Und vergib uns unsere Schuld [2005]

Wertung: 2 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 03. April 2006
Genre: Krimi

Originaltitel: The Inspector Lynley Mysteries: In Divine Proportion
Laufzeit: 88 min.
Produktionsland: Großbritannien
Produktionsjahr: 2005
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren

Regie: Brian Stirner
Musik: Debbie Wiseman, Robert Lockhart
Darsteller: Nathaniel Parker, Sharon Small, Richard Armitage, Sylvestra Le Touzel, Eve Best, Simon Wilson, Jimmy Yuill, Burn Gorman, Roderick Smith


Kurzinhalt:
Die traumatischen Ereignisse der letzten Zeit haben Inspector Thomas Lynley (Nathaniel Parker) und seine Kollegin Barbara Havers (Sharon Small) nicht nur geprägt, sondern auch etwas entfremdet. Auch ihre eingespielte Art und Weise, an neue Ermittlungen heran zu gehen, hat darunter gelitten, und so kommen die Nachforschungen bezüglich einer erschossenen Frau im englischen Hinterland nicht so recht in Gang.
Aber je mehr Lynley und Havers graben, und mit je mehr Personen im Dorf sie sich über die getötete Bauherrin, die nach langer Zeit wieder hierher in ihr Heimatdorf zurück gekehrt war, unterhalten, umso mehr wird deutlich, dass das Opfer nicht nur vieles vor ihren Mitmenschen verbarg, sondern dass in der Vergangenheit des Dorfes ein schreckliches Geheimnis liegt, das zu schützen manche Menschen bereit sind, alles zu tun ...


Kritik:
Litten die einzelnen Krimis der Inspector Lynley Mysteries-Reihe zu Beginn meistens unter dem wenig charmanten Zweigespann an der Spitze, besitzen jene Figuren inzwischen genügend Charisma, um einen Fall auch durchgehend tragen zu können – würden die Autoren denn den Mut finden, sie auch richtig weiterzuentwickeln.
Doch während sich das Verhältnis zwischen Barbara Havers und Thomas Lynley in den letzten Jahren gebessert hat, sieht es mit den Kriminalfällen selbst leider genau umgedreht aus. Aus anfangs routinierten Krimis sind leidlich unterhaltsame, stets vorhersehbare und stellenweise arg konstruierte Ermittlungen geworden, die auch zum Staffelauftakt Und vergib uns unsere Schuld ein seit zwei Jahren gehegtes Gefühl bezüglich dieser an sich doch sehr erfolgreichen Krimireihe bestätigen, nämlich dass aus dem in den ersten Fällen absehbaren Potential nicht nur nichts gemacht wurde, es wurde nicht einmal beibehalten.

Die größten Fehler begeht bezogen auf diesen Fall das Drehbuch aus der Feder von Julian Simpson, der wohl auf behutsame Weise die losen Enden des letzten Staffelfinales hier aufzufangen versucht. Aber statt die Gelegenheit dazu zu nutzen, die Figuren wirklich voranzubringen, misslingt ihm jenes Unterfangen in einer beinahe schon bemerkenswerten Art und Weise. Die distanzierte Umgehensweise zwischen Havers und Lynley macht nicht den Eindruck, als wollten sie sich gegenseitig schützen, sondern als wollte der Autor verkrampft den Status Quo wahren.
Die Geschichte selbst ist so belang- wie einfallslos, wartet mit eben jenen Prototypen auf, die man in dieser Situation erwarten würde und lässt sich beinahe szenengenau vorhersagen. Dies trifft allerdings nicht auf die Dialoge zu, die derart hölzern geraten sind, dass man meinen könnte, sie wären Wort für Wort aus einer literarischen Vorlage entliehen und dementsprechend ungelenk, um sie von lebenden Menschen vortragen zu lassen. Viel ärgerlicher ist allerdings, dass die einfältigen psychologischen Aspekte der Story vor den Dialogen nicht halt machen. Das geht mitunter sogar so weit, dass man die aus einem Dutzend Fälle bekannten Figuren stellenweise gar nicht wieder erkennt. So unterhalten sich Havers und Lynley mit dem Ehemann des Opfers in einer Art und Weise, dass diesem eigentlich die Zornesröte ins Gesicht steigen müsste und lassen sich gleichzeitig von einem Tatverdächtigen auf der Nase herum tanzen. Die Verhaltensmuster der Figuren wirken völlig atypisch und nicht nachvollziehbar, was den Krimi zusätzlich an Unterhaltungswert kostet. Nimmt man dann noch die ohnehin leidlich spannende und durchweg absehbare Grundstory hinzu, die letztlich fehlenden Charaktermomente und die im Schneckentempo voran schreitende Ermittlung, ergibt das ein Grundgerüst, auf dem von vorne herein kein überragender Krimi hätte entstehen können. Dass die Beteiligten es aber nicht einmal versuchen, ist enttäuschend.

Am wenigsten zu bemängeln gibt es dabei noch bei den Darstellern, die zwar nicht in bester Spiellaune scheinen, aber immerhin überwiegend routiniert vor der Kamera umher wandeln.
So steht die Bräune Sharon Small gut zu Gesicht, gleichwohl sie nicht übermäßig motiviert agiert. Das mag einerseits daran liegen, dass sie das einfallslose Drehbuch durchschaut hat, aber auch daran, dass ihre Figur zugunsten von Gastakteuren unverständlicherweise zurückgestellt wird.
Nathaniel Parker hingegen wirkt nicht nur etwas aufgedunsen, sondern gänzlich ambitionslos. Weder Mimik noch Gestik wirken erfrischend, was einst als unterkühlte, aber doch freizügige adelige Haltung galt, verkommt hier zur Karikatur einer Figur, deren emotionales Gleichgewicht selbst in Ansätzen nicht ausgelotet wird.
Davon abgesehen gibt es zwar ordentliche Gäste vor der Kamera zu sehen, die aber alle keine nennenswerten Leistungen darbringen, oder aber schlichtweg zu wenig zu tun bekommen, als dass sie dazu überhaupt motiviert würden.

