Stone [2010]
Wertung: |
Kritik von Jens Adrian |
Hinzugefügt am 15. Mai 2011
Genre: Drama / ThrillerOriginaltitel: Stone
Laufzeit: 105 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2010
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren
Regie: John Curran
Musik: Thom Yorke, Jonny? Greenwood
Darsteller: Robert De Niro, Edward Norton, Milla Jovovich, Frances Conroy, Enver Gjokaj, Pepper Binkley, Sandra Love Aldridge, Greg Trzaskoma, Rachel Loiselle, Peter Lewis, Sarab Kamoo, David A. Hendricks
Kurzinhalt:
Die Ehe zwischen Jack (Robert De Niro) und Madylyn Mabry (Frances Conroy) hält seit vielen Jahren, auch wenn seit einem Moment ihres Zusammenlebens alles anders ist. Kurz vor seiner Pensionierung übernimmt Jack in seiner Funktion als Bewährungsbeamter den Fall von Gerald Creeson (Edward Norton), der Stone genannt wird. Er sitzt seit acht Jahren im Gefängnis und spricht Mabry gegenüber von Reue, und dass er eine zweite Chance im Leben möchte.
Während Jack mit ihm sein Verbrechen erneut aufrollt und durchspricht, setzt Stone seine Frau Lucetta (Milla Jovovich) auf Mabry an. Ihr scheint es ein Leichtes, Mabry um den Finger zu wickeln, auch wenn dieser immer von Rechtschaffenheit predigt und jeden Sonntag in der Kirche singt. Doch irgendwann gibt er Lucetta nach und lässt sich damit auf ihr Spiel ein, das er nicht kontrollieren kann ...
Kritik:
Es gibt drei gute Gründe, Stone zu mögen, oder zumindest mögen zu wollen. Edward Norton bringt die depressive, am Boden zerstörte Seite seiner Figur ebenso gut zum Vorschein, wie er mit einem teilnahmslosen Blick die Abgründe der menschlichen Seele offenbart, wenn er erzählt, was wirklich geschehen ist, in der Nacht, für die er Jahre lang eingesessen hat. Robert De Niro spielt überraschend subtil, in den rechten Momenten sogar aufbrausend und gerade darum erschreckend ungeschminkt, wodurch seine Figur noch etwas unberechenbarer wirkt. Und Milla Jovovich pendelt zwischen berechnend verführerisch und gespielt unschuldig. Sie alle machen ihre Sache ausgesprochen gut, und doch fällt es schwer, bei Stone mitzufiebern. Die Frage stellt sich, was Regisseur John Curran mit seinem Film überhaupt aussagen möchte. Geht es ihm darum, dass ein Mensch, der etwas Schlimmes getan hat, dennoch einen Zustand der Reinheit mit sich selbst erreichen kann? Oder darum, dass ein jeder verführt werden kann? Vielleicht aber auch, dass egal wie sehr man sich nach außen hin um Rechtschaffenheit bemüht, die Fehler, die man begangen hat, einen immer begleiten werden?
So beginnt der Film mit einer Szene, deren Bedeutung wir erst am Schluss verstehen werden, und die Idee, die Geschichte so einzurahmen ist durchaus gelungen. Vor vielen Jahrzehnten traf Jack Mabry eine folgenschwere Entscheidung. Seine Ehe mit Madylyn hat zwar gehalten, aber zu welchem Preis? Kurz vor der Pensionierung übernimmt der Bewährungsbeamte den Fall von Gerald Creeson, genannt Stone, der seit acht Jahren für Beihilfe und Brandstiftung einsitzt und auf Mabrys Urteil angewiesen ist, will er vorzeitig entlassen werden. Der routinierte Beamte geht wie gewohnt vor und spricht mit Stone seine Geschichte erneut durch. Der setzt inzwischen seine Frau Lucetta auf Mabry an, die ihm hinterhertelefoniert und schließlich direkt vor dem Gefängnis auf ihn wartet. Was sich daraus entwickeln könnte, wenn Mabry auf Lucettas Avancen eingeht, ist abzusehen, was unerwartet kommt ist Stones Bekehren zu einer Glaubensrichtung, die ihm ein anderes Verständnis für seine eigenen Taten und die Welt um ihn herum verschafft. Während also Jack, der von morgens bis abends religiöse Radiosender hört, der jeden Sonntag zur Kirche geht und dessen alkoholkranke Frau die Bibel hütet wie den letzten Strohhalm, der ihr eine Besserung in Aussicht stellt, sich von seinen vordergründigen Überzeugungen immer weiter entfernt, entwickelt sich Stone in die entgegengesetzte Richtung. Ob das nur gespielt ist, ist eine berechtigte Frage, aber wenn man Gerald Creeson beobachtet wie er zwischen dem Lärm des Alltags versucht, Ruhe zu finden, wie sich sein Äußeres immer mehr verändert, glaubt man ihm die Verwandlung, die ihn im Innern aber nicht verändert, sondern sein Inneres nur so gut einschließt, dass man es nicht mehr sieht.
