Harry Potter und die Kammer des Schreckens [2002]

Wertung: 4 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 18. November 2002
Genre: Fantasy

Originaltitel: Harry Potter and the Chamber of Secrets
Laufzeit: 160 min. (USA) / 158 min. (Deutschland)
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2002
FSK-Freigabe: ab 6 Jahren

Regie: Chris Columbus
Musik: William Ross (zusätzliche neue Musik), John Williams (Themen und neue Musik)
Darsteller: Daniel Radcliffe, Emma Watson, Rupert Grint, Richard Harris, Maggie Smith, Kenneth Branagh, Robbie Coltrane


Kurzinhalt:
Die Sommerferien neigen sich dem Ende zu und damit auch die Qualen für Harry Potter (Daniel Radcliffe), der bei seinen Verwandten, den Dursleys, hausen muss. Dort wird er von Dobby (Toby Jones), dem Hauselfen besucht, der Harry dazu bringen möchte, nicht nach Hogwarts, der Schule für Hexerei und Zauberei, zurückzukehren, da er dort in großer Gefahr sei.
Als Harry wenig später tatsächlich gegen den Rat Dobbys nach Hogwarts kommt, hört er seltsame Stimmen und immer wieder werden Schüler wie versteinert vorgefunden. Harry und seine Freunde Ron (Rupert Grint) und Hermine (Emma Watson) glauben, dass all das etwas mit der Kammer des Schreckens zu tun hat. Dabei geraten sie in ein Abenteuer, das noch gefährlicher und größer ist, als bei Harrys erstem Jahr an der Schule.


Kritik:
Regisseur Chris Columbus, der auch schon Teil 1 der Harry Potter-Saga inszenierte, versprach bei Teil 2, alles besser zu machen. Er sollte actionreicher, besser, düsterer und erwachsener sein – hinsichtlich letzterem machte ihm der deutsche Verleih Warner Bros. einen Strich durch die Rechnung. Um unter allen Umständen eine FSK-Freigabe "Ab 6 Jahren" durchsetzen, wurden für das deutsche Publikum knapp drei Minuten Film herausgeschnitten.
Davon ist leider auch die englische Original-Fassung betroffen, die in einigen deutschen Kinos zu sehen ist und die dieser Kritik zugrunde liegt. Szenen mit der Peitschenden Weide und der Riesenspinne Aragog mussten dafür gehen.
Kindgerecht ist der Film schon auf Grund seiner Länge und der düsteren Atmosphäre zwar dennoch nicht, aber die FSK ließ sich so wenigstens zu einer Freigabe ab 6 Jahren bewegen. Über den Sinn oder Unsinn einer solchen Art von Zensur und der Bevormundung von Erwachsenen möge sich der Leser selbst ein eigenes Urteil bilden.

Für mich ist Harry Potter und die Kammer des Schreckens das schwächste der vier bisher veröffentlichten Bücher von J.K. Rowling. Dies liegt zum einen an der episodenhaften Erzählweise, den unglaubwürdigen Charakteren und der Lust- und Ideenlosigkeit, mit der die Autorin offensichtlich am Werke war. Was in Teil 1 noch interessant, charmant und neu war, wird in Teil 2 potentiert und kopiert. Es wird mehr gezaubert, vor allem unnütz, die Story hört sich an wie eine abgewandelte Nacherzählung des ersten Teils (erneut liegt etwas in einer geheimen Kammer innerhalb der Gemäuer von Hogwarts verborgen, bei der es am Schluss zum großen Finale kommt, und beim Quidditch-Match ist erneut ein Gegenstand verzaubert – letztes Mal Harrys Besen, dieses Mal der Klatscher, um nur ein paar Beispiele zu nennen) und überflüssige Nebenhandlungen vermiesten mir damals den Lesespaß.