Dass Regisseur Brian Stirner seinem Einstand bei den Lynley Mysteries auch einen neuen Look verpasst, bemerken aufmerksame Zuschauer gleich zu Beginn; die schwülstigen Weichzeichner, die das Bild überstrahlt und unwirklich erscheinen lassen, mögen zu Beginn bei der Präposition des Krimis noch passen, doch bleibt dieses Aussehen dem gesamten Fall über bestehen, und erinnert damit eher an eine Rosamunde Pilcher-Verfilmung, denn an einen ernsthaften Krimi. Die knallig bunten Farben, der übersteigerte Kontrast und nicht zuletzt die stellenweise arg krude eingesetzte Handkamera, verstärken den durchweg künstlichen Eindruck noch.
Doch als wäre das nicht genug, misslingt es Stirner auch vollkommen, eine interessante Atmosphäre aufzubauen, oder seine Figuren gar in einen spannenden Fall zu verwickeln. Selbst beim Finale vermögen Kamera und Schnitt nicht über das Mindestmaß an Fernsehniveau hinaus zu wachsen, und enttäuschen ebenso durch ihre Einfallslosigkeit, wie durch den Mangel an dramaturgischem Feinschliff. So pendelt sich auch die handwerkliche Umsetzung im unteren Drittel des Durchschnitts ein, und befindet sich dabei mit anderen Elementen des TV-Films in guter Gesellschaft.

Bei der musikalischen Untermalung, die abgesehen von Robert Lockharts Lynley-Thema keinerlei Motive der älteren Episoden beinhaltet, geht die Komponistin Debbie Wiseman für einen Krimi sehr ungewöhnliche Wege. Dies aber nur insofern, als dass sie überhaupt keine Ambitionen zu haben scheint, dem Geschehen eine durchgängige Atmosphäre oder in gewissen Situationen gar Tempo zu verleihen. Stattdessen plätschert die Musik durchweg vor sich hin, versucht zwar beim Finale, Momentum aufzubauen, ohne dies aber in irgendeiner Form zum Abschluss zu bringen, sondern ebbt nach einer Steigerung belanglos wieder ab.
Die sülzige Musik scheint angesichts der malerisch-idyllischen Landschaft zwar nicht wirklich unpassend, würde in der Form einem romantisch-harmlosen TV-Film besser stehen, als einem vermeintlich psychologisch ausgefeilten Krimi.

Selbige Ansätze, auf die sich die Macher der Serie immerhin berufen, sucht man bei Und vergib uns unsere Schuld indes vergebens. Die charakterlichen Details wirken mit einem Hammer heraus gemeißelt und werden so plakativ in den haarsträubenden Dialogen umgesetzt, dass auch der letzte Zuschauer versteht, worauf der Autor hinaus möchte. Selbiges gilt auch für die Story selbst, deren Schlüsselerleuchtungen grundsätzlich mehrmals durchgekaut werden, bis jedem klar ist, wie es um die Ermittlungen bestellt ist. Anders ist es kaum zu erklären, dass Lynley und Havers alle fünf Minuten Resümee ziehen und ihre Fortschritte diskutieren, auch wenn sie dies wenige Momente zuvor im Haus bereits getan haben.
Hinzu kommt eine unterdurchschnittliche deutsche Synchronisation ("Ich bin also auch ein Ermittlungsweg?"), eine unerträglich langsame Inszenierung und überstrahlende Bilder, als würde es sich um den Traum einer englischen Populärautorin handeln. Das alles ist aber weder neuartig, noch einfallsreich, noch packend, sondern vielmehr eine Beleidigung für die Zuschauer und ein schwerer Schlag für diejenigen, die sich vor vier Jahren, zu Beginn der Inspector Lynley Mysteries, eine wirklich gute Krimireihe versprochen hatten – diese scheint sie bislang nicht werden zu wollen.


Fazit:
Nach einer enttäuschenden dritten Staffel, gerät auch der Auftakt zum vierten Jahr mit dem Ermittlerduo Havers und Lynley alles andere als berauschend. Längst vergessen scheinen die Zeiten, in denen das kabbelige Polizeigespann vor Potential nur so strotzte, und die Kluft zwischen Arbeiter und Aristokrat gekonnt aufgezeigt wurde. Doch diese Feinheiten werden in Und vergib uns unsere Schuld eindrucksvoll durch Schuljungenpsychologie, fade Figuren und einen Krimifall abgelöst, der so vorhersehbar gerät, wie die Farbe von Mineralwasser.
Die Idee des Autors Julian Simpson (der den letzten Fall dieser Staffel auch inszenieren wird), die Ermittlungen durch neue Figuren, wie eine Halb-Forensikerin aufzulockern, scheitern nicht zuletzt an den grob gehobelten Dialogen, die an eine literarische Grundlage erinnern, die der Fall ja nicht besitzt. Zu guter Letzt zieht die Rosamunde Pilcher-ähnliche Inszenierung das Geschehen unnötig durch den Kakao und schlägt damit den letzten Nagel in den Langeweile-Sarg des Zuschauers.
Selbst einer Teekanne beim Abkühlen zuzusehen, ist spannender.