Startup [2001]
Wertung: |
Kritik von Jens Adrian |
Hinzugefügt am 18. Juli 2004
Genre: ThrillerOriginaltitel: AntiTrust
Laufzeit: 108 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2001
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren
Regie: Peter Howitt
Musik: Don Davis
Darsteller: Ryan Phillippe, Rachael Leigh Cook, Claire Forlani, Tim Robbins, Douglas McFerran, Richard Roundtree, Tygh Runyan, Yee Jee Tso
Kurzinhalt:
Der Computerprogrammierer Milo Hoffman (Ryan Phillippe) hat sich zusammen mit seinem Freund Teddy Chin (Yee Jee Tso) das Ziel gesetzt, eine Software zu programmieren, und sie dann allen Menschen kostenlos zugänglich zu machen. Doch sein nobles Vorhaben wird gestört, als er von Gary Winston (Tim Robbins) ein Angebot für einen Job bei der weltgrößten Software-Schmiede NURV erhält.
Milo lässt sich von den verlockenden Boni verführen und steigt bei NURV mit ein, wo er zum Missfallen seiner Freundin Alice (Claire Forlani) die zurückhaltende Lisa (Rachael Leigh Cook) kennenlernt. Bei dem monopolistischen Großkonzern soll er in Windeseile eine Software programmieren, ohne die der Start von NURVs neuestem Produkt verzögert werden könnte. Doch jedes Mal, wenn Milo an einem Problem festzuhängen scheint, erhält er von Gary Hilfe, der ihm Programmteile vorlegt, die zweifelsohne von anderen Programmierern stammen. Als dann auch noch Teddy, der nicht auf Winstons Angebot eingegangen ist und an einer ähnlichen Software gearbeitet hat, ermordet wird, kommen Milo Zweifel an seinem Arbeitgeber ...
Kritik:
Ende der 1970er und Anfang der 80er Jahre war die Erfolgsgeschichte von Bill Gates der Inbegriff des Amerikanischen Traums. Aus einer Garage heraus gründete der Junge Programmierer zusammen mit Paul Allen die Softwareschmiede Microsoft. Für wenig Geld kaufte er ein bereits bestehendes DOS-Betriebssystem auf, verpasste ihm seinen eigenen Markennamen und verkaufte es an IBM, die MS-DOS als Betriebssystem für ihren neu auf dem Markt befindlichen IBM-PC einsetzten. 130 Millionen Mal verkaufte sich MS-DOS, eine Zahl die nur durch die noch unglaublicheren Zahlen der Windows-Versionen übertroffen wird.
Mit Windows 3.x schuf Microsoft einen Standard bei der Benutzeroberfäche von PCs und beendete damit die noch unter DOS auftretenden, meist tastaturbasierten Bedienungsauswüchse, dank einer fast schon revolutionären Erfindung, die aber eigentlich schon deutlich älter war: der Maus. Die Bedienung eines Betriebssystems ohne Maus können sich heute nur noch Unix-Puristen vorstellen, die sämtliche Arbeit in der Kommandokonsole vornehmen – aber auch die schon "weichgespülten" Linux-Anwender, die ihr System so weit es geht derart einrichten, dass es sich von Windows nur in wenigen Punkten unterscheidet, wären ohne eine Maus hoffnungslos verloren.
Durch Anwendungssoftware wie Outlook, dem Internet Explorer und nicht zu vergessen dem MS-Office (mit Word, Excel und Access) baute Microsoft seine Vormachtstellung auf dem Gebiet der Computersoftware weiter aus. Inzwischen ist die Firma auch auf dem Gebiet der Handheld-Computer und Handys mit vertreten, für die es Anwenderoberflächen bietet. Doch immer wieder hat das Ansehen Microsofts hat in den letzten Jahren derart gelitten, dass aus dem amerikanischen Erfolgsmärchen stellenweise ein Albtraum geworden ist. Und die Konkurrenz hat nicht geschlafen.
