Scream [2022]

Wertung: 4 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 13. Januar 2022
Genre: Horror / Thriller

Originaltitel: Scream
Laufzeit: 115 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2021
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren

Regie: Matt Bettinelli-Olpin, Tyler Gillett
Musik: Brian Tyler
Besetzung: Melissa Barrera, Jenna Ortega, Jack Quaid, Mikey Madison, Dylan Minnette, Neve Campbell, Courteney Cox, David Arquette, Marley Shelton, Jasmin Savoy Brown, Mason Gooding, Sonia Ammar, Kyle Gallner


Kurzinhalt:

25 Jahre sind vergangen, seit schreckliche Morde die Kleinstadt Woodsboro in Angst und Schrecken versetzt haben, als die junge Tara (Jenna Ortega) zuhause dem nach seinem Kostüm benannten Ghostface-Killer zum Opfer fällt. Es ist dieselbe Vorgehensweise wie damals. Auf Grund des Angriffs kehrt Taras ältere Schwester Sam (Melissa Barrera) zusammen mit ihrem Freund Richie (Jack Quaid) nach Woodsboro zurück. Dort sind Taras Freunde, darunter Wes (Dylan Minnette), Mindy (Jasmin Savoy Brown) und ihr Bruder Chad (Mason Gooding) sowie ihre beste Freundin Amber (Mikey Madison), schwer betroffen, doch schon bald gibt es eine weitere Leiche. Als auch Sam von dem Mörder angegriffen wird, der offenbar das dunkle Geheimnis kennt, weshalb Sam damals die Stadt verließ, wendet sie sich an die eine Person, die in Woodsboro als Experte der Mordserien gilt: Den ehemaligen Sheriff Dewey Riley (David Arquette). Von seinen Erlebnissen gezeichnet, hat er kein Interesse daran, diese Tür in seine Vergangenheit zu öffnen und schickt eine Warnung an Sidney Prescott (Neve Campbell) und die Reporterin Gale (Courteney Cox), beides Überlebende der Woodsboro-Morde, es ihm gleich zu tun …


Kritik:
Scream, die Fortsetzung, die ein Vierteljahrhundert nach dem ursprünglichen, gleichnamigen Kult-Horrorfilm dessen Ereignisse und die der bisherigen drei Nachfolger weitererzählt, liefert selbst die Erklärung, was er ist. Ein Requel, ein Remake und ein Sequel in einem, in dem Teile der Originalbesetzung wieder auftreten und der am Ende ganz zum Anfang zurückfindet. Das hört sich wie eine schreckliche Idee an, doch was den beiden Filmemachern Matt Bettinelli-Olpin und Tyler Gillett hier gelingt, ist sichtlich eine Hommage an das Original, doch mit einer eigenen Handschrift erzählt, die neue Zuschauerinnen und Zuschauer überzeugen kann.

Die Geschichte spielt, wie schon der ursprüngliche Scream - Schrei! [1996], in der kleinen Stadt Woodsboro, wo vor 25 Jahren Killer ein Massaker veranstalteten. Die High School-Schülerin Sidney Prescott überlebte, wie auch die Reporterin Gale und der Polizist Dewey. Mehrmals noch mussten sie sich gegen Trittbrettfahrer wehren, die in ein Halloweenkostüm gekleidet mit einem Messer ihre Opfer töteten. Jemand scheint dem nach dem Kostüm benannten „Ghostface“-Killer nachzueifern, mit der Teenagerin Tara als Opfer. Der Angriff veranlasst ihre Schwester Sam, in ihre Heimat zurückzukehren, fünf Jahre, nachdem sie Woodsboro verließ und sich mit ihrem dunklen Geheimnis absetzte. Wieder angekommen, versucht sie mit Hilfe ihres Freundes Richie herauszubekommen, wer der Mörder ist. Bis sie selbst in dessen Visier gerät, wobei Sams Vergangenheit eine Rolle für den Killer zu spielen scheint. So wendet sie sich an eine Person, die als Experte der damaligen Ereignisse gilt: Den Ex-Sheriff Dewey, der ihr erklärt, wie die Regeln dieser Mordserien des Ghostface-Killers lauten.

Es dauert erstaunlich lange, ehe Scream an diesem Punkt angekommen ist. Bis dahin erzählen die Regisseure in ihrer Eröffnung den Auftakt des ersten Films geradezu akribisch nach und präsentieren wieder eine junge Frau, die sich allein zuhause befindet und von einem unbekannten Anrufer in ein Gespräch verwickelt wird, das sehr schnell sehr bedrohlich wird. Die Kommentare zur Evolution von Horrorfilmen im Allgemeinen sind dabei durchaus gelungen und auch die Einbindung der Adaption der ursprünglichen Mordserie in Woodsboro in Form des fiktiven Film-im-Film Stab sind eine einfallsreiche Idee. Fans des Genres haben hier wieder viel zu entdecken, von offenen Verweisen an Genregrößen, Namen der Figuren, die daran erinnern, oder auch die Verzahnung mit den ursprünglichen Scream-Filmen, die nicht nur bei Sams Vergangenheit erfolgt, sondern auch bei anderen Charakteren. Aber nicht erst, wenn Dewey Taras Freunde versammelt und ihm sowie dem Publikum die Begrifflichkeit des Requels und dessen neues Regelwerk erläutert werden, erweckt dieser Scream den Eindruck, er wäre in weiten Teilen ein Remake. Was selbstverständlich bereits im Begriff des Requel versteckt ist.

