Ong-bak [2003]

Wertung: 3 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 28. November 2004
Genre: Action / Komödie

Originaltitel: Ong-bak
Laufzeit: 104 min. (gekürzte internationale Fassung), 107 min. (thailändische Fassung)
Produktionsland: Thailand
Produktionsjahr: 2003
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren

Regie: Prachya Pinkaew
Musik: Atomix Clubbing
Darsteller: Phanom Yeerum, Petchtai Wongkamlao, Pumwaree Yodkamol, Suchao Pongwilai, Wannakit Sirioput, Chatthapong Pantanaunkul


Kurzinhalt:
Um an ein Amulett zu kommen, entführt der Großstadt-Gangster Don (Wannakit Sirioput) den Kopf der Buddha-Statue Ong-bak aus einem thailändischen Dorf. Die Bewohner schicken den angehenden Mönch Ting (Phanom Yeerum), der in der Kampfkunst Muay Thai unterrichtet wurde, nach Bangkok, damit er dort den Statuenkopf ausfindig macht.
In Bangkok angekommen, trifft Ting auf Humlae (Petchtai Wongkamlao), der das Dorf schon vor langem verlassen hat, und sich inzwischen als Kleinkrimineller durchs Leben schlägt. Nach einiger Zeit macht sich Humlae zusammen mit seiner Bekannten Muaylek (Pumwaree Yodkamol) auf, Ting bei der Suche zu helfen – dabei stoßen sie auf die Machenschaften des Drogendealers Don, der im Auftrag eines größenwahnsinnigen Schurken arbeitet. Und im Verlauf ihrer Suche muss Ting sehr oft seine Kampfkünste einsetzen, um Ong-bak näher zu kommen.


Kritik:
Lange Zeit war der asiatische Film ein Medium, dass den asiatischen Kulturen vorbehalten war – Europäer oder Amerikaner konnten damit wenig anfangen. Erst Bruce Lee gelang mit seinen Kung-Fu-Filmen in den frühen 1970ern ein Brückenschlag zwischen Ost und West, und auch wenn seine Filme von der Kritik häufig verrissen wurden, fanden sie beim Publikum großen Anklang und der Kampfsportmeister wurde weltweit berühmt, ehe er im Alter von nur 32 Jahren verstarb.
Zehn Jahre später überzeugte das klassische Hong-Kong-Kino mit opulenten Bildern auch die westlichen Kritiker. Viele Filmemacher dieser Ära hatten im Westen gelernt und meist beim Fernsehen mit ihrer Arbeit begonnen. Schnittfolgen, Bildersprache und Choreografie sind nach wie vor ein Markenzeichen jener Zeit, genauso wie körperlich anspruchsvolle Stunts und knallharte Action. Thema dieser Filme sind meist Verrat, Ehre und Loyalität, und ihre beiden bekanntesten Vertreter Darsteller Jackie Chan und Regisseur John Woo, die inzwischen oft in den USA arbeiten.
Doch Mitte der Neunzigerjahre entwickelte sich noch ein anderer Trend in der westlichen Welt, in der viele Filme aus Asien mit Begeisterung verschlungen wurden, insbesondere diejenigen Werke mit expliziter und ausschweifender Gewaltdarstellung. Inhaltliche Attribute spielten gleichzeitig ansich kaum eine Rolle, das handwerkliche Geschick ebenso wenig – für den westlichen Markt wurden viele Filme zudem umgeschnitten und in der Synchronisation auf Krampf witzig gestaltet, was aber den zugrunde liegenden Brutalitätsgrad nicht mindert. Weshalb sich gerade in den letzten paar Jahren dieser Kult wieder formiert, aus sämtlichen Ecken Fans des fernöstlichen Films gekrochen kommen, die alle möglichen Produktionen in den Himmel loben und eigentlich nur auf ein Martial Arts-Fest hoffen, ohne zu wissen, dass das mit dem richtigen Hong-Kong-Kino kaum etwas zu tun hat, darüber streiten sich Psychologen und Verhaltensforscher gleichermaßen.
Liebhaber jener Filme sind es auch, die der Veröffentlichung von Ong-bak entgegen fiebern; dabei ist Prachya Pinkaews Film eine Mischung aus beiden Stilrichtungen. Einerseits sind die Kämpfe gerade im letzten Drittel wirklich hart umgesetzt, andererseits überzeugt der Film großteils durch gut zusammengestellte Bildfolgen und eine solide Optik (die aber oft durch den Independent-Film-Charakter angehoben wird). Allerdings verzichtet der Film bis auf wenige Momente auf eine explizite Gewaltdarstellung, die darüber hinaus in der originalen Schnittfassung fehlt – denn wie so häufig, wurde Ong-bak für den westlichen Filmmarkt umgeschnitten, ein ganzer Handlungsstrang sogar entfernt. Man mag angesichts solcher Entscheidungen den Kopf schütteln, doch diese internationale Schnittfassung stammt von keinem Geringerem, als dem französischen Filmemacher Luc Besson. Zu den Änderungen später mehr.