Hinter dem Begriff "Trust" verbirgt sich eine Art eines Unternehmenszusammenschlusses, der zum Ziel hat, dass die daraus entstehende Firmenansammlung eine monopolistische, marktbeherrschende Stellung einnimmt. Trusts werden meist von Holdinggesellschaften geleitet und bilden im Gegensatz zu einem Kartell sowohl bei der Verwaltung, der Produktion und im finanziellen Sinne eine straff organisierte Einheit. Die Autonomie der jeweiligen Unternehmensteile ist nur noch von formaler Bedeutung. Zu zweifelhaftem Ruhm gelangten die Trusts in den USA vor dem zweiten Weltkrieg, vertreten unter anderem durch die United States Steel Corporation und die Standard Oil Company. Um aber dennoch den Wettbewerb zu sichern versuchte die US-Regierung damals, dem mittels Antitrust-Gesetzen Herr zu werden, ehe später eine Behörde geschaffen wurde, die Firmenfusionen dieser Größenordnung untersuchte und billigen musste.
Von diesen Gesetzen ist auch der Originaltitel des Films, AntiTrust abgeleitet, der im Hinblick auf den Inhalt deutlich passender gewählt ist, als Startup – diese meist aus zwei oder wenig mehr Menschen bestehenden Firmen, spielen im Film nur eine untergeordnete Rolle.
Im Mittelpunkt steht vielmehr Bill Gates, hier jedoch von der Figur Gary Winston verkörpert, dessen Vision von einer vernetzten, inter-kommunikativen Welt, im wahren Leben wie im Film nicht angezweifelt wird. Nicht nur, dass Winstons futuristisches Anwesen mit dem elektronischen Haus von Gates in der wirklichen Welt viel gemein hat (und hier bekommen Zuschauer zu sehen, was wohl betuchte Bürger in 10-15 Jahren in ihren eigenen vier Wänden wiederfinden werden), allerdings wird die manchmal zweifelhafte Unternehmenspolitik von Microsoft im wahren Leben im Film zu Unterhaltungszwecken überspitzt und kriminalisiert, wogegen ja nichts einzuwenden ist. Vielmehr schafft es das Skript von Howard Franklin, dem Zuschauer Begriffe wie Open Source oder die Cyberkriminalität und den Ideenklau in der Software-Branche verständlich und unterhaltsam darzubringen. Dass hierbei übertrieben wird, versteht sich von selbst, allerdings sind manche Machenschaften und Einschüchterungstaktiken, beziehungsweise das vermeintlich simple aufkaufen bekannter Ideen eine gängige Methode.
Das Drehbuch präsentiert dem Zuschauer mit Milo Hoffman einen interessanten und sympathischen Charakter, mit dem sich der Zuschauer durch seinen jungenhaften, fast schon naiven Charme sofort identifizieren kann. Schade ist hier nur, dass die Vorlage die offensichtliche Möglichkeit der Korrumpierung Hoffmans durch seinen neu hinzugewonnenen Reichtum nicht ausnutzt. Hier hätte die Möglichkeit bestanden, ihn von der Glamour-Welt geblendet in eine Zwischenwelt von Gut und Böse abgleiten zu lassen, ehe er sich wieder auf den richtigen Weg bringt. Da er aber viel zu früh von den Machenschaften von NURV erfährt und die letzte Stunde des Films mehr oder weniger davon handelt, ob und wie er gegen seinen übermächtigen Gegner zu Felde zieht, beziehungsweise wer alles bereits von Winston gekauft wurde, wird hier einiges an Potential verschenkt.
Und doch scheint die Story von Startup nicht so gehetzt oder übermäßig actionlastig, wie man es von anderen Filmen dieses Genres gewohnt ist. Vielmehr spielt trotz allem die Motivation der Figuren eine große Rolle und die Einfälle, wie Milo gegen Gary vorgehen will, beziehungsweise welchen Problemen er sich dabei gegenüber sieht, sind bisweilen wirklich gelungen; nicht zuletzt dank einiger wirklich spannender Passagen, die von Regisseur Howitt auch entsprechend umgesetzt wurden.
