Das Ding aus einer anderen Welt [1982]

Wertung: 6 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 2. Januar 2022
Genre: Horror / Science Fiction

Originaltitel: The Thing
Laufzeit: 109 min.
Produktionsland: USA / Kanada
Produktionsjahr: 1982
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren

Regie: John Carpenter
Musik: Ennio Morricone
Besetzung: Kurt Russell, Wilford Brimley, T.K. Carter, David Clennon, Keith David, Richard Dysart, Charles Hallahan, Peter Maloney, Richard Masur, Donald Moffat, Joel Polis, Thomas G. Waites


Kurzinhalt:

Im Winter des Jahres 1982 wird die zwölfköpfige Besatzung einer amerikanischen Forschungsstation in der Antarktis Zeuge, wie zwei Forscher einer norwegischen Station vollkommen von Sinnen mit Waffen und Sprengstoff Jagd auf einen Schlittenhund machen. Als dabei der Amerikaner Bennings (Peter Maloney) verletzt wird, greift Garry (Donald Moffat) ein und erschießt den Angreifer. Um herauszubekommen, was die Norweger zu der Tat bewogen hat, bringt Pilot MacReady (Kurt Russell) Dr. Cooper (Richard Dysart) zu deren Station, die bereits vollkommen verwüstet ist. Sie finden Überreste von menschenähnlichen Wesen, die sie zurück in ihre Station bringen. Dort sind Dr. Blair (Wilford Brimley), Childs (Keith David) und die anderen Wissenschaftler ratlos. Wie sich kurz darauf herausstellt, haben sie, was immer die norwegischen Wissenschaftler zu solch drastischen Maßnahmen hat greifen lassen, bereits in der eigenen Station. Es ist eine Bedrohung, die mit nichts vergleichbar ist, was auf der Welt existiert und die dafür sorgt, dass sie niemand anderem in der Station trauen können. Für diejenigen, die noch Menschen sind, steht aber fest, dass sie um jeden Preis verhindern müssen, dass dieses „Ding" überlebt …


Kritik:
Auch wenn seit einigen Jahren bereits eine zweite Verfilmung der Novelle Das Ding aus einer anderen Welt [1938] (im Original: Who Goes There?) von John W. Campbell in Entwicklung war, die sich im Gegensatz zur ersten aus dem Jahr 1951 stärker an der Vorlage orientieren sollte, konnten sich die Verantwortlichen nicht auf eine Herangehensweise einigen. Bis Alien - Das unheimliche Wesen aus einer fremden Welt [1979] das Science Fiction-Horror-Genre salonfähig machte. Doch der Erfolg blieb John Carpenters Das Ding aus einer anderen Welt verwehrt. Mit dem nihilistischen Ende, dem grafischen Horror auf dem Weg dorthin und der antiautoritären Stimmung der Geschichte wurden weder Kritikerinnen oder Kritiker, noch das Publikum warm, das sich für Science Fiction lieber E.T. - Der Außerirdische [1982] zuwandte und für Fantasy-Horror Kinotickets für Poltergeist [1982] löste. Alle drei Filme starteten in den USA innerhalb von drei Wochen in den Lichtspielhäusern. Was für ein Kinosommer. So hatte Carpenter das Nachsehen und Das Ding aus einer anderen Welt wäre beinahe in der Versenkung verschwunden, hätten die Heimvideoveröffentlichung und die TV-Ausstrahlung den Horrorfilm nicht einem breiteren Publikum zugänglich gemacht. Knapp 15 Jahre später wurde The Thing, so der prägnante Originaltitel, bereits als Klassiker des Genres bezeichnet und blickt man knapp 40 Jahre nach Veröffentlichung darauf zurück, kann man vielleicht gerade auf Grund der zahlreichen Einflüsse des Films auf Film- und Fernsehproduktionen besser wertschätzen, was Filmemacher John Carpenter und den Beteiligten mit Das Ding aus einer anderen Welt gelungen ist: Einer der besten, beängstigendsten und teilweise abstoßendsten Horrorklassiker überhaupt, der in seiner Wirkung unerreicht ist und der inzwischen ein recht gelungenes Prequel in Form von The Thing [2011] und eine Videospielfortsetzung mit dem Titel Das Ding [2002] erhielt.

Die Geschichte spielt an einem der entlegensten Orte der Welt, einer amerikanischen Forschungsstation in der Antarktis im Winter 1982. Die dortige Besatzung, die auf Grund der orkanartigen, eisigen Stürme nur sporadisch Funkkontakt mit der Außenwelt hat, beobachtet, wie der Helikopter einer norwegischen Station einem Schlittenhund hinterherjagt, um ihn zu erschießen. Wenig später sind die beiden Norweger tot und ihr Helikopter zerstört – der Hund hat überlebt. Auf der Suche nach Antworten für das sonderbare Verhalten, fliegt der Pilot MacReady zusammen mit Dr. Cooper zur nahegelegenen, norwegischen Forschungsstation. Was sie vorfinden, gleicht einem Trümmerfeld. Auch finden sie entstellte Leichen, von denen sie eine in ihre Station mitnehmen, um sie näher zu untersuchen. Dort ist, wie sich bald herausstellt, derselbe Horror angekommen, der bereits die norwegische Station heimgesucht hat. Nicht nur, dass die Besatzung kaum versteht, womit sie es zu tun hat, schlimmer ist, dass sie einander nicht mehr trauen können.

