen Stewart, Vincent Cassel, Mamoudou Athie, T.J. Miller, John Gallagher Jr., Jessica Henwick, Gunner Wright, Fiona Rene, Amanda Troop


Kurzinhalt:

In naher Zukunft finden an der tiefsten Stelle der Erde, im beinahe 11 Kilometer tiefen Marianengraben, Forschungen und Bohrungen statt. Als ein verheerendes Erdbeben die Unterwasserstation Kepler 822 erschüttert und zu großen Teilen zerstört, bleibt der Ingenieurin Norah (Kristen Stewart) und dem ebenfalls an Bord befindlichen Captain Lucien (Vincent Cassel) nur wenig Zeit. Auch die Kühltürme des Reaktors wurden beschädigt, eine Kernschmelze steht unmittelbar bevor. Zusammen mit Rodrigo (Mamoudou Athie), Paul (T.J. Miller), Liam (John Gallagher Jr.) und Emily (Jessica Henwick) machen sie sich zu den Rettungskapseln einer benachbarten Station auf. Dafür müssen sie in Taucheranzügen die Station verlassen und über den Meeresgrund, in beinahe vollkommener Finsternis, zu Fuß die andere Station erreichen. Doch auch in dieser Tiefe sind sie nicht allein …


Kritik:
Wenn nichts anderes, dann ist William Eubanks Underwater - Es ist erwacht eine passende Erinnerung daran, dass eine HD-Veröffentlichung von James Camerons Abyss - Abgrund des Todes [1989] lange überfällig ist. Von einer zeitgemäßen Restaurierung in 4K ganz zu schweigen. Camerons moderner Science Fiction-Klassiker, der eine ganze Generation an Trickeffekten überhaupt erst ermöglichte, ist doppelt so lang wie Underwater und passenderweise doppelt so gelungen. Denn selbst wenn jener Regisseur meist dafür kritisiert wird, dass seine Filme zu lange brauchen, ehe sie in Fahrt kommen, versteht er es, Szenerie und Figuren vorzustellen und aufzubauen. Hier wird das Publikum vom Start weg in eine Situation geworfen, die es nicht einordnen kann. Das Tempo soll wohl helfen, über die inhaltlichen Unzulänglichkeiten hinwegzusehen, aber wenn man nicht weiß, wer hier 11 Kilometer unter der Meeresoberfläche ums Überleben kämpft, wieso sollte ihr Kampf dann interessieren?

Eubank siedelt seinen Film vollständig unter Wasser an, in der Forschungs- und Bohrstation Kepler 822, am tiefsten Punkt der Erde: Dem Marianengraben. Die Station wird, wie Schlagzeilen zu Beginn zeigen, von Kontroversen überschattet, die verantwortliche Firma soll Dinge vertuscht haben und nicht zuletzt suchen Erschütterungen die Tiefseeforscher heim. Dass es sich hierbei nicht um natürliche Vorkommnisse handelt, verrät bereits der deutsche Filmtitel. Der durchaus actiongeladene Film dauert nur eineinhalb Stunden und verliert daher keine große Zeit. Er wird erzählt aus Sicht der Ingenieurin Norah, wie immer gelungen gespielt von Kristen Stewart. Sie wird im Gang stehend überrascht, als die Station von einem massiven Beben erschüttert wird, das große Teile des Komplexes zerstört. Zusammen mit zuerst einem und wenig später insgesamt fünf Überlebenden, darunter Captain Lucien, muss sie einen Weg an die Oberfläche finden. Doch da sämtliche Rettungskapseln entweder zerstört und nicht erreichbar sind, wollen sie zu Fuß zu einer anderen Station gehen, um die dortigen Kapseln zu benutzen.

Wer sich mit nur ein wenig physikalischem Verständnis fragt, wie das gehen soll, beträgt der Druck in 10 Kilometern Meerestiefe doch eine Tonne pro Quadratzentimeter, so dass die Überlebenden spätestens bei Verlassen der Station im Nu zerquetscht würden, dem sei gesagt, dass Underwater in der Zukunft spielt und offenbar Materialien für Taucheranzüge entwickelt wurden, die diesem Druck standhalten können. Klar heraus stellt der Filmemacher jedoch nicht, dass der horrorlastige Science Fiction-Film im Jahr 2050 spielen soll. So, wie er Vieles für sich behält. Beispielsweise, wer die Figuren eigentlich sind. Wirklich vorgestellt, geschweige denn entwickelt, wird hier niemand, die Personen könnten dem Publikum kaum fremder sein. Gibt es bei Alien - Das unheimliche Wesen aus einer fremden Welt [1979], einer weiteren, ganz eindeutigen Inspiration für Regisseur William Eubank, klare Unterscheidungsmerkmale zwischen den Figuren, werden diese im kameradschaftlichen Umgang miteinander vorgestellt, zeigt Underwater sie einzig in dieser Ausnahmesituation. Wie sollen sie jedoch über sich hinauswachsen, wenn nie klar ist, wie sie eigentlich sind?

