The King’s Man - The Beginning [2021]
Wertung: |
Kritik von Jens Adrian |
Hinzugefügt am 8. Dezember 2021
Genre: ActionOriginaltitel: The King’s Man
Laufzeit: 131 min.
Produktionsland: Großbritannien / USA
Produktionsjahr: 2021
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren
Regie: Matthew Vaughn
Musik: Dominic Lewis, Matthew Margeson
Besetzung: Ralph Fiennes, Harris Dickinson, Gemma Arterton, Djimon Hounsou, Rhys Ifans, Matthew Goode, Tom Hollander, Daniel Brühl, Charles Dance, Alexandra Maria Lara, Aaron Taylor-Johnson, Aaron Vodovoz, Todd Boyce, Branka Katic, Valerie Pachner, Alexander Shaw
Kurzinhalt:
Es war das letzte Versprechen, das Orlando (Ralph Fiennes), der Duke von Oxford, seiner Frau gab, bevor sie starb, dass ihr gemeinsamer Sohn Conrad (Harris Dickinson) nie wieder Krieg erleben solle. 12 Jahre später, im Jahr 1914, werden Orlando und Conrad selbst Zeuge des Beginns des ersten Weltkriegs. Während Conrad nichts mehr will, als an vorderster Front zu kämpfen, hat Orlando zusammen mit seinen Angestellten Polly (Gemma Arterton) und Shola (Djimon Hounsou) ein Netzwerk aufgebaut, das überall auf der Welt Augen und Ohren hat. So weiß er, dass der Große Krieg von langer Hand geplant war und jemand im Hintergrund die Fäden zieht. Nur wenn es gelingt, diesen Hirten auszuschalten, der die Anführer der am Krieg beteiligten Staaten durch Mittelsmänner wie Rasputin (Rhys Ifans) oder Erik Jan Hanussen (Daniel Brühl) beeinflusst, kann dem Töten ein Ende gesetzt werden. Die staatlichen Geheimdienste sind dazu offenbar nicht in der Lage, und so muss Orlando sein Versprechen an seine Frau zu brechen, um seinen Schwur halten zu können …
Kritik:
Nach Kingsman: The Secret Service [2014] und Kingsman: The Golden Circle [2017] präsentiert Filmemacher Matthew Vaughn mit The King’s Man - The Beginning ein zu Beginn des letzten Jahrhunderts angesiedeltes Prequel, das die Ursprünge des Kingsman-Geheimdienstes erläutert, vor dem Hintergrund geschichtlicher Ereignisse jener Zeit. So interessant die Idee und so einladend die Besetzung, degradieren die Verantwortlichen verheerende Epochen der europäischen und Weltgeschichte hier zu einem geradezu gesichtslosen Hintergrundrauschen. Bei alledem fehlt neben inhaltlichem Zusammenhalt vor allem historischer Kontext.
Die Geschichte beginnt im Jahr 1902, wo der Duke von Oxford, Orlando, mit seiner Frau Emily und seinem Sohn Conrad als Schirmherr des Roten Kreuzes ein Lager besucht. Welcher Art dieses „Konzentrationslager“, wie es genannt wird, tatsächlich ist, verschweigt der Film dabei. Doch die Helfer geraten ins Kreuzfeuer und Emily wird tödlich getroffen. In ihren letzten Momenten verspricht Orlando ihr, dass Conrad nie wieder Krieg in seinem Leben sehen soll. Nach diesem Prolog springt die Geschichte 12 Jahre vor, kurz vor den Beginn des ersten Weltkriegs. Von Orlandos Angestellten Polly und Shola wird Conrad im Nahkampf trainiert, mit seinem Vater unternimmt er Flugstunden. Vater und Sohn sind dabei, als der österreichische Thronfolger Franz Ferdinand und seine Gattin in Sarajevo ermordet werden. Es zeichnet sich ab, dass das Attentat Teil einer großer Verschwörung ist, um die Welt ins Chaos zu stürzen. Mehrere Staatsführer, darunter die Deutschlands, der Vereinigten Staaten und Russlands werden von einer Organisation manipuliert, die von einem Schotten angeführt wird, dessen Identität in The King’s Man - The Beginning bis zum Finale ein Geheimnis bleibt. Ziel der Organisation ist das Ende Englands. So treibt dieser Anführer mit seinen Spionen in den höchsten Regierungskreisen die mächtigsten Staaten der Welt in den größten und umfassendsten Krieg, den die Menschheit bis dahin gesehen hatte.
Ein wirkliches Gefühl dafür bekommt das Publikum aber nicht, selbst wenn die Story erneut zeitlich nach vorne springt, ins Jahr 1916 und Conrad, inzwischen volljährig, unbedingt an vorderster Front kämpfen will. Selbst dann noch, wenn er erkennt, dass sein pazifistischer Vater bei weitem nicht so unbeteiligt und überparteilich ist, wie es den Anschein hat. Denn um das Versprechen an seine Frau erfüllen zu können, hat Orlando in Anbetracht der weltpolitischen Entwicklungen eine geheime Organisation gegründet, die nicht durch herkömmliche Spionage die Geschicke der Menschheit lenken möchte, sondern unmittelbar durch Einfluss auf die Mächtigsten der Welt. In diesen Kreis wird Conrad schließlich aufgenommen und es kommt zu seinem ersten Einsatz in Russland, wo er, sein Vater und Shola es mit dem übermächtigen Grigori Rasputin zu tun bekommen, der den russischen Zaren unter seiner Kontrolle hat.
