Der Zauberer von Oz [1939]

Wertung: 4 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 19. Februar 2009
Genre: Fantasy / Musik / Komödie

Originaltitel: The Wizard of Oz
Laufzeit: 98 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 1939
FSK-Freigabe: ohne Altersbeschränkung

Regie: Victor Fleming
Musik: Herbert Stothart
Darsteller: Judy Garland, Frank Morgan, Ray Bolger, Bert Lahr, Jack Haley, Billie Burke, Margaret Hamilton, Charley Grapewin, Pat Walshe, Clara Blandick, Terry, The Singer Midgets


Kurzinhalt:
Als ihr Hund Toto (Terry) von der bösen Nachbarin Mrs. Gulch (Margaret Hamilton) mitgenommen werden soll, flieht die junge Dorothy Gale (Judy Garland) samt Hund von der Farm ihres Onkels. Unterwegs begegnet sie einem Wahrsager (Frank Morgan), der ihr prophezeit, dass ihre Tante und ihr Onkel sie so sehr vermissen, dass sie davon krank würden. Auf dem Weg zurück, fegt ein Tornado über die Farm und Dorothy wird allein samt dem Haus in die Luft geschleudert.
Als sie wieder aufwacht, ist sie in einem fremden, kunterbunten Land, deren Bewohner ihr dankbar sind, denn ihr herunterfallendes Haus hat eine böse Hexe getötet. Doch deren Verbündete (Margaret Hamilton) schwört Rache. Um wieder nach Hause zu kommen, muss Dorothy den Zauberer von Oz (Frank Morgan) aufsuchen, nur er kann ihr helfen. Unterwegs trifft sie auf die Vogelscheuche (Ray Bolger), die gerne Verstand hätte, den Zinnmann (Jack Haley), der gerne ein Herz hätte und den feigen Löwen (Bert Lahr), der sich nach Mut sehnt.
Das ungleiche Quartett muss noch einige Abenteuer bestehen, ehe Dorothy nach Hause kann, doch die Hexe schmiedet ihre Pläne, wie sie mehrere Fliegen mit einer Klappe schlagen kann ...


Kritik:
So erfolgreich das Kinderbuch Der Zauberer von Oz auch war, als es 1900 in den USA erschien, ehe eine deutschsprachige Übersetzung veröffentlicht wurde, sollten noch 40 Jahre vergehen. Erst nachdem die vielleicht bekannteste Verfilmung mit Judy Garland in der Titelrolle erschienen war (die Zuseher in Deutschland wieder erst viele Jahre später zu sehen bekamen), wurde in der Schweiz eine Übersetzung des Buches angeboten. Doch während der Roman in seiner Akzeptanz der Öffentlichkeit eine Wandlung vollzog, zuerst hochgeschätzt, dann jahrelang verachtet und in vielen Bibliotheken gar nicht erhältlich war, ehe er zum Kultbuch erhoben wurde, waren sich Zuschauer und Kritiker bei der Verfilmung Der Zauberer von Oz von Anfang an sehr einig. Mit einem hohen Produktionsaufwand, kunterbunten Bonbonfarben in Technicolor und eingängigen Musikstücken dauerte es von der ersten Planung bis zur Veröffentlichung immerhin sechs Jahre, ehe es 14 Drehbuchautoren und fünf Regisseure fertig brachten, L. Frank Baums Kinderbuch auf diese Art und Weise auf die Leinwand zu bringen.
Herausgekommen ist eine nicht mehr wegzudenkender amerikanische Unterhaltungsikone, die auch nach siebzig Jahren immer noch oft gesehen wird, in allerlei Ausführungen wie Büchern, Musicals, Hörbüchern und Filmen, TV-Serien und anderen Medien zitiert, nachgeahmt und neu erzählt wird.

Die Geschichte selbst ist dabei nicht nur schnell erzählt, sondern außerdem so luftig und löchrig, dass man als Zuseher gar nicht in die Versuchung kommt, sich Gedanken dazu zu machen. Auch was sie in dem seltsamen Land soll, in das sie vom Tornado gebracht wird, bleibt ein Geheimnis der Filmemacher. Ihre Aufgabe, nämlich den Zauberer von Oz ausfindig zu machen, ist dabei ebenso schwammig formuliert, wie die des Zauberers später, sie solle den Besen der Hexe stehlen.
Vielleicht wäre die Story tiefgehender gewesen, hätte Regisseur Victor Fleming die ursprünglich fertig gestellte, zwei Stunden lange Fassung veröffentlichen dürfen. Doch da Kinofilme damals höchstens 100 Minuten dauern sollten, musste er zwanzig Minuten entfernen.
Die Geschichte ist es jedoch nicht, was die Zuschauer an Der Zauberer von Oz seit Generationen fasziniert. Der Film selbst wirkt wie eine zuckersüße, amerikanische Variante von Alice im Wunderland [1865], die jedoch erst durch die Bilder einen eigenständigen Charakter gewinnt.