Der Filmemacher, der mit Johnny English [2003] einen Hit landen konnte, beweist hier ansehnlich, dass er ein gutes Gespür für interessante Bildkompositionen hat und auch mit einem minimalistischen Set eine bedrückende Atmosphäre schaffen kann.
Zwar bleiben die großen Schreckmomente in den verlassenen Bürogebäuden aus, aber dank einer soliden Kameraführung und einer guten Schnittarbeit sind die Szenen bisweilen mitreißend geraten und gerade beim Abschnitt in Winstons Anwesen, bei dem die interaktiven Gemälde an der Wand miteinbezogen werden, gibt es ein paar wirklich außergewöhnlich gute Einstellungen.
Die Inszenierung ist routiniert und kommt ohne Patzer daher, wer ausgefallene Actionszenen oder ausschweifende Zeitlupenorgien sucht ist hier ebenso fehl am Platz. Mit einem Sinn für die Darsteller und ihr Talent scheut Howitt auch nicht vor Nahaufnahmen zurück, bedrängt seine Darsteller dabei aber niemals. Dass einige Szenen wie beispielsweise die auf einmal fehlenden Sesamkörner, gar nicht weiter erklärt werden, spricht eindeutig für den Film und erfordert das Mitdenken der Zuschauer.
Den Darstellern scheint dieser Anspruch gefallen zu haben, Ryan Phillippe, der zwar die Rolle des Anakin Skywalker in Star Wars: Episode II - Angriff der Klonkrieger [2002] nicht bekam, dafür aber schon in Eiskalte Engel [1999] eine beeindruckende Darbietung abgeliefert hat, spielt mit dem gewohnten Elan und der für ihn bekannten Natürlichkeit. An seiner Seite ist Claire Forlani als nicht ganz so unschuldige Alice zu sehen, die zwar hier deutlich mehr zu tun hat als in manch anderen Filmen, aber schauspielerisch nicht wirklich gefordert wird.
Rachael Leigh Cook wurde vor allem durch ihre Rolle in Eine wie keine [1999] bekannt, mit der sie Freddie Prinze, Jr. an die Wand spielte. Auch ihre Rolle ist nicht so groß, wie man sich das vielleicht wünschen würde, dank ihres Engagements fällt sie aber nur positiv auf.
Der zweifelsohne beste Darsteller des Films ist allerdings Tim Robbins, der seiner Rolle als Gary Winston eine Tiefe verleiht, wie man es kaum erwarten würde. Seine Anleihen an Microsoft-Gründer Bill Gates sind unverkennbar und auch Mimik und Gestik wirken dem Firmenchef entliehen, aber sowohl in den ruhigen Szenen, als auch seinen aufbrausenden Momenten überzeugt Robbins auf ganzer Linie. Wenn er seine Mitarbeiter anspornt und anfeuert, erkennt man als Zuschauer binnen weniger Sekunden die fast schon gefährliche Rhetorik und die manipulativen Wortspiele, mit denen Winston Milo um den Finger wickelt. Ohne ihn wäre der Film nicht denkbar gewesen und es zeigt einmal mehr, dass Robins ein vielerorts unterschätzter Darsteller ist, der mit Mystic River [2003] erst viel zu spät seinen ersten Oscar erhalten hat.
Die Besetzung ist gut ausgewählt und passt zum Film, Cameo-Auftritte wie der von Regisseur Howitt als Obdachloser oder Richard Roundtree als FBI-Agent machen auch die kleineren Rollen sehenswert.
Die Musik von Don Davis ist so erfrischend wie ungewohnt. Wer von dem Komponisten der Matrix [1999]-Trilogie wieder dieselben dissonanten Klänge erwartet, wird überrascht; sein Score ist beinahe schon fröhlich und fast unerkennbar angesichts seiner bisherigen Arbeiten.
