Mystic River [2003]

Wertung: 4.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 26. Februar 2004
Genre: Drama / Krimi

Originaltitel:Mystic River
Laufzeit: 137 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2003
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren

Regie: Clint Eastwood
Musik: Clint Eastwood, Lennie Niehaus
Darsteller: Sean Penn, Tim Robbins, Kevin Bacon, Laurence Fishburne, Marcia Gay Harden, Laura Linney, Tom Guiry, Emmy Rossum, Spencer Treat Clark


Kurzinhalt:
In ihren Kindertagen waren Jimmy (Jason Kelly / Sean Penn), Sean (Connor Paolo / Kevin Bacon) und Dave (Cameron Bowen / Tim Robbins) die besten Freunde, doch eines Tages wurde Dave vor Jimmys und Seans Augen entführt und tagelang missbraucht. Zwar konnte er fliehen, und die Täter wurden gefasst. Doch nach dem schrecklichen Ereignis hatte er sich in einen anderen Menschen verwandelt, und die Freundschaft der drei Jungen zerbrach.
Jahre später wird Jimmys Tochter Katie (Emmy Rossum) ermordet aufgefunden. Sean, der inzwischen bei der Mordkommission arbeitet, soll den Fall mit seinem Partner Whitey Powers (Laurence Fishburne) aufklären.
Dabei stoßen sie auf Ungereimtheiten in Daves Aussage, der Katie am Abend ihres Todes noch gesehen hat. Auch Daves Frau Celeste (Marcia Gay Harden), plagen Zweifel, denn ihr Mann kam in der besagten Nacht sehr spät und blutverschmiert nach Hause.
Ein weiterer Verdächtiger ist Katies Freund Brendan (Tom Guiry), dessen Vater eine Verbindung zu Jimmy hatte. Während die Polizeiermittlungen sich verdichten, macht sich der unter dem Verlust allmählich verzweifelnde Jimmy selbst auf die Suche nach dem Mörder.


Kritik:
Er ist ein wahres Urgestein des amerikanischen und internationalen Kinos: Clint Eastwood. Als Regisseur mindestens ebenso erfolgreich wie als Darsteller, wurde es um den inzwischen 73-Jährigen mittlerweile ein wenig stiller, wirklich ruhig aber doch nicht.
So schickt Eastwood nach seiner letzten Regiearbeit Blood Work [2002], in der er auch die Hauptrolle übernahm, nun erneut einen ungewöhnlichen Thriller ins Rennen, für den er aber nur als Regisseur und Komponist verantwortlich zeichnet.
Für insgesamt sechs Oscars nominiert, erzeugt Mystic River eine entsprechende Erwartungshaltung; Vieles davon kann der Film auch erfüllen, doch wird man das Gefühl nicht los, dass Eastwood sein Werk nochmals hätte überarbeiten sollen.

Dem Drehbuch von Brian Helgeland, basierend auf dem Roman von Dennis Lehane kann man dabei keinen Vorwurf machen. Gekonnt führt es den Zuschauer in eine zerstörte Familien- und Freundesidylle ein, in der drei Männer das Trauma ihrer Kindheit allesamt nicht überwunden haben. Dave verständlicherweise am wenigsten; er lebt als introvertierter Gelegenheitsarbeiter vor sich hin, während Jimmy nach einem Ausflug ins Gefängnis die Kurve auf den rechten Weg geschafft zu haben scheint. Sean hingegen kompensiert seine Schuldgefühle damit, dass er so vielen Menschen wie möglich zu helfen versucht, ohne zu erkennen, dass sein eigenes Leben auf der Strecke bleibt.
Die Charakterisierungen des Skripts sind in einem Alltagsszenario in Boston angesiedelt und gerade deshalb nachvollziehbar; hinter den harmlosen Fassaden die zerbrochenen Familien zu sehen, ist ein Kernthema des Films und wird entsprechend nahe gebracht.
Mystic River schildert eindringlich wie Jimmy versucht, mit seiner Trauer klarzukommen, und eben hier profitiert der Film vom langsamen Aufbau des Drehbuchs. Es nimmt sich viel Zeit für die Figuren, auch wenn Jimmys Ehefrau Annabeth dabei leider zu kurz kommt.
Weniger gelungen ist dagegen der Krimi-Anteil, der nur wie ein eigentlich überflüssiger Aufhänger für die Story aussieht, bevor das Finale Licht ins Dunkel bringt. Hier sind dann einige Überraschungen versteckt, die das Drama bereichern; für einen Thriller scheint die Auflösung aber zu einfach. Zudem haben sich besonders bei der Schilderung der Polizeiarbeit einige grobe Patzer eingeschlichen, die einem versierten Drehbuchautor ansich nicht passieren dürften, und die sogar in den meisten TV-Serien nicht auftauchen. So fragt Sean Celeste beispielsweise danach, wann Dave am Abend des Mordes nach Hause kam, worauf Celeste ihm antwortet, dass sie schon geschlafen habe. Die logische nächste Frage wäre gewesen, wann Celese denn schlafen gegangen war, um einen eventuellen Widerspruch der Aussagen zu entlarven – doch diese wird nie gestellt.
Wirklich überzeugend sind indes die Dialoge, die dem Millieu entsprechen und gerade in den emotionalen Szenen äußerst authentisch rüberkommen und nicht mit hochtrabenden, gekünstelten Floskeln versehen wurden.