Dann wartet Filmemacher Matthew Vaughn wie bei den vorigen Kingsman-Filmen mit seiner eigenen Handschrift auf, präsentiert eine mit ausgefallener Musik unterlegte Kampfsequenz, die von Perspektivwechseln und einer tanzähnlichen Choreografie lebt. Daran schließt sich ein Abschnitt an, bei dem Conrad sein Ziel verfolgt und tatsächlich mit den Soldaten an der Front im Großen Krieg kämpft. Wenn auch nicht einmal ansatzweise so packend umgesetzt, wie im Kriegsdrama 1917 [2019], ist dies der stärkste Abschnitt des Films – nur passt er inhaltlich schlicht nicht zum Rest. Erzählt The King’s Man alles in allem eine Agentenstory, bei der die Action und die Bedrohung stark überzeichnet sind, wirkt diese ganze, durchweg ernste Sequenz wie aus einem anderen Film. Inwieweit sie inhaltlich notwendig ist, darüber lässt sich zudem trefflich streiten.
Sie ist vielmehr Ausgangspunkt dafür, dass sich die Story stärker darauf konzentriert, dass Orlando zusammen mit Polly und Shola aktiv die Geschicke der am Rand der Zerstörung stehenden Welt zum Besseren wendet. Im Zuge dessen gerät die Action auch wieder weit comichafter, mit wie Puppen durch die Luft fliegenden Figuren, denen beim Aufprall dennoch nichts geschehen ist. So stilisiert die Actionszenen sind, sie scheinen ihren Unterhaltungswert im Gegensatz zu den vorigen Filmen nicht in dem Übermaß aus der gezeigten Brutalität zu ziehen, was durchaus zu begrüßen ist. Doch das ändert kaum etwas daran, dass der handwerklichen Umsetzung eine wirkliche Handschrift fehlt. Lange Zeit auffallend konventionell inszeniert, wechselt die Perspektive stellenweise plötzlich, so dass das Geschehen aus Sicht eines Gegenstandes oder einer Figur gezeigt wird. Dann werden wieder Kamerafahrten eingestreut, die aber ganz offensichtlich computeranimiert sind, und die Zeitlupen unterstreichen nichts wirklich, sondern nehmen einfach das Tempo aus der jeweiligen Szene.
Regisseur Vaughn scheint sich nicht entscheiden zu wollen, welche Art Film er wie erzählen möchte. Für einen leichtfüßigen Agententhriller ist der geschichtliche Hintergrund mit Millionen von Toten schlicht zu ernst, zumal die Verantwortlichen hier keinen wirklichen Kontext herstellen. Wie viele sehr junge Zuschauerinnen und Zuschauer mit den Figuren und Ereignissen etwas werden anfangen können, wenn einflussreiche, historische Charaktere wie Lenin quasi nebenbei eingeführt werden, steht darüber hinaus auf einem anderen Blatt. Dass es gelingen kann, einen solch unterhaltsamen Geschichtsunterricht in filmischer Form zu erzählen, haben nicht zuletzt Die Abenteuer des jungen Indiana Jones [1992-1996] eindrucksvoll bewiesen. Sieht man, wie die Verantwortlichen hier mit der Materie umgehen, kann einem in Anbetracht der Mid-Credits-Szene, die eine Fortsetzung ankündigt, an sich nur angst und bange werden.
Fazit:
Auch wenn es keine Minute dauert, ehe der erste offensichtliche Trickeffekte im Film zu sehen ist, es ist ein Aspekt, den man Regisseur Matthew Vaughn am schnellsten verzeiht. Auch, weil die Besetzung um Ralph Fiennes, Gemma Arterton und Djimon Hounsou überaus gelungen ist. Die Idee, die weltgeschichtlichen Ereignisse mit einer Agentenstory zu versehen, bei der eine unbekannte Verbrecherorganisation im Hintergrund die Geschicke der Welt lenkt, ist durchaus interessant – wenn auch nicht neu. Nur sind die Ereignisse hier über Jahre verteilt und die Story konzentriert sich nicht auf eines davon, sondern deckt den ganzen Zeitraum ab. So ist die Erzählung selbst viel zu lang gezogen und es dauert mit Prolog und Vorstellung der Figuren arg lange, ehe Conrad in die geheimen Pläne seines Vaters überhaupt eingeweiht wird. Was folgt, ist ein Abschnitt, der die Schrecken des Ersten Weltkriegs zeigt, aber inhaltlich wie atmosphärisch vom Rest losgelöst scheint. The King’s Man - The Beginning kann sich nicht entscheiden, ob er nun ein comicartig überzeichneter Actionfilm sein soll, oder ein in jener Zeit angesiedelter Agententhriller. Das Ergebnis wird den Schrecken des Großen Krieges nicht gerecht und liefert einem nicht ausreichend informierten Publikum darüber hinaus zu wenig Kontext, um mit den Zusammenhängen und geschichtlichen Charakteren auch etwas anfangen zu können. Fans der ersten beiden Kingsman-Filme finden hier eine Ursprungsgeschichte, die im Grundsatz den Geist der vorigen Teile atmet, aber am Ende doch nicht wirklich notwendig ist.