Stigmata [1999]

Wertung: 2.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 17. März 2003
Genre: Horror

Originaltitel: Stigmata
Laufzeit: 103 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 1999
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren

Regie: Rupert Wainwright
Musik: Billy Corgan, Elia Cmiral
Darsteller: Patricia Arquette, Gabriel Byrne, Jonathan Pryce, Nia Long, Thomas Kopache, Rade Serbedzija


Kurzinhalt:
Der Priester Almeida (Jack Donner) ist in Brasilien gestorben und soll beerdigt werden. Für die Einwohner ist er beinahe ein Heiliger, an seinem Todestag begann die Marienstatue in seiner Kirche, Blut zu weinen. Als Frankie Paige (Patricia Arquette) in den U.S.A. von ihrer verreisten Mutter einen Rosenkranz als Geschenk geschickt bekommt, ahnt sie nichts Schlimmes – doch der gehörte Almeida und wurde während der Totenwache geraubt.
Mit dem Rosenkranz überträgt sich etwas auf Frankie – an ihrem Körper zeigen sich sogenannte Stigmata und sie wird von spirituellen Qualen heimgesucht. Der Priester und Wissenschaftler Andrew Kiernan (Gabriel Byrne) soll den Fall von Stigmatismus untersuchen und seinem Vorgesetzten im Vatikan, Kardinal Daniel Houseman (Jonathan Pryce) Bericht erstatten.
Nach anfänglicher Skepsis muss Kiernan eingestehen, dass die Stigmata echt sind und dass Frankie von einem Geist besessen ist – er forscht in der Vergangenheit von Almeida und stößt auf ein Geheimnis, das die katholische Kirche und insbesondere Kardinal Houseman um jeden Preis schützen wollen.


Kritik:
Silvester 1999/Neujahr 2000 verhießen damals, besonders interessante Tage zu werden. Panik dafür ist jedenfalls lange genug geschürt worden. Und das aus zweierlei Gründen:
Zum einen rechneten Computerexperten mit einem nie dagewesenen Supergau, der darauf zurückzuführen sein sollte, dass ältere Computerprogramme und BIOS-Versionen (zentrale Softwarerecheneinheit, die die Grundfunktionen eines PCs steuert) Jahreszahlen nicht vier-, sondern nur zweistellig interpretieren konnten.
So wäre für viele Computer nach 1999 das Jahr 1900 und nicht 2000 gekommen. Horrorvisionen einer zusammenbrechenden Infrastruktur wurden vorgezeigt; was würde passieren, wenn kein Computer der Welt mehr funktionieren würde? Stromausfälle und Flugzeugabstürze zählten noch zu den harmloseren Prophezeiungen. Doch trotz des "Spuks" und der milliardenteuren Präventivmaßnahmen (oder gerade deshalb) blieb der große Knall aus.
Die zweite Bedeutung des Jahres 2000 ist buchstäblich eine Glaubensfrage. Viele rechneten damit, dass die Welt zum Jahreswechsel untergehen würde, dass ein Erlöser auf die Welt käme oder zumindest das Armageddon beginnen würde. Die Tatsachen, dass nur nach der westlichen Zeitrechnung das Jahr 2000 anbrach und das aufgrund der Zeitzonen ja nicht einmal weltweit gleichzeitig, oder dass die besagten 2000 Jahre durch den Rechenfehler eines Mönches, der vor einigen hundert Jahren einen neuen und genaueren Kalender erstellen sollte, um ein paar Jahre von der tatsächlich vergangenen Zeit abwichen, oder dass selbst bei Nichtberücksichtigung dieses Fehlers erst mit Sylvester 2000 die 2000 Jahre vergangen sind, haben damals kaum jemanden beeindruckt. Panikmache und Wichtigtuerei waren einfach "In" und Geld ließ sich damit schließlich auch verdienen.
Doch das Jahr 2000 kam und ging – globale Weltenretter oder Erscheinungen gab es keine, nicht einmal in den Kirchen hat sich Besonderes ereignet, und die meisten Computer laufen heute noch.
Vorher wusste dies jedoch verständlicherweise niemand so genau, und deshalb schickte sich Hollywood an, den Trubel und die Aufregung für sich zu nutzen und Endzeitszenarien, mit Vorliebe jene der spirituellen Art, aufzuzeigen. Unter Zeitdruck wurden Filme wie End of Days - Nacht ohne Morgen [1999] fertiggestellt und unter's Volk gebracht, denn nach Silvester 1999 hätte sich wahrscheinlich niemand mehr dafür interessiert.
Wie allerdings viele Produzenten schmerzhaft erkennen mussten, taten die Zuschauer das auch vorher nicht.