Was in der Station genau geschieht, sollte ein geneigtes Publikum idealerweise selbst herausfinden, ebenso, was die Hintergründe der Ereignisse sind, wobei sich Manches bereits aus der Szene vor der dem Filmtitel schließen lässt. Sieht man sich an, wie Filmemacher John Carpenter seine Geschichte erzählt, ist umso erstaunlicher, weswegen dies so vielen Filmschaffenden heute nicht mehr gelingt. Beispielsweise bei der Vorstellung der Figuren, allen voran dem von Kurt Russell gespielten Piloten MacReady. Anstatt eine andere Figur erzählen zu lassen, was ihn auszeichnet, stellt Das Ding aus einer anderen Welt ihn als raubeinigen Einzelgänger vor, der einen Schachcomputer „bestraft“, wenn er gegen ihn verliert. Gleichzeitig wird er von seinen Kollegen aber offenbar geschätzt und um Rat gefragt und ist wenig später der einzige, der reagiert, wenn die Situation außer Kontrolle gerät. Er ist ein natürlicher Anführer, obwohl er selbst nicht oben in der Rangordnung der Station steht. Auch die anderen Charaktere definieren sich über ihre Handlungen, anstatt darüber, was über sie erzählt wird. Zu sehen, wie dieses Dutzend Männer, die an einem der unnachgiebigsten Orte des Planeten seit Monaten eingesetzt sind, vor Furcht erstarren angesichts dessen, was sie sich gegenübersehen, anstatt sich mit lockeren Sprüchen in Szene setzen zu wollen, macht dem Publikum unmissverständlich deutlich, wie bedrohlich die Situation offenbar ist.

Dabei hilft es, dass die Trickeffekte der Kreaturen, die Rob Bottin und sein Team hier zeigen, einem Alptraum entsprungen sein könnten und so greifbar sind, als könnte man sie anfassen. Tatsächlich werden sie von den Beteiligten sogar in die Hand genommen und studiert. Anstatt Monster aus Bits und Bytes zu präsentieren, besitzt der Horror in Das Ding aus einer anderen Welt schon deshalb eine haptische Ebene, weil die Kreaturen tatsächlich echt sind. Dies führt zu einigen der ekelhaftesten Einstellungen, die in dem Genre bis dahin zu sehen waren, die aber auf Grund ihres Designs, der Verbindung von Bekanntem und Fremdartigem, auch auf eine gewisse Weise faszinieren. So findet sich das Publikum in derselben Situation wie die Figuren wieder, die sich nicht nur in einer Situation wiederfinden, die sie nicht verstehen, sondern die nicht wissen, ob die Person, der sie sich gegenübersehen, auch diejenige ist, die sie vorgibt zu sein. Das Misstrauen der Personen untereinander ist beinahe mit Händen zu greifen.

Es sind diese Elemente, die Das Ding aus einer anderen Welt damals wie heute auszeichnen und die ebenso funktionieren wie vor 40 Jahren. Selbst wenn manch eine Aufnahme der Trickeffekte nicht ganz überzeugen kann oder wenige Einstellungen als (dennoch eindrucksvolles und mit bewegenden Schatten versehenes) Matte Painting erkennbar sind, der Horror selbst kriecht buchstäblich unter die Haut und setzt auf einer psychologischen Ebene an, der man sich nicht entziehen kann.
Nach ihrer ersten gemeinsamen Zusammenarbeit bei Halloween – Die Nacht des Grauens [1978] beweisen Carpenter und Kameramann Dean Cundey bei ihrem ersten großen Studiofilm nicht nur erneut ein Talent für fantastische Bilder, sondern auch ein Gespür dafür, die weitreichenden und stimmungsvollen Sets der Forschungsstation herausragend in Szene zu setzen. Mit einer ebenso natürlichen wie atmosphärischen Ausleuchtung gelingen ihnen Aufnahmen, die nicht nur die Stimmung des Films prägen, sondern in deren Standbilder man sich heute noch verlieren könnte. Von dieser akribischen Herangehensweise profitieren gerade auch die Kreatur-Effekte, die in Anbetracht der ohnehin stark gestiegenen Kosten nicht in dem Umfang umgesetzt werden konnten, wie geplant. Man mag sich kaum vorstellen, was möglich gewesen wäre, hätte das Studio den Verantwortlichen hier mehr zugestanden.


Fazit:
Sieht man den Atem der Figuren selbst in der Station kondensieren, kann man die Kälte, die sie von draußen in Form des Dings hineingetragen haben, förmlich spüren. Filmemacher John Carpenter erzählt einen Body-Horror, dessen psychische Auswirkungen zusammen mit einer um sich greifenden Paranoia genauso in Erinnerung bleiben, wie die herausragenden Trickeffekte, an denen Meister des Fachs wie Rob Bottin und Stan Winston beteiligt waren. Gleichzeitig beunruhigen Details wie das ruhige, gefasste Verhalten des fremden Schlittenhundes oder das Ende, das dem Publikum eine einfache Antwort vorenthält. Exzellent in authentischen Sets mit gerade im letzten Drittel irrsinnig vielen Details bebildert und mit einem pulsierenden Soundtrack von Ennio Morricone versehen, offenbart die Geschichte mehrere Ebenen. Zuzusehen, wie sich die Motivation der Besatzung der Forschungsstation umdreht, die zuerst an ihr eigenes Überleben denkt und später alles daran setzt, das Ding aufzuhalten, während genau die Figur, die als erste das Überleben der Spezies über ihr eigenes stellt, am Ende für etwas anderes steht, ist packend. Das Ding aus einer anderen Welt ist ein Klassiker und ein Meilenstein des Genres, der sich trotz der reduzierten FSK-Freigabe eindeutig an ein erwachsenes Publikum richtet.