Was an dem thailändischen Film besonders auffällt, ist die quasi nicht vorhandene Story um einen entwendeten Steinkopf, einen größenwahnsinnigen Gangsterboss und einen Mönch, der in der Stadt um sein Leben und das seiner Freunde kämpft (die währenddessen natürlich zum Besseren bekehrt werden). Die Geschichte selbst ist nicht nur in wenigen Worten zusammengefasst, sie gestaltet sich im Film auch nicht komplexer; gerade die ersten 20 Minuten sind mit Dialogen gespickt, die derart lächerlich und unfreiwillig komisch geraten sind, dass man als Zuschauer nur den Kopf schütteln kann – manche dieser Dialoge mögen erst durch die dürftige Synchronisation entstellt worden sein, am Handlungsverlauf, den grotesken Storywendungen und der unglaublich hohlen Grundaussage des Films ändert das aber nichts.
Wie die Drehbuchautoren Prachya Pinkaew und Panna Rittikrai hoffen konnten, damit einen abendfüllenden Film rechtfertigen zu können, ist völlig unverständlich.

Wer nun im Hinblick auf die Darsteller Besseres erwartet, wird durch viele leider ebenso enttäuscht.
Lediglich der charismatische und ansich überzeugende Hauptdarsteller Phanom Yeerum kann überzeugen, und das großteils aufgrund seiner wirklich atemberaubenden Akrobatik und Körperbeherrschung. Bei dieser Gelegenheit darf man gleichzeitig dem Stuntteam ein Kompliment aussprechen: Sowohl beim Höhepunkt des Films, einem Kampf im "Fight Club" von Bangkok, als auch beim Finale sind die Stunts erstklassig choreografiert und effektvoll vorgetragen. Obwohl Yeerum eine positive Ausstrahlung besitzt, werden die Dialoge, die er bisweilen vorzutragen hat, leider nicht besser, und mimisch darf er ohnehin nicht glänzen – und das sogar in den eigentlich emotionalsten Szenen.
Petchtai Wongkamlao hat sichtlich Mühe, neben dem Hauptdarsteller mithalten zu können, grundsätzlich liefert er dennoch eine solide Leistung ab. Zumindest hat er ein paar ganz gute Szenen vorzutragen und überzeugt auch in den witzigen Passagen. Sein übertriebenes Spiel passt dabei zum Trash-Charme der Produktion.
Dahingegen kommt Pumwaree Yodkamol deutlich zu kurz; zwar wäre ihre Rolle in der ursprünglichen Schnittfassung größer ausgefallen, und sie gehört neben Yeerum zu den sympathischsten Akteuren des Films, künstlerisch anspruchsvoll ist ihre Rolle allerdings sicher nicht.
Etwa auf gleichem Niveau bewegen sich Wannakit Sirioput und Chatthapong Pantanaunkul, von denen letzterer kaum Textzeilen hat; trotzdem gehen beide in ihren Bösewichtsrollen recht passabel auf. Sirioput wirkt dabei hin und wieder unfreiwillig komisch, was aber immerhin den Unterhaltungswert hebt.
Die übrige Besetzung hebt sich wenig von den drei Hauptfiguren ab, sie alle fügen sich in Ong-bak ein, wenngleich sie mimisch unterfordert bleiben.