Stigmata schwimmt eindeutig und zweifellos auf jener religiös angehauchten Horrorwelle mit, auch wenn nicht spezifisch auf die Jahr-2000-Problematik eingangen wird. Der Film bedient sich hemmungslos bei Genreklassikern wie Der Exorzist [1973] und mixt den Cocktail mit kruden Schnittfolgen, lauter 'schwerer' Musik und einer Videoclip-Inszenierung, die jeder Beschreibung spottet. Dass dabei das wässrige Drehbuch unter dem Make-Up, dem Kunstblut und aus Money Train [1995] geklauten Szenen untergegangen ist, und sich scheunentorgroße Logikfehler eingeschlichen haben, ist den Machern wohl nicht aufgefallen.
Gehypt als moderner Horror-Film, von der Kritik zwar nicht so sehr verrissen wie End of Days, aber dennoch schnell beerdigt, war Stigmata aus einem Grund trotzdem ein Erfolg: Er war verhältnismäßig billig. Bei einem Budget von etwas mehr als 30 Millionen Dollar spielte er immerhin 50 Millionen Dollar allein in den Staaten wieder ein – wohingegen der in den USA später gestartete Arnold Schwarzenegger-Film mit 90 Millionen Dollar nicht gerade billig und 66 Millionen Dollar als Einspielergebnis ziemlich enttäuschend war. Was End of Days und Stigmata allerdings am meisten verbindet ist neben der religiösen Handlung vor allem ein Darsteller: Gabriel Byrne. Spielte er in End of Days noch den personifizierten Luzifer persönlich, ist er in Stigmata als Priester unterwegs, um vermeintliche Wunder als Täuschung zu enttarnen.

Der Ansatz, den die Story verfolgt, ist dabei grundsätzlich interessant – wenn man sich für das Thema interessieren kann.
Gegen einen Vatikan-Thriller mit mystischem Hintergrund ist ansich nichts einzuwenden. Dieser dürfte (sofern er nicht von den Geistlichen gesponsort ist) auch gerne kritische Töne zur Katholischen Kirche anschlagen, die in ihren Kellern mehr Artefakte und Wissen verborgen hat, als in 1000 Enzyklopädien zu finden ist.
Doch dieser Ansatz muss leider die zweite Geige spielen.

