Spider-Man: No Way Home [2021]

Wertung: 4 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 14. Dezember 2021
Genre: Action / Thriller / Science Fiction

Originaltitel: Spider-Man: No Way Home
Laufzeit: 150 min.
Produktionsland: USA / Island
Produktionsjahr: 2021
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: Jon Watts
Musik: Michael Giacchino
Besetzung: Tom Holland, Zendaya, Jacob Batalon, Benedict Cumberbatch, Marisa Tomei, Jon Favreau, J. B. Smoove, Jamie Foxx, Alfred Molina, Willem Dafoe, Benedict Wong, Thomas Haden Church, Rhys Ifans


Kurzinhalt:

Nachdem die Identität von Spider-Man kein Geheimnis mehr ist, haben Peter Parker (Tom Holland), seine Freundin MJ (Zendaya) und sein bester Freund Ned (Jacob Batalon) keine ruhige Minute mehr. Vor allem wird Spider-Man als vermeintlicher Mörder diffamiert. Als seine Freunde die öffentliche Ächtung zu spüren bekommen, wendet sich Peter an Dr. Strange (Benedict Cumberbatch) in der Hoffnung, dass dieser was passiert ist, ungeschehen machen kann. Strange würde einen Zauber aussprechen, so dass die Menschen vergessen, wer Spider-Man ist. Durch Peters Ablenkungen allerdings gerät der Zauberspruch außer Kontrolle. Strange glaubt, das Schlimmste verhindert zu haben, doch kurz darauf sieht sich Peter mit Superkräften ausgestatteten Schurken gegenüber, die Spider-Man kennen, die Peter aber nie gesehen hat. Auf der Suche nach einer Möglichkeit, all dies ungeschehen zu machen, muss sich Peter Parker der Realität stellen, dass er diese Personen dem Tode weihen würde, würde er sie zurückschicken. Dies würde jedoch allem widerstreben, was seine Tante May (Marisa Tomei) ihm beigebracht hat …


Kritik:
Das dritte Soloabenteuer mit Tom Holland in der Rolle des Titel gebenden Comichelden in Spider-Man: No Way Home fühlt sich an, als wollte Filmemacher Jon Watts nicht nur die Geschichte seines Protagonisten zu einem Abschluss bringen, sondern auch die übrigen Inkarnationen des Comichelden, die in den vergangenen 20 Jahren über die Leinwand flogen. Gleichzeitig versprüht das Abenteuer, in dem Doctor Strange eine große Rolle spielt, das Flair eines Aufbruch in eine neue Zeit. Es ist ein Spagat, der nicht immer gelingt.

Die Geschichte setzt unmittelbar nach den Ereignissen des vorigen Teils an, als der Schurke Mysterio den freundlichen Spider-Man aus der Nachbarschaft nicht nur des Mordes bezichtigte, sondern der ganzen Welt verriet, wer hinter der Maske des Avengers-Mitglieds steckt. So sieht Peter Parker von der ersten Minute an sein Leben auf den Kopf gestellt. Ebenso seine Freundin MJ und sein bester Freund Ned. Sie alle werden auf Schritt und Tritt beobachtet und bei jedem College abgelehnt, „angesichts der jüngsten Ereignisse“. So kommt Peter auf die Idee, Doctor Strange um Hilfe zu bitten, doch wer vermutet, dass der magisch begabte Avenger ein neuer Ersatzvater für Peter werden könnte, sollte seine Erwartungen dämpfen. Strange versucht, mit einem Zauberspruch alle Menschen vergessen zu lassen, dass Peter Spider-Man ist, aber Peters Änderungswünsche lassen den Zauberspruch implodieren. Während Strange noch glaubt, er habe eine Katastrophe verhindert, sieht sich Spider-Man wenig später Doctor Octopus gegenüber – und auch anderen Schurken, die dem Publikum bekannt vorkommen werden, Peter aber noch nie gesehen hat.

Ohne die Überraschungen zu verderben, von denen es für Fans viele, um nicht zu sagen, sehr, sehr viele gibt, sei verraten, dass der unerwartetste und viel versprechendste Gastauftritt in den ersten 15 Minuten zu sehen ist, mit einer Figur, mit der man kaum hatte rechnen können. Regisseur Watts ist bemüht, die bisherigen Abenteuer von Spider-Man zu einem stimmigen Gesamtbild zusammen zu fügen und dabei doch Tom Hollands Spider-Man seine eigene Bestimmung und Entwicklung mit auf den Weg zu geben. Das funktioniert insgesamt durchaus gut, doch fehlt dieser Reise eine packende Erzählweise. Trifft Peter auf Schurken, die ihn zu erkennen scheinen, die er aber nicht einordnen kann, könnte man die Ursache dafür als etwas gestalten, was Peter herausfinden muss. Stattdessen erklärt ihm – und dem Publikum – Doctor Strange die Ursache hierfür in ein paar Sätzen. Daran schließt sich eine Aufgabe an, die Peter und seine Freunde zu erfüllen haben, doch auch hier ist das Ziel so schnell erreicht, dass es wieder ein neues Ziel gibt, ehe daran anschließend Peter die Initiative ergreift und den Ausgang der Geschichte selbst beeinflussen möchte. Spider-Man: No Way Home definiert das, worauf die Story zusteuert, so oft neu, dass was davor geschieht wie eine unnötig in die Länge gezogene Vorbereitung erscheint.