Und doch passt die Musik gekonnt zu den Szenen und unterstützt das Geschehen im Film meist auf sehr subtile Weise. Dass die Musik auch in den spannenden Szenen bisweilen temporeicher und lauter eingespielt wird, strafft das Erzähltempo des Films merklich, der ohnehin deutlich länger ist, als man letztendlich das Gefühl hat.
Davis Soundtrack ist zweifelsohne hörenswert, wenn auch kein Meisterwerk.
Dass es sich die Macher nicht nehmen lassen konnten, bei einem solchen Thema viele Insider-Witze unterzubringen, ist verständlich; der erste findet sich bereits beim Vorspann, bei dem im Hintergrund HTML-Code der Internetseite "imdb.com" zu sehen ist – die Webseite ist die größte Filmdatenbank im Internet.
Nicht nur, dass die meisten Computer im Film ein Unix-basiertes Betriebssystem einsetzen, in einer Szene, in der gezeigt wird, wie NURV Computerprogrammierer weltweit überwacht ist auch ein Programmierer mit einer roten Kappe zu sehen, ein Hinweis auf die Linux-Distributions-Firma Red Hat. Zudem empfängt Milo im Film einen Preis von Scott McNealy von Sun Microsystems und Miguel de Icaza, dem Erfinder der Linux-GUI Gnome. Einer der Quellcodes, der im Film zu sehen ist, ist überdies derjenige des Kompressionsformats BZIP2, ein Open-Source-Kompressionscodec.
Ein versteckter Hinweis ist zudem, dass Milo das Überachungssystem benutzt und dabei den Befehl "show -p 1984" eingibt – als Referenz auf George Orwells Buch 1984, in dem die Gesellschaft von einer alles überwachenden Regierung beherrscht wird.
Die US-DVD bietet überdies noch einige gelöschte Szenen, die auf der deutschen Disc leider nicht enthalten sind. Noch mehr Material bekommt der kaufbereite Zuschauer allerdings auf der australischen DVD, dort gibt es nochmal fünf Szenen mehr zu sehen.
Mit einem Budget von 30 Millionen Dollar und einem Einspielergebnis von kapp 10 war AntiTrust alles andere als ein Erfolg, dabei ist der Film deutlich besser gelungen als Genrekollegen wie Das Netz [1995]. Der interessierte Zuschauer bekommt hier einen zwar überzeichneten, aber nichtsdestotrotz interessanten Blick hinter die Türen der großen Softwarekonzerne spendiert und nebenbei auch noch ein paar Begriffe erklärt, die sich zwar heute in vielerlei Munde befinden, die aber diejenigen, die nicht täglich mit Computer zu tun haben, kaum erklären können.
Als Thrillerdrama geht Startup leider nicht weit genug, als Krimi wird das Verbrechen fast schon zu schnell aufgeklärt. Als Unterhaltungsfilm jedoch ist Peter Howitts Film hervorragend für einen ruhigen Abend geeignet, der spannenden Umsetzung sei Dank.
Fazit:
Allein der Originaltitel des Films, AntiTrust ist ein Wortspiel im doppelten Sinne; einerseits spielt es auf die Antitrust-Gesetze an, die Monopole verhindern sollen, andererseits besagt es auch, dass man den Versprechungen der Softwarekonzerne, die mit ihren neuen Produkten das Leben der Menschen nur einfacher machen wollen, nicht unabdingbar Glauben schenken soll.
Welche Agenda Firmen wie Microsoft, Apple oder Google auch immer verfolgen mögen, es ist schön zu sehen, dass es die Filmindustrie noch schafft, aus den seit Jahren sich hinziehenden Gerichtsverfahren einen interessanten Stoff für zwei Stunden zu zaubern. Dank der guten Darsteller, der ansprechenden Inszenierung und der Tatsache, dass Startup nicht ganz so übertrieben ist, mausert sich der Film von Regisseur Peter Howitt zu einem der besseren des Genres der Cyberthriller.