Ein großer Pluspunkt sind hier natürlich die großartigen Darsteller, die allesamt ein unglaublich eindrucksvolles Schauspiel zum Besten geben, das durch die Bank auszeichnungswürdig ist.
Allen voran zweifelsohne Sean Penn, der mit dieser Rolle bereits zum vierten Mal für den Oscar nominiert ist und die begehrte Trophäe leider noch nie bekommen hat. Seine Darbietung ist meisterhaft und in jeder Einstellung eindringlich. Mehr über ihn zu sagen, ist nicht notwendig. Vielleicht gelingt es ihm ja in diesem Jahr, den Goldjungen mit nach Hause zu nehmen, verdient hätte er es.
Zwar erst im zweiten Teil des Films gefordert, dann aber umso mehr, ist Tim Robbins, der einige extrem beunruhigende Szenen mimt, die dank seiner hervorragenden Mimik unter die Haut gehen. Eben durch seine stille und verletzliche Art zieht er die Zuschauer auf seine Seite, ehe man sein zweites, furchteinflößendes Gesicht bemerkt – die innere Tragik wird durch Robbins gekonnt vorgetragen und bietet zu Sean Penn einen perfekten Gegenpol.
Am wenigsten Hintergrund bekommt Kevin Bacon zugestanden, der hier zwar nicht so sehr gefordert ist, wie zum Beispiel in Echoes - Stimmen aus der Zwischenwelt [1999], aber dennoch sehr gut in seine Rolle passt und einige fordernde Szenen hat.
Laurence Fishburne (Matrix [1999]) bekleidet ebenfalls mehr oder weniger nur eine Nebenrolle, er geht an diese aber mit dem von ihm gewohnten Engagement heran.
Von den Damen sticht besonders Marcia Gay Harden heraus, die mit ihrem Schauspiel in kürzester Zeit die Zuschauer für sich gewinnen kann.
Dahinter muss Laura Linney zurückstehen, die zugegebenermaßen nur relativ wenige Szenen hat, die sie aber gut meistert.
Positiv zu erwähnen sind zudem noch Tom Guiry und Spencer Treat Clark, letzterer verkörpert Brendans stummen Bruder und war schon in Unbreakable – Unzerbrechlich [2000] zu sehen. Beide überraschen mit ihrem eindringlichen und natürlichen Schauspiel, Guiry ist dabei beim Finale besonders gefordert; man kann nur hoffen, dass sie in Zukunft häufiger mit so anspruchsvollen Rollen vor die Kamera treten werden.
Beinahe in Vergessenheit geraten schon aufgrund der relativ langen Laufzeit die Kinderdarsteller, die zu Beginn des Films die drei Hauptcharaktere darstellen; zwar hat man zunächst Probleme, die drei Gesichter ihren späteren Pendants zuzuordnen, ausgewählt sind die drei Jungen, Jason Kelly, Connor Paolo und Cameron Bowen allerdings erstklassig, sie geben sich auf der Leinwand natürlich und spielen sowohl die Verunsicherung, als auch ihre Angst äußerst glaubhaft.
Die Besetzung lässt sich insgesamt am besten als der Traum eines jeden Regisseurs umschreiben: Von den Haupt- bis zu den Nebenrollen gibt es keinen einzigen, der nicht vollends überzeugen könnte. Zwar stehen alle Akteure im Schatten von Sean Penn und Tim Robbins, das hindert sie aber nicht, dennoch ihr Bestes zu geben. Einen solchen Cast kann zu diesem Budget nur eine Kinogröße wie Clint Eastwood auf den Plan rufen.

Bei der Inszenierung lässt dieser sich gewohnt viel Zeit, um sein Drama aufzubauen, einerseits mit ruhigen Kamerafahrten über den Stadtbezirk, dem permanenten leichten Grünstich, der den Bildern einen ausgewaschenen, beinahe schon schmuddeligen Look verleiht und andererseits den großen Darstelleraufnahmen bei den Gesprächen.
Ohne Hektik komponiert Eastwood die Spannung zum Finale hin auf zwei Ebenen, um sie dann gekonnt explodieren zu lassen. Die Charakterzeichnungen haben für dabei eine größere Bedeutung, als reißerische Thriller-Momente. Sein Stil ist unverkennbar und trägt zur Klasse des Films einen großen Teil bei, wie es auch bei seinen drei besten Werken Erbarmungslos [1992], Perfect World [1993] und Die Brücken am Fluss [1995] der Fall war.
Was für manche Zuschauer fehlende Spannung darstellen mag, ist für Regisseur und Crew ein Stilmittel, um eine unheimliche, fast schon klaustrophbische Atmosphäre zu erzeugen, die unweigerlich dorthin führt, wo keiner der Beteiligten hinkommen wollte.