Im Vordergrund steht stattdessen Patricia Arquette als Frankie.
Leider konnte ich mich gerade für sie beim Ansehen des Films überhaupt nicht begeistern; sie verkörpert die typische Großstadt-Girlfrau, die nur eines im Sinn hat: Spaß. Im Unklaren, ob sie schwanger ist, oder nicht, säuft und raucht sie sich allabendlich den Verstand aus dem Kopf, verdient sich ihren Lebensunterhalt als Friseuse (ihrer Frisur nach zu urteilen, sollte man sich bei ihr besser keinen Termin geben lassen) und stört sich mit phlegmatischer Bequemlichkeit auch nicht daran, dass ihre Wohnung bei Regen zur Sintflut mutiert.
Die Art und Weise, wie sie im Film präsentiert wird – nicht als starke Frau, die ihren Weg im Leben sucht, sondern als verzogenes großes Fun-Gör, das sich keinerlei Gedanken um sich oder die Umwelt macht –, ist das Kernproblem des Films. Was mit ihr geschieht, interessiert einfach nicht.
Hinzu kommen Dialoge, die sich nicht einmal Jar-Jar-Binks hätte einfallen lassen können, und eine dahinplätschernde Story, die so sich so zäh vollzieht, dass man die Auflösung des Films schon lange vor dem Ende erraten kann. Auch wenn man sich bis einige Minuten vor Schluss fragt, wie die beiden Stories zusammenhängen, entpuppt sich die Geschichte im Endeffekt nicht einmal ansatzweise als so komplex, wie die Macher einem das vorgaukeln wollen. Verstrickungen innerhalb des Films gibt es beinahe keine, Motivationen der Figuren ebenfalls nicht.
Die brennendste Frage jedoch betrifft das Thomas-Evangelium, das tatsächlich 1945 entdeckt wurde und bei vielen Wissenschaftlern als authentisch gilt. Dass es selbiges gibt, wurde von der katholischen Kirche schon lange akzeptiert, obwohl es nicht als authentisch anerkannt ist. Wieso sollten die Verantwortlichen im Vatikan nun alles daran setzen, Frankie deswegen umzubringen? Und wieso sollte der Geist von Almeida ausgerechnet in Frankie fahren, wo doch ihre Mutter die Kette ebenfalls schon in Händen gehalten hat – und das länger, als Frankie selbst?

Wie bereits erwähnt wird die Geschichte mit den üblichen Exorzist-Ekeleffekten gemischt, Selbstverstümmelungen und mit tiefer Männerstimme sprechende Frauen, so dass Genrefans hier auf ihre Kosten kommen könnten. Aber bis auf die wilden Flattereien, schwebende Menschen und Blutspritzer gibt es sonst eben nichts Neues. Wirklich grauenvolle verstörende Bilder, die einem wie beim Exorzisten im Gedächtnis bleiben würden, gibt es zudem ebenfalls nicht.
Bevor Frankie ein neues Stigmata verpasst bekommt, hört der Zuschauer nochmals die wichtigsten Kommentare seit der letzten (TV-)Werbepause aus dem Off, anschließend schaltet Rupert Wainwrights gründlich missratene Inszenierung von "Bilder fotografieren und Szenen zeigen" auf "MTV-Videoclip-Stil" und versucht mit vielen Blitzen, Schnitten und zerspringendem Glas sämtliche mögliche Fragen der Zuschauer abzuwürgen. Die ruhigen Szenen sind altbacken inszeniert, das Studioambiente ist offensichtlich und störend. Der Regisseur versucht zudem, die Bilder mit Weitwinkelaufnahmen so "groß" wie möglich zu halten, zoomt in Gesprächen urplötzlich aber so stark auf die Gesichter der Beteiligten, dass man um sie herum nichts anderes erkennen kann. Einen einheitlichen Stil lässt der Film völlig vermissen.
Bis auf die erwähnten Actionszenen: Hier drehen Kamera/Schnitt/Musik richtig auf und überfluten den Zuschauer mit peinlichen und erbärmlich inszenierten Eindrücken.

Die Musik von Billy Corgan trägt einen nicht unerheblich großen Teil dazu bei. Sein lautes, bassbehaftetes Geklimper mag zwar klingen, als hätten mehrere Tierarten dafür leiden müssen, wirklich besser macht es das allerdings nicht. In Kopfgeld - Einer wird bezahlen [1996] war seine Musik im Hintergund zu hören und wurde im Gegensatz zu James Horners sehr guten Score nur in wenigen Szenen eingesetzt – und in jenem Film hat sie tatsächlich gepasst. Als alleiniger Künstler ist er dagegen so kontraproduktiv zum Film, wie ein Besuch bei einer Schokoladenfabrik, während man eine Diät macht.
Elia Cmiral, für den eigentlichen Score in Stigmata verantwortlich, konnte ebenfalls schon mehr überzeugen (zum Beispiel mit Ronin [1998]), seine instrumentale Musik kommt nicht nur deutlich zu kurz, sie klingt wie schon 1000 Mal gehört.