Inszenatorisch gibt sich Pinkaews Werk solide, gefällt schon von Anfang an mit einer guten Farbauswahl und einem übersichtlichen Szenenaufbau. Die Action-Sequenzen bauen sich langsam in Etappen auf, lassen Ting gegen immer mehr Gegner antreten; die Bilder von Bangkok haben indes nichts mit dem gemein, was man in Reiseprospekten zu sehen bekommt, sie zeigen das kühle Neon-Grün der nächtlichen Stadt im krassen Gegensatz zu den schmutzigen, brutalen Innenarealen des "Fight Clubs" und damit auch die Sehnsucht der Menschen nach Abwechslung in ihrem Leben.
Obwohl die Optik wirklich gelungen ist, greift Regisseur Prachya Pinkaew in den Kampfszenen und bei den Stunts mitunter zu einem Stilmittel, das zwar eindeutig aus dem fernöstlichen Kino stammt, mit dem man allerdings hierzulande nicht allzuviel anfangen kann und das einen derart gekünstelten und verzerrt komischen Eindruck erweckt, dass es dem Zuschauer hin und wieder die Sprache verschlägt: So werden Stunts und Kämpfe meist in Zeitlupe aufgenommen, bei den spektakuläreren wiederholt der Regisseur dann den kompletten Schlag bis zu drei Mal aus einer anderen Perspektive. Auf diese Weise sieht man denselbern letzten Schlagabtausch, das Durchrutschen unter einem Lastwagen oder einen Sprung mehrmals hintereinander, jedes Mal mit noch mehr Soundeffekten oder einfach länger. Wenn bei Zeitlupensequenzen zwischen verschiedenen Perspektiven hin und her geschnitten wird, ist ansich nichts dagegen einzuwenden – dass man Martial Arts auf so gekonnt darstellen kann, haben die Wachowski-Brüder mit Matrix [1999] eindrucksvoll bewiesen. Aber komplette Szenen zu wiederholen, erscheint nicht nur plump und billig, sondern naiv und schuljungenhaft; der Stil erinnert sogar oftmals an übliche Videospiele (des sogenannten "Beat 'em Up"-Genres), passt aber in einem Film überhaupt nicht. Deshalb krankt die Action trotz der guter Ideen und gelungener Optik an einer bisweilen verkorksten und übermäßig zum Einsatz kommenden Schnittarbeit.

Die Action selbst zeichnet sich, wie schon erwähnt, durch einen stimmigen Aufbau, sich steigernde Kampfherausforderungen und immer kleiner werdende Areale aus. Dabei geht es zwar zumindest hinsichtlich der Hauptfigur ohne Hilfsmittel (im Gegensatz zu Jackie Chan) zur Sache, das mindert die Kampfkunst ansich aber nicht im Geringsten. Der verwendete Kampfstil Muay Thai ist überaus komplex und schön anzusehen, Effizienz und Körpersprache beispielhaft.
Dass die eigentlichen Kämpfe zudem nicht allzu brutal gehalten sind, kommt dem Film zugute, obgleich sich der Schlusskampf dahingehend deutlich abhebt und den Zuschauer mit einigen sehr unmenschlichen Ideen überrumpelt.
Für Kinder oder Jugendliche ist das Ganze definitiv nicht geeignet, und wenn die FSK Steven-Seagal-Filme nur für Erwachsene einstuft, hätte sie bei Ong-bak keine Ausnahme machen sollen, immerhin geht hier ein Großteil der (tödlichen) Gewalt vom Helden aus.

Eine zwiespältige Angelegenheit ist die Musik, die von Atomix Clubbing zusammengestellt wurde. Während sie im Verlauf des großen Zweikampfs im "Fight Club" ansich sehr gut geraten ist und sich mit zunehmender Vehemenz des Geschehens steigert, ist die Untermalung der zweiten Hälfte des Films grundsätzlich viel zu aufdringlich, verquirlt fröhlich und lustig, zum Schluss dann nervtötend, einlullend und sich ewig wiederholend eingespielt.
Man wird hier das Gefühl nicht los, dass die Musik für die ersten 50 Minuten von jemand anderem ausgewählt wurde, als für den Rest des Films, in dem sie auch stilistisch einen völlig falschen Ton anschlägt.