Ansich sollte dazu auch die musikalische Begleitung beitragen, die Eastwood in diesem Fall selbst schrieb und von Lennie Niehaus, seinem Hauskomponisten, instrumentieren ließ.
Geglückt ist ihm das aber leider nur stellenweise, denn obwohl das Hauptthema melancholisch anmutet, wird es für beinahe alle Szenen verwendet, seien es nun fröhliche oder traurige, sei es, dass die Charaktere vor Wut beinahe explodieren oder mit den Tränen ringen – neben diesem Thema gibt es nur ein sphärisches Geschwebe, das sich bisweilen abwechselt und eben verschieden instrumentiert wird.
In vielen Situationen passt die Melodie aber schlicht und ergreifend nicht zum Film und wirkt störender, als beispielsweise ein unterschwellig kraftvoller Score, wie ihn James Newton Howard (The Sixth Sense [1999]) für seine ruhigen Dramen schrieb.
Hier hätte Clint Eastwood entweder Lennie Niehaus die komplette musikalische Gestaltung überlassen sollen, oder aber einen anderen Komponisten benennen – mit seinem eigenen Score hat er den Film in vielen Stellen unnötig seiner möglichen Kraft beraubt.

Wirklich sehr gut gelungen ist die deutsche Synchronisation, die sich in Bezug auf die Dialoge hervorragend in das Filmthema einpasst und mit erstklassigen Sprechern aufwarten kann, die die meisten Stars des Films schon seit Jahren sprechen.
Sean Penn wird dabei erneut von dem unglaublich vielseitigen und eindrucksvollen Tobias Meister synchronisiert, der keine Wünsche offen lässt und sowohl in den ersten, als auch in den emotionalen Szenen perfekt das Gefühlsleben von Jimmy zum Ausdruck bringt.
Vor ein Problem stellte das natürlich das Synchronstudio, denn Meister ist ansich ebenfalls die gewohnte Stimme von Tim Robbins – zwar musste man deshalb für ihn auf Stefan Fredrich ausweichen, der seine Sache aber in den ruhigen Szenen gleichermaßen gut macht, wie bei den eindringlichen Bekenntnissen.
Weswegen Thomas Vogt als Stimme von Laurence Fishburne hier deutlich besser passt, als in der Matrix [1999]-Trilogie, ist eine wirklich gute Frage, aber zweifellos der Fall, auch wenn er von Laurence' eigener Stimmlage weit entfernt ist.
Udo Schenk lieh erneut Kevin Bacon seine Stimme und er leistet einmal mehr sehr gute Arbeit.
Insgesamt kann man dem Synchronstudio samt den Sprechern gratulieren, sie haben ein überzeugendes Ergebnis abgeliefert, dank dem man Mystic River nicht nur im Original, sondern genauso im Deutschen genießen kann.

Gedreht wurde der Film zum größten Teil an Originalschauplätzen im amerikanischen Massachusetts; einem offenen Casting-Aufruf waren dort am 14. September 2002 über 2.000 Menschen gefolgt, die meisten von ihnen haben Statistenrollen im Film bekommen.
Trotz seiner vielen Stars und den Außenaufnahmen war Mystic River ein relativ günstiger Film, und er spielte über das Fünffache seiner Produktionskosten in Höhe von 25 Millionen Dollar wieder ein. Bedenkt man, dass der Film zu Spitzenzeiten nur in halb so viel Sälen lief, wie ein durchschnittlicher Hollywood-Film, ist das eine beachtliche Leistung.

Und doch wird man abschließend das Gefühl nicht los, dass aus Clint Eastwoods Thriller und seiner Thematik mehr herauszuholen gewesen wäre. Zwar ist das Drama packend umgesetzt, der Krimi dagegen, dessen Lösung in weiten Teilen des Films vor sich hinplätschert, wird leider vernachlässigt.
Das mag von Autor und Regisseur vielleicht so beabsichtigt sein, tröstet aber nicht über die mangelnde Zugkraft hinweg. So wirkt der Film zwar nie langweilig, lässt aber trotz dramatischer Ereignisse letztendlich Spannung vermissen. Was diesen Ausflug in die Zerbrechlichkeit der menschlichen Seele dennoch sehenswert macht, sind die unumstößlichen Darstellerleistungen, die wahrlich ihres Gleichen suchen.


Fazit:
Unter Kritikern und Zuschauern genießt Mystic River einen ausgezeichneten Ruf, und das großteils zurecht.
Doch während das Drama zwei ehemalige Freunde portraitiert, von denen einer in der Kindheit und einer im Erwachsenenalter gebrochen wird, bleiben viele der Nebencharaktere leider unausgeschöpft. Die Haupt-Charakterisierungen des Drehbuchs sind erstklassig und machen die Handlungen der Figuren nachvollziehbar; wer aber auf einen spannenden Krimi hofft, wird mehr oder weniger enttäuscht, denn dafür kommt die Spannung zu kurz.
Sehenswert ist Clint Eastwoods 25. Regiearbeit hauptsächlich durch die melancholische und herausragende Fotografie und die erstklassigen Darstellerleistungen, allen voran Sean Penn und Tim Robbins, die hier so gut wie selten zuvor spielen.