Die Darsteller sind eine zwiespältige Angelegenheit. Während sich Gabriel Byrne und Patricia Arquette (sie war Regisseur Rupert Wainwrights erste Wahl für die Rolle) wirklich Mühe geben, gegen das unschlüssige Drehbuch anzuspielen, wirken Nia Long, Jonathan Pryce und die anderen Darsteller lust- und farblos. Hin und wieder sieht man, dass sie offensichtlich schon bessere Rollen gehabt haben müssen, und sich erinnern, wie gutes Schauspiel aussieht, alles in allem sind sie aber schlicht unwichtig. Pryce kommt dazu noch die Rolle des klischeehaften Bösewichts zu, der keinerlei neue Akzente setzen kann, dafür aber direkt dem "Handbuch für vorhersehbare Drehbücher" entnommen scheint.

Inhaltlich und handwerklich ist Stigmata nicht einmal so gut wie der Durchschnitt; doch damit nicht genug verderben sich die Macher auch noch jeglichen passablen Ansatz: Szenen in der U-Bahn sind (man kann es eindeutig erkennen) Money Train entliehen – immerhin Material, das man nicht selbst drehen musste. Bei den Drehs des U-Bahn-Wagen-Sets waren Nia Long und Patricia Arquette übrigens die einzigen Darsteller, die keine Stuntleute waren.
Aber nicht einmal die aramäischen Texte sind echt, der Regisseur fand, dass altes Hebräisch deutlich interessanter aussehen würde und betrügt hier die Zuschauer erneut.
Dagegen wirken wissenswerte Details wie beispielsweise, als Gabriel Byrne zum ersten Mal in das Büro von Jonathan Pryce kommt, wirklich witzig. Im Hintergrund ist in der Szene kurz zu hören, wie Jonathan Pryce etwas auf italienisch sagt – übersetzt heißt es "Seien Sie versichert, nichts hiervon wird je diesen Raum verlassen". Und auch die Tatsache, dass in der Schlusszene eine Statue vom Heiligen Franz von Assisi zu sehen ist (er war der erste Mensch, der Stigmata trug), ist interessant. Die Produzenten dachten sogar darüber nach, den Film selbst, St. Frances of Pittsburgh zu nennen, entschieden sich dann jedoch um.

Doch das täuscht leider nicht darüber hinweg, dass Stigmata ein langweiliger, zusammengeklauter und löchriger Pseudo-Schocker ist, der sich als Exorzisten-Plagiat versucht und mit so wenig Innovation wie möglich all diejenigen zufrieden stellen möchte, die sich anspruchslos mit einer lauten Video-Clip-Inszenierung und möglichst wenig Inhalt zufrieden geben.


Fazit:
Es ist wie so oft: Aus der Grundhandlung hätte man einen interessanten, mystischen Thriller machen können, die einen kleinen Blick hinter die Fassaden des Vatikans wirft.
Doch anstatt sich auf diese Story zu konzentrieren, stellt Stigmata den Charakter der farblosen Frankie in den Vordergrund. Doch gerade mit ihr vermag der Zuschauer keine Verbindung aufzubauen. Die Story ist löchrig wie ein Schweizer Käse, die Inszenierung übelkeiterregend bis erbärmlich und von der Ausstattung her gibt es ebenfalls nur Hausmannskost. Ein auf Mattglanz polierter "C"-Film mit passablen Darstellern und einem auf Umwegen kopierten Exorzisten-Flair.
Für MTV-Fans interessant, alle anderen können sich getrost die Zeit sparen.