Und genau die gleichen Mängel sah ich in der eigentlich recht werkgetreuen Verfilmung erneut, was verständlicherweise nicht unbedingt die Schuld des Regisseurs ist, der ja der Vorlage gerecht werden wollte. Zwar wurde schon auf Grund des Umfanges vieles vom Buch herausgelassen – so taucht der Charakter von Madam Hooch überhaupt nicht auf – aber die Szenen, die zu sehen sind, stimmen beinahe identisch mit der Vorlage überein. Und alle damit verbundenen Ungereimtheiten ebenfalls.
Die Geschichte beginnt am Ende der Sommerferien, die Harry erneut bei den Dursleys verbringen muss – obwohl das keiner der Beteiligten eigentlich möchte. Da ihn seine Zieheltern jedoch sehr schlecht behandeln, wird er von seinem Freund Ron und dessen Brüdern in einem fliegenden Auto abgeholt und verbringt den Rest der Ferien bei den Weasleys. Als er zurück in Hogwarts seltsame Stimmen hört, die ständig "Töte" murmeln, erzählt er davon aber nur seinen Freunden Hermine und Ron – dass er den größten lebenden Zauberer, Albus Dumbledore (dargestellt von dem Ende Oktober 2002 verstorbenen Richard Harris), Leiter von Hogwarts, darüber informieren könnte, kommt ihm allerdings nicht in den Sinn. Spätestens, als immer mehr Schüler versteinert werden, hätte der unerfahrene Potter sich an einen Erwachsenen wenden müssen. Diese "wir machen alles auf eigenen Faust"-Einstellung habe ich im Buch schon nicht verstanden, zumal Harry und seine Freunden immer so handeln, im Film wirkt all das noch unglaubwürdiger. Auch, dass die Schule nach den ersten versteinerten Schülern noch nicht geschlossen wird, da Hogwarts offensichtlich nicht mehr sicher ist, verstehe ich nicht. Wie viele Kinder würde ein Lehrer freiwillig einer solchen Gefahr aussetzen? Vor allem ist die Motivation der Entscheidungen von Harry und Dumbledore völlig unverständlich. Ebenfalls auffällig ist, dass sich vor allem die Charaktere der Kinder in keiner Situation seit Teil 1 weiterentwickelt haben. Doch auch das ist bereits eine Schwäche der Vorlage.
Als wäre das nicht genug, wurde auch noch der Charakter der Maulenden Myrte identisch in den Film übernommen. Nicht nur, dass ihr Charakter völlig hanebüchen und unglaubwürdig wirkt, die Darstellerin im Film spielt gerade in den heulenden Szenen auch noch wirklich schlecht.

Das kann man vom großen Rest der Beteiligten glücklicherweise nicht behaupten: Daniel Radcliffe als Harry Potter hat sich seit dem ersten Teil darstellerisch sichtlich weiterentwickelt und spielt in fast allen Szenen sehr überzeugend. Zusammen mit seiner Kollegin Emma Watson als Hermine zählt er zu den Highlights des Filmes. Auch sie spielt natürlicher, reifer und überzeugender als in Teil 1 und enttäuscht in keiner ihrer Szenen. Allerdings sieht es bei dem Darsteller von Ron Weasley, Rupert Grint, dem dritten der Freundestruppe, leider anders aus: in seinen besten Szenen spielt er unbedeutend, im Großteil des Films, vor allem ab der Mitte bis zum Schluss fand ich seine Darstellung schlecht bis erbärmlich. Das bei Kindern und Jugendlichen ansich seltene übertriebene Schauspielern ist bei ihm nicht nur offensichtlich, sondern sogar wirklich auffällig. Entweder muß er bis zu den Dreharbeiten von Teil 3 an seinen Fertigkeiten feilen, oder aber die Produzenten sollten die Rolle dringend neu besetzen.
Neu hinzugekommen ist in diesem Teil Kenneth Branagh als der arrogante neue Lehrer Gilderoy Lockhart, und auch Jason Isaacs als Lucius Malfoy. Beiden merkt man ihr Talent sichtlich an; gegen das gelernte Handwerk der Erwachsenen kommen die Kinderdarsteller nicht an. Besonders Isaacs als neu eingeführter Bösewicht hat mich überzeugt – schade nur, dass er für Teil 3 nicht zur Verfügung stehen wird, da er anderweitig verpflichtet ist. Branaghs Auftritt ist vorerst der letzte in den Harry Potter-Filmen, aber auch er spielt bis auf den Schluss wirklich gut. Nach seinem letzten Zauberspruch wirkt er allerdings zu überdreht und zu unglaubwürdig. Ursprünglich war Hugh Grant die Rolle des Gilderoy Lockhart angeboten worden, er lehnte jedoch ab.
Die anderen Darsteller Richard Harris, Maggie Smith, Robbie Coltrane und Alan Rickman spielen ihre Rollen aus Teil 1 zwar ebenfalls sehr gut, haben aber weniger zu tun. Kein Wunder, dass Rickman ankündigte, für weitere Teile nur noch zur Verfügung zu stehen, sollte seine Rolle mehr zum Zug kommen.

Handwerklich können vor allem die ruhigen Szenen überzeugen, Kamera und Schnitt sind besonders zu Beginn des Films mit interessanten Kameraeinstellungen gut gelungen. Gegen Ende des Films lässt dieser Innovationsdrang leider nach, allerdings unterlaufen den Beteiligten auch hier kein Patzer.
Enttäuschend fand ich die Musik von Harry Potter und die Kammer des Schreckens. Nicht nur, dass Altmeister John Williams nicht allein für die Musik zuständig war, als Zuschauer bekommt man großteils leicht abgewandelte Musik aus Der Stein der Weisen [2001] und anderen Williams-Scores (Jurassic Park – Vergessene Welt [1997], Star Wars) zu hören. Neue eingängige Melodien suchte ich vergebens. Mehr noch, innerhalb des Films wiederholt sich ein Thema am laufenden Band, Abwechslung gibt es nur zwischen den einzelnen Szenen. Man kann nicht behaupten, dass die präsentierte Musik schlecht wäre, es ist nur buchstäblich alles schon einmal dagewesen.