Wie die Verantwortlichen die inzwischen allgemein gültigen Regeln für einen Soft-Reboot aufs Korn nehmen, den fünften Teil einer Horrorfilm-Reihe beispielsweise als den schlechtesten titulieren und betonen, dass der erste Stab-Film der einzig wahre gewesen sei, ist durchaus amüsant und zeigt, dass sich die Macher der Herausforderung bewusst sind, der auch andere Franchises bis hin zu Star Wars begegnen mussten. Doch irgendwann klingt diese dick aufgetragene Selbstreferenz weniger wie eine Erkenntnis und mehr, als würde man auf das Publikum zeigen, um von sich selbst abzulenken. Umso mehr, wenn die Figuren wiederholt festhalten, wie unnötig solche Fortsetzungen sind, die zudem ohne Ziffer im Titel den Eindruck erwecken, sie wären der erste Teil der Reihe.

Dabei ist das Gezeigte, wenn auch nicht neu, alles andere als uninteressant und die Integration mit den bisherigen Filmen, einschließlich Sams Verbindung zu den Woodsboro-Morden, erscheint bis auf Details wie der „Gastauftritt“ einer Figur, der einfallsreich umgesetzt ist, aber inhaltlich so keinen Sinn ergibt, durchaus schlüssig. Doch vergibt das Drehbuch hier einige Chancen. So wird zwar moderne Technik eingebunden wie Smartphones oder elektronische Türschlösser, aber weder ist der Ghostface-Killer fortschrittlich genug, sich diese Technik auch zunutze zu machen, so dass vielleicht durchaus die ein oder andere Gesellschafts- oder Technikkritik vorgebracht werden könnte, noch nutzen die jungen Menschen die Technologie, mit der sie aufgewachsen sind, zu ihrem Vorteil. Beispielsweise mit Videotelefonie, Überwachungskameras oder Sonstigem. Hier hätte man dem ursprünglichen Scream nicht nur Respekt zu zollen, sondern den ersten Horrorfilm der Reihe auch in jenen Aspekten modernisieren können.

Ein Punkt, der durchaus moderner scheint, dem Film aber nicht zum Vorteil gereicht, ist der hohe Gewaltgrad. Scream - Schrei! war alles andere zimperlich was die gezeigte Brutalität anbelangt, mit einer ursprünglichen FSK-Freigabe ab 18 Jahren, die später aus unverständlichen Gründen auf ab 16 Jahren herabgesetzt wurde. War es damals jedoch so, dass sich die Spannung bis zum Mord aufgebaut hat, dies den Spaß am Horror ausmachte, der Akt des Tötens aber schnell ging, scheint es hier, als sollte die Tötung selbst das Publikum unterhalten. Als wenn es den Zuschauerinnen und Zuschauern Spaß machen soll, wenn den Opfern Gewalt angetan und ihnen Schmerzen zugefügt werden. Manche Momente sind weit exzessiver, als sie sein müssten.

Alles in allem ist dieser fünfte Scream-Film, und der erste ohne Beteiligung des ursprünglichen Filmemachers Wes Craven, der damit wie zuvor mit Nightmare - Mörderische Träume [1984] das Horrorgenre für Jahre prägte, aber nicht ansatzweise so enttäuschend, wie Fans vermutlich befürchtet hatten. Ganz im Gegenteil.
Die neue, junge Besetzung ist stimmig zusammengestellt, selbst wenn ihr im Vergleich zu den Figuren des ersten Films jene unschuldige Aura fehlt. Die Franchise-Veteranen wiederzusehen, wird Fans ein Lächeln ins Gesicht zaubern und gerade David Arquette in seiner Rolle wieder zu sehen, ist ein Erlebnis. Nicht nur, dass sein Charisma geradezu spürbar ist, damals wie heute ist sein Dewey in gewisser Weise das gutmütige Herz der Filme. Dass Neve Campbell und Courteney Cox gegenüber den jungen Talenten weniger zu tun bekommen, ist kein Kritikpunkt, denn sie alle dürfen in einem Moment glänzen und sind sichtlich engagiert. Nicht zuletzt stellen solche Requels ja eine Fackelübergabe dar. Die ist Matt Bettinelli-Olpin und Tyler Gillett auch gelungen, wobei ihnen mehr Mut, sich von den vorigen Erzählungen und Erzählweisen der Reihe zu lösen, nicht geschadet hätte.


Fazit:
Selbst wenn das Motiv allzu plakativ vorgetragen wird und die Morde selbst deutlich brutaler und stellenweise bereits grausam in die Länge gezogen sind, gelingt den beiden Regisseuren ein Film, den Fans der alten Teile werden zu schätzen wissen und der das Andenken an das, was Scream - Schrei! seinerzeit so besonders gemacht hat, bewahrt und vielleicht mehr verehrt, als er sollte, anstatt es erweitern zu wollen. Ungeachtet eines langen Aufbaus im ersten Akt, ist das handwerklich einwandfrei und in der Szenendramaturgie, in der die Filmemacher mit den Erwartungen des Publikums spielen, ehe sie in bekannte Muster zurückfallen, durchaus einfallsreich dargebracht. Die Schwierigkeit liegt hier inhaltlich viel mehr daran, dass die Figuren ständig sagen, was sie tun müssten oder nicht tun dürften, sich dann aber nicht so verhalten. Auch deshalb gerät der fünfte Teil mehr wie ein Remake. Ist Scream so innovativ und unerwartet wie Wes Cravens erster Film vor 25 Jahren, oder so spaßig wie Scream 2 [1997]? Nein, unbestritten nicht. Aber dank der tollen Präsentation, so dass die zeitgemäße Umsetzung eine neue Generation für die Art der Scream-Filme interessieren dürfte, ist er ein Erfolg, auch für sich genommen. Selbst, wenn diese Fortsetzung nicht wirklich notwendig ist.