Und mit einer Laufzeit von zweieinhalb Stunden ist Jon Watts Comicabenteuer spürbar lang geraten. Länger wird es noch dadurch, dass die bekannten, wieder auftretenden Figuren zwar viele Erinnerungen beim Publikum wecken, aber doch wenig zu tun bekommen. Vor allem erhalten sie keine eigenständige Entwicklung. Nichtsdestotrotz sind Darsteller wie Alfred Molina und Willem Dafoe in ihren bekannten Genrerollen sichtlich Gold wert. Gleichzeitig tut sich Spider-Man: No Way Home schwer, eine Balance zu finden. Während die ernsten Momente wie die mediale Aufmerksamkeit, die Peter zu Beginn bekommt, wirklich interessant sind, scheinen viele lustige, wie die humorvolle Trennung von Tante May und Happy Hogan, sowie dessen Auftritte anfangs generell, oder Peters übereifrige Lehrer, nicht immer passend. Schlägt Peters Plan fehl und er verliert erneut eine Person, die ihm wichtig ist, setzt nach der Hälfte des Films eine emotionale Zugkraft ein, die vor allem dank Tom Hollands Darbietung mitreißt, selbst wenn die Szene insgesamt unrund erscheint, als wäre ein Abschnitt zwischendrin nachträglich eingefügt worden. Selbst dann hält die Stimmung nicht an, als wären die Verantwortlichen nicht willens, ihren Helden auf einen Pfad zu schicken, der ihn bitter und düster erscheinen lässt.

Die unterschiedlichen Charaktere einzubinden, den verschiedenen Inkarnationen der Spider-Man-Filme einen Zusammenhalt zu geben, ist an sich eine gute Idee. Doch es dauert viel zu lange und reißt trotz oder gerade auf Grund der vielen Andeutungen und Verweise auf bekannte Figuren nur selten wirklich mit. Wobei die auffallend häufigen Star Wars-Anspielungen geradezu verkrampft eingebunden sind, als wollte das Marvel-Studio Disney hier noch ein weiteres Franchise bewerben.
Dass sich die Verantwortlichen nicht scheuen, die Charaktere nachhaltig zu verändern, ist anerkennenswert, aber am Ende heißt das auch, dass es nie wieder den Zusammenhalt geben wird, den das Publikum an den Avengers so zu schätzen wusste.

Beim Finale gibt es dabei einen großartigen Moment, in dem Spider-Man eine Möglichkeit bekommt, etwas wieder gut zu machen. Überhaupt gibt es im letzten Drittel, obwohl es sich zieht, einige tolle und berührende Szenen. Doch die Geschichte, die alldem zugrunde liegt, ist nur selten packend und so fehlt trotz der Leichtigkeit in Anbetracht dessen, was geschieht, schlicht emotionales Gewicht. Viele Aspekte bleiben darüber hinaus unvollständig, wie der Auftritt von J. K. Simmons als J. Jonah Jameson mit seiner Nachrichtensendung TheDailyBugle.net. Diese spielt beispielsweise auf populäre, hetzerische Moderatoren von Pseudo-Nachrichtensendungen im Internet an, doch seine Figur wird kaum beleuchtet und irgendwann einfach vergessen. Auch die Anschuldigungen Mysterios, wegen derer sich Peter und seine Freunde vor den Behörden verantworten müssen, werden einfach nicht weiterverfolgt. Nicht einmal der zeitliche Versatz der Figuren, auf die Peter Parker hier trifft, wird thematisiert. Dafür ist das Ende der Geschichte wieder bewusst offen gehalten.
Nach der Mid-Credits-Szene verspricht ein Teaser ganz am Ende des Abspanns, dass Doctor Strange zurückkehren wird. Dem könnte man im Umkehrschluss auch eine andere Ankündigung entnehmen.


Fazit:
Obwohl zahlreiche Trickeffekte arg offensichtlich sind, gibt es handwerklich an Jon Watts drittem Film in diesem Comic-Universum kaum etwas zu bemängeln. Die Actionszenen sind solide umgesetzt, dabei verspielter und näher am Publikum, als beispielsweise bei Black Widow [2021]. Doch mit den vielen Figuren, von denen nur wenige voran gebracht werden, fühlt sich Spider-Man: No Way Home wie ein überlanger Fan-Service an, mit vielen Momenten, die man als gelöschte Szenen sehr amüsant finden würde, die den zweieinhalb Stunden langen Film aber oft nur unnötig länger machen. Zumal sich gerade in der ersten Hälfte die Themen spürbar wiederholen. Für Fans, die wenigstens sämtliche filmischen Auftritte der Figur seit Sam Raimis Spider-Man [2002] verfolgt haben, ist das durchaus unterhaltsam. Alle anderen werden sich hier nur schwer zurecht finden. Deutlich zu lang und nur phasenweise packend, ist man am Ende ungeachtet zahlreicher schöner Ideen und Szenen nur bedingt emotional mitgenommen und eher gespannt, wohin die Reise der Charaktere als nächstes geht.