Interessenten werden sich wohl insbesondere fragen, welche Änderungen Ong-bak durch Luc Besson denn nun in der europäischen Version erfahren hat:
Weggefallen ist unter anderem eine kurze Einleitung, in der erwähnt wird, dass Ting von seinen Eltern am Tempel abgegeben wurde, sowie ein Teil des Schlusskampfes mit Saming und ein Teil des Kampfes von 'Pearl Harbor' gegen Arun im "Fight Club". Fast vollständig gestrichen wurde der Handlungsstrang um Muayleks Schwester Ngek, die angefangen hat, mit Drogen zu dealen und später von Don durch eine Überdosis vergiftet wird, woraufhin sie im Krankenhaus stirbt (die Szene mit Don ist in der europäischen Version überraschenderweise enthalten, der Rest jedoch nicht – man bekommt nicht einmal gesagt, dass die Frau Muayleks Schwester ist). Abgesehen davon wurden einige kleine Szenen verändert, gekürzt, oder andere Kamera-Einstellungen verwendet. Der wichtigste Unterschied ist jedoch, dass jegliche Anspielungen auf Drogen entfernt wurden, als wollte Besson, der die internationalen Vermarktungsrechte übrigens gekauft hatte, nachdem Ong-bak in Thailand ein Erfolg geworden war, dem internationalen Publikum diese düsteren Untertöne nicht zumuten.
Insgesamt geht die originale, thailändische Filmfassung über drei Minuten länger, als die international verfügbare.

Was am Ende bleibt, ist ein inhaltsleerer, leidlich gespielter und mit bizarren Dialogen gespickter Action-Film, der im thailändischen Original eigentlich keinen großen Komödien-Anteil hatte – im Gegensatz zu der von Luc Besson für den internationalen Markt aufbereiteten Version. Die Kämpfe und Stunts sind zwar prinzipiell gut zusammengestellt und solide gefilmt, allerdings mit einer für asiatische Kampffilme typischen "Krankheit" versehen, die auch durch den zigfachen Einsatz nicht erträglicher wird.
Genre-Fans werden mit dem Endprodukt wohl überglücklich; alle anderen, die mit Martial Arts zumindest grundsätzlich etwas anfangen können, bekommen wenigstens etwas fürs Auge geliefert. Der Rest ist es aber nicht einmal wert, auf dem Boden des Schneideraums zu landen.


Fazit:
Mit Fans ist es immer wieder dasselbe: Diejenigen, die welche sind, lassen sich vom Trash-Faktor und den Unzulänglichkeiten ebensowenig überzeugen, wie von schlagkräftigen Argumenten. Alle anderen lächeln da höchstens mitleidig oder ignorieren sie einfach gänzlich. Ong-bak gehört handwerklich zu den sauberen Vertretern der hohlen, bisweilen unbeabsichtigt witzigen Martial-Arts-Action-Streifen, die mit pseudo-philosophischem Ansatz die lächerlichen Dialoge, farblosen Charaktere und die entzückend-amüsant-grotesken Szenen zu übertünchen versuchen.
Dank Regisseur Prachya Pinkaew und dem charismatischen Hauptdarsteller Phanom Yeerum ist der Film optisch sehr gut choreografiert und mit erstklassigen Action-Sequenzen gespickt (auch wenn die wiederholten Szenen-Einstellungen in einem Maße billig wirken, wie man es selbst von einem Independent-Film nicht erwartet hätte). Außer unverbesserliche Liebhaber des Genres wird das allerdings niemanden interessieren, denn stilisierte Kämpfe sind zwar ganz unterhaltsam, aber weder den Kino-Ticket-Preis, noch die Zeit des Zuschauers wert. Und die lächerlichen Momente überwiegen die gelungenen leider bei weitem.
Überhypt, überschätzt und überhaupt nicht notwendig; für Fans – für niemand anderen.