Aus Stone hätte ein vielleicht vorhersehbarer, aber dafür auch nachvollziehbarer Thriller um Erpressung und Erpressbarkeit werden können, stattdessen geht Regisseur John Curran in eine andere Richtung und präsentiert religiöse Themen, die aber so oft mit Heuchelei gleichgesetzt werden, dass nicht klar ist, ob der Film dies nun ernst meint, oder es als Fanatismus entblößen möchte. Das ist unerwartet, aber gleichzeitig unglaubwürdig, obwohl bei der Scheinheiligkeit Mabrys, der sich auf seine regelmäßigen Gottesdienstbesuche stützt, aber gleichzeitig fremden Frauen hinterhersieht, vermutlich nicht einmal unwahrscheinlich. Vor allem aber findet sich auch hier keine Figur, deren Handlungen oder Schicksal das Publikum wirklich interessieren würde.
Ob Stone nun eine Persönlichkeitsveränderung durchlebt oder nicht, ob Lucetta nun mehr Unschuldslamm oder Biest ist, es macht ihre beiden Taten nicht anders. Und Jack Mabry, der um seinen Willen durchzusetzen bereit ist, ein Leben voller Glückslosigkeit für sich und andere in Kauf zu nehmen, ist ohnehin keine Sympathiefigur. Die Entwicklung der Charaktere und ihre Handlungen sorgen ebenso für Überraschungen wie das Ende, das einen nachdenklichen Ansatz mitliefert. Wer außerdem den Abspann ansieht, bekommt zu hören, wie sich die seltsame, zu ruhige, zu minimalistische und sphärische Musik in etwas entwickelt, was den religiösen Untertönen entsprungen ist: sie erinnert voluminöser gespielt an Kirchenorgeln. Das scheint ebenso überlegt wie viele Bildeinstellungen des nie fertig gestellten Puzzles, der eingespielten Routine, die sich im Haus der Mabrys festgesetzt hat, bis ein Geräusch am Schluss ihr Ende verkündet. Aber bis es soweit ist, hat Stone mit einer zu dahinplätschernden Dramaturgie, mit zu wenig Figuren, deren Schicksal bewegt, und mit einer zu aufgesetzten Läuterung das verspielt, was die Prämisse eigentlich weckt: das Interesse des Publikums.
Fazit:
Manche Filme entfalten ihre Kraft erst, nachdem man hinterher über sie nachgedacht hat. Man kann auch nicht behaupten, Stone würde nicht zum Nachdenken anregen. Mitunter fragt man sich zwar mehr, was die Geschichte eigentlich feststellen möchte, aber welche Themen aufgegriffen werden, ist sehr offensichtlich. Die drei Hauptdarsteller tun der Produktion auch merklich gut, und spätestens, wenn alle zum ersten Mal in einem Raum aufeinander treffen, erwartet man auf Grund der knisternden Stimmung eine sprichwörtliche Explosion. Doch sie kommt nicht. Es geschieht Vieles, was man nicht erwarten würde, und ebenso Vieles, was man kaum glauben kann.
Das ist zwar inhaltlich nicht uninteressant und auch in symbolträchtigen Bildern eingefangen, aber letztlich so tranig erzählt, dass auch die drei, beziehungsweise sogar vier geforderten Akteure mit ihren Figuren nicht mehr interessieren und man die Off-Faseleien aus den religiösen Radiosendungen im Hintergrund kaum mehr hören kann oder will.
Es gibt einige Gründe, Stone mögen zu wollen. Doch schafft es letztlich keiner, über alles andere, was der Film mit sich bringt, hinwegzuretten.