Ist die Rahmenhandlung noch in Schwarz-/Weiß-Optik gehalten, die allerdings in Sepia gewandelt wurde, präsentiert sich Dorothys Besuch im Märchenland in knallbunten Farben, bei denen insbesondere Liebhabern von Technicolor die Augen aufgehen werden.
Dass es die Macher dabei regelrecht genießen, in den Farbtopf zu greifen, sieht man dem Film auch an, der mit gegensätzlicheren Farben kaum ausgestattet sein könnte. Diese helfen auch, die aufwändigen Studiobauten gut zu kaschieren und selbst die Trickeffekte mit Rückprojektionen und Vergrößerungen/Verkleinerungen entsprechend realistisch zu gestalten. Man sollte bedenken, dass erst sechs Jahre zuvor der bahnbrechende King Kong und die weiße Frau [1933] neue Maßstäbe in diesem Bereich der Filmemacherei gesetzt hatte. Einen Oscar gab es für die Spezialeffekte bei Der Zauberer von Oz allerdings nicht, sondern lediglich eine Nominierung. Weitere Goldstatuen konnte der bei seiner Uraufführung nicht wirklich erfolgreiche Kinderfilm allerdings mit nach Hause nehmen.
Nach einer ungewöhnlich langen Drehzeit von fünf Monaten und Rekordkosten von immerhin 2,7 Millionen Dollar nahm der Film bei der ersten Veröffentlichung gerade einmal drei Millionen wieder ein. Erst durch Wiederaufführungen konnte er seine Kosten zur genüge wieder decken.

Namhafte Darsteller wie Judy Garland, Frank Morgan oder Ray Bolger sind heute ebenso mit dieser Verfilmung verbunden wie Bert Lahr, Jack Haley oder Margaret Hamilton. Sie alle machen ihre Sache gut, auch wenn sie wie in Kinderfilmen üblich mehr herumzappeln wie mimisch zu Werke gehen.
Unverwechselbar ist der von Judy Garland gesungene und von Harold Arlen komponierte Song "Over the Rainbow" als Teil der modernen Popkultur immer noch präsent. Dies verdeutlicht vielleicht am ehesten, welchen Einfluss Der Zauberer von Oz hatte. Ob man sich von der Verfilmung des Kinderbuches selbst angesprochen fühlt, ist erst hier nebensächlich. The Wizard of Oz gehört nicht zuletzt dank dieser Verfilmung zur heutigen Unterhaltungskultur. Dass Kinder sich von der Optik eher beeindrucken lassen, um den eigentlich dürftigen Inhalt zu übersehen, sei ihnen nicht zum Vorwurf gemacht. Vielleicht sollte man als Erwachsener vielmehr versuchen, sich eben darauf einzulassen. Dann erinnert die Romanverfilmung zumindest an eine unbeschwertere Zeit, zumal im August 1939, als der Film veröffentlicht wurde, für viele noch nicht absehbar war, in welches Chaos und welche Verwüstung die Welt in den kommenden sechs Jahren gestürzt werden würde.
Vielleicht haben wir aus heutiger Sicht auch nur die Fähigkeit verloren, uns von einer eben solchen Welt gefangen nehmen zu lassen. Man sollte es gelegentlich einfach wieder einmal versuchen.


Fazit:
Am Kultstatus von Der Zauberer von Oz zu rütteln würden viele als frevlerischen Akt bezeichnen. Die Verfilmung überzeugt auch heute noch mit einfallsreichen Trickeffekten, einer innovativen Farbgebung und aufwändigen Bauten und Kostümen. Die Geschichte allerdings, deren Aussagekraft sich auf ein paar wenige Weisheiten beschränkt, plätschert dennoch vor sich hin und versucht eher durch Schaueffekte zu überzeugen, als mit einer richtigen Handlung.
Das mag zwar für die jüngsten Zuschauer durchaus unterhaltsam und durch die Gesangseinlagen animierend sein, ein älteres Publikum wird aber befürchten müssen, einem Zuckerschock zu erliegen.
Insofern sollte man den Zauberer von Oz sicherlich einmal gesehen haben, doch abgesehen vom nostalgischen Wert reizt aus heutiger Sicht nicht mehr viel an dem Kultkinderfilm.