Hinzu kommt, dass sich der Film keine Zeit nimmt, die Station selbst vorzustellen. Das heißt nicht, dass sich die Macher nicht überlegt hätten, wie all das funktionieren soll, oder wie die Gegebenheiten vor Ort sind, aber aus den Sets weiß der Film nichts zu machen. Selbst reine Unterhaltungsfilme wie Deep Blue Sea [1999] wissen, das Setdesign nicht nur in Szene zu setzen, sondern für die Story zu nutzen. So komplex gerät Underwater aber nicht. Das geht soweit, dass der Film sogar andeutet, Captain Lucien hätte noch Facetten, die es wert wären, erzählt zu werden, wenn Norah ein Bild seiner Tochter findet – aber auch dieser Storyzweig versickert im Nirgendwo.
Dafür sind die Figuren ständig in Bewegung und während man selbst unter Wasser eher behäbig in seinen Abläufen ist, behält die Inszenierung die wackelige Kameraführung durchweg bei. Das heißt nicht, dass man nichts erkennen könnte, aber weder das an sich gelungene Design der Station, noch dessen, was die Überlebenden erwartet, nachdem sie sie verlassen haben, kann man bewusst aufnehmen, wenn nichts je länger als eine Sekunde zu sehen ist.

Gedreht im Jahr 2017, wartete das Produktionsstudio bis zum Frühjahr 2020, um die vertraut klingende Story ins Kino zu bringen. Eine erneute Kinoauswertung derjenigen Filme, die hier ganz offenbar abgekupfert werden, wäre wünschenswerter – und womöglich erfolgreicher – gewesen. In Anbetracht dessen, was Underwater ist, klingt das allerdings etwas zu harsch. Sieht man über den wackeligen Inszenierungsstil hinweg, ist der Science Fiction-Film nicht schlecht gemacht. Viele Szenen spielen gelungen mit Licht und Schatten, ein paar der Erschreckmomente funktionieren, selbst wenn die meisten lange absehbar sind. Die Besetzung versucht zudem, das Beste aus dem spärlichen Material zu machen, das ihr gegeben ist. Und Fans von H.P. Lovecraft werden außerdem womöglich positiv überrascht sein.
Aber gerade deshalb fragt man sich, weshalb sich die Macher nicht schlicht die Zeit genommen haben, all das besser zu erkunden. Dann wäre es nicht nur „nicht langweilig“ geworden, sondern womöglich sogar ein guter Genrefilm. Dazu fehlt es ihm aber schlicht an Substanz.


Fazit:
Man könnte den holprigen Start ohne lange Vorbereitung der Szenerie oder der Figuren durchaus verzeihen, würde Filmemacher William Eubank darauf auf- und die verschiedenen Charaktere ausbauen. Was, wenn sie alle Fähigkeiten und Expertisen hätten, die notwendig sind, um am Ende zur Oberfläche zu kommen? Aber außer über Norah, die als Ingenieurin mehrmals in Sekundenschnelle eine Konsole repariert, erfährt man von niemand anderem überhaupt, was sie oder er in der Station gearbeitet hat. Worauf die mysteriöse Story unter Wasser hinausläuft, zeichnet sich früh ab und wäre es nicht um das tatsächliche Ende, gäbe es hier überhaupt gar keine Überraschungen. Handwerklich ist Underwater - Es ist erwacht nicht schlecht gelungen und weiß aus seinem Budget einiges zu machen. Nur lassen die Andeutungen der beteiligten Firmen und Geschehnisse in jener Bohrstation vermuten, dass das Story-Universum um den Film herum bedeutend interessanter ist als alles, was hier gezeigt wird. Wem die klischeehaften Schreckmomente jedoch ausreichen, um sagen zu können, der Science Fiction-Film wäre kurzweilig, kommt hier auf seine bzw. ihre Kosten. Im Vergleich zu all den Filmen, die diesen aber ganz offenbar beeinflusst haben, ist das Gezeigte weder einfallsreich, noch packend genug.