An den Spezialeffekten soll sich laut Regisseur Columbus am meisten getan haben – und das sieht man auch. Allerdings sind die meisten Effekte immer noch recht deutlich als solche zu erkennen.
Wie in Teil 1 ist auch hier der schlechteste Effekt das ohnehin überflüssige Quidditch-Match, bei dem die Figuren entweder aussehen, als wären sie vor einem Green-Screen abgefilmt, oder aber komplett am Computer erstellt worden. Beides kann nicht überzeugen.
Ebenfalls offensichtlich ist, dass die Effekte bei Nacht deutlich besser aussehen, als diejenigen am Tag. Zu erkennen ist das beispielsweise am fliegenden Auto der Weasleys. In der Nacht sieht man am Fliegen (im Gegensatz zur Landung) selbst keinen Computereffekt. Bei Tag hingegen sahen diese Szenen bedeutend schlechter aus als in Zurück in die Zukunft II [1989] – und obwohl jener Film immerhin schon mehr als 10 Jahre alt ist, gibt es darin die besten Effekte mit fliegenden Autos zu sehen, eben weil sie nicht ausschließlich am Computer erstellt wurden.
Bei Tag ebenfalls enttäuschend sind die Aufnahmen von Hogwarts, die schon vom Licht her viel zu künstlich aussehen, auch wenn die Macher das mit geschickten Kamerafahrten übertünchen wollten.
Gut gelungen ist die Schlange beim Finale des Films, die wirklich überzeugend aussah, und die größeren Spinnen rund um Aragog, der auch selbst gut gemacht war. Überrascht hat mich auch Dumbledores Phönix Fawkes, der als Computeranimation deutlich besser aussah, als als Puppe! Beim mechanischen Vogel störten vor allem die abgehackten Bewegungen und die künstlichen Augen.
Der beste Spezialeffekt ist den Machern ohne Zweifel mit dem Hauselfen Dobby gelungen, der vollständig am Computer entstand. Zwar sah man an der Oberfläche seiner Haut und einigen wenigen Bewegungen, dass er wohl aus Pixeln bestehen musste, aber von seinen Bewegungen her, dem Licht und Schattenwurf und der Interaktion mit seiner Umgebung, sah Dobby nicht nur sehr beeindruckend, sondern auch sehr gut aus. Mir hat der computergenerierte Dobby um ein Vielfaches besser gefallen, als der CGI-Yoda aus Star Wars – Episode II [2002], zumal auch seine Mimik nicht so überdreht und abgehoben war, wie die des Jedi-Meisters.

Für Harry Potter-Darsteller Radcliffe, der nachdem sich die Schauspielergewerkschaft eingeschalten hatte, statt 125 Tausend immerhin 2 Millionen Englische  Pfund für seine Leistung in diesem Film bekam, ist Harry Potter und die Kammer des Schreckens das beste der vier bisher erschienen Bücher. Das kann ich für mich leider nicht bestätigen.
Was mich an der Vorlage gestört hat, gefällt mir auch am Film nicht. Von dem Neuartigen des ersten Teils, dem Charme der Zaubererwelt und Flair der Schule Hogwarts ist in Teil 2 nichts übrig geblieben. Effektlastig, actionreich, episodenhaft und inhaltsleer, so präsentiert sich mir der zweite Teil der Reihe.
Man kann jedoch niemand anders als J.K. Rowling einen Vorwurf machen, die mit ihrem Roman nicht überzeugen konnte. Auch wenn die Fans der Reihe diese Mängel im Buch nicht gesehen haben mochten, spätestens im Film werden sie offensichtlich.
Dabei haben die Beteiligten außer dem Drehbuchautor ansich nichts falsch gemacht. Hätte Steven Kloves, der nicht nur diesen Teil, sondern auch den ersten adaptiert hat und für die beiden weiteren Fortsetzungen verantwortlich sein wird, mehr Mut bewiesen und an der Ausgangsstory mehr geändert, wäre der Film nicht nur kürzer und straffer geworden, sondern auch deutlich besser.
Darüber hinaus fand ich Harry Potter und der Stein der Weisen auch noch deutlich unterhaltsamer und kurzweiliger, auch wenn Teil 2 nicht wirklich langweilig ist.


Fazit:
Das Schwächste an dem Film ist leider die Vorlage.
Die Beteiligten geben sich (bis auf wenige Ausnahmen) sichtlich Mühe. Der Produktionsaufwand schien zwar nicht so groß wie beim ersten Teil, aber immer noch groß genug und handwerklich gibt es eigentlicht nicht viel auszusetzen.
Nur das Drehbuch, basierend auf J.K. Rowlings Roman weist Storylöcher so groß wie Scheunentore auf, Charaktere, die sich völlig atpyisch verhalten und ein episodenhaftes Dahingeplätscher der Story. Alle Schwächen des Buches finden sich hier ebenso wieder wie einige seiner Stärken.
Fans dürfte das allerdings nicht stören.