Lawless - Die Gesetzlosen [2012]

Wertung: 4 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 17. März 2013
Genre: Drama

Originaltitel: Lawless
Laufzeit: 116 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2012
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren

Regie: John Hillcoat
Musik: Nick Cave, Warren Ellis
Darsteller: Shia LaBeouf, Tom Hardy, Jason Clarke, Guy Pearce, Jessica Chastain, Mia Wasikowska, Dane DeHaan, Chris McGarry, Tim Tolin, Gary Oldman, Lew Temple, Marcus Hester, Bill Camp, Alex Van, Noah Taylor


Kurzinhalt:
Die Ladenfront der Tankstelle soll notdürftigst verheimlichen, was die Brüder Forrest (Tom Hardy), Howard (Jason Clarke) und Jack Bondurant (Shia LaBeouf) 1931 in Virginia eigentlich betreiben: Eine Schwarzbrennerei zur Hochzeit der Prohibition. Dafür nehmen sie die Hilfe von Cricket Pate (Dane DeHaan) in Anspruch, der für die Technik verantwortlich ist. Dem jüngsten Bruder Jack wird dabei der aktive Einstieg in das wenig zimperliche Geschäft von Forrest versagt. Eines Tages bietet Maggie Beauford (Jessica Chastain) an, in der Tankstelle auszuhelfen und auch wenn sie offen an Forrest interessiert ist, er scheint ihre Avancen zu ignorieren. Währenddessen verliebt sich Jack in die Tochter eines örtlichen Predigers, Bertha (Mia Wasikowska).
Mit der Hilfe von Special Deputy Charley Rakes (Guy Pearce) plant Commonwealth Attorney Wardell (Tim Tolin), an den illegalen Brennereien mitzuverdienen. Durch Rakes Einschüchterungen treten die meisten auch einen Teil ihres Profits an Wardell ab, doch Forrest Bondurant bleibt standhaft. Bis zuerst sein Bruder und dann er selbst Opfer eines Angriffs wird. Die offene Gewalt eskaliert, wobei die örtliche Polizei sich eher auf die Seite der Schwarzbrenner stellt, als auf Seite von Rakes und seinen Schergen ...


Kritik:
John Hillcoats Gangsterdrama Lawless - Die Gesetzlosen bietet alle Zutaten für einen Oscarkandidaten. Namhafte Darsteller in unsympathischen Rollen, eine glänzende Ausstattung und ein Thema, das so hart dargestellt wird, dass man es als realistisch einschätzen kann. Der Zusatz, dass die Geschehnisse auf Tatsachen basieren, hilft hier ebenso, auch wenn es schwer wird nachzuprüfen, ob dem tatsächlich so ist. Der zugrundeliegende Roman von Matt Bondurant erzählt die Erlebnisse von dessen Großvater nach – bekanntermaßen wird die Geschichte von denjenigen geschrieben, die überlebt haben. Der Wahrheitsgehalt ist somit skeptisch zu sehen, auch wenn das Portrait der Zeit der Prohibition an der amerikanischen Ostküste durchaus zutreffend sein mag.
Dennoch hat Lawless keine einzige Nominierung für einen Oscar erhalten, was angesichts der Darstellerleistungen selbst schon kaum nachvollziehbar ist. Womöglich hat es aber auch damit zu tun, dass es Regisseur Hillcoat zwar gelingt, seine Figuren undurchsichtig zu halten, vielschichtig sind sie allerdings selten. Zudem bezieht er keine klare Stellung dazu, dass was die Bondurant-Brüder tun letztlich gesetzeswidrig ist und bleibt. Die Werbezeile des Films deutet vielmehr die Richtung an, in die der Film einschlägt: "Wenn das Gesetz korrumpiert wird, werden die Gesetzlosen zu Helden".

Der Film setzt 1931 in Franklin County, Virginia an, als die Prohibition schon über 10 Jahre in Kraft und der hochprozentige Alkohol nur auf dem Schwarzmarkt verfügbar, dafür aber in Massen erhältlich war. Die drei Brüder Jack, Forrest und Howard Bondurant betreiben eine erfolgreiche Whiskey-Schwarzbrennerei und haben dabei – wie in jener Zeit oft üblich – die örtliche Polizei mit in der Tasche. Die Grenzen des Bundesstaats überschreiten sie mit ihren Lieferungen jedoch nicht. An den lukrativen Lieferungen will der Commonwealth Attorney ab sofort allerdings mitverdienen und schickt deshalb Special Deputy Charley Rakes (nie war Guy Pearce so unsympathisch) vor, um die ländlichen Schnapsbrenner zur Kooperation zu bewegen. Da Rakes das Gesetz repräsentiert, lassen die sich auf den Deal ein – bis auf Forrest Bondurant, der als Familienoberhaupt den Weg vorgibt.
Was folgt klingt spannender als es im Film letztlich umgesetzt ist, denn die Attacken auf die übrigen Brennerei-Betreiber, die sich Rakes widersetzen sind zwar grausam, aber bewegen einen als Zuseher wenig und wenn die Bondurants von Rakes ins Visier genommen werden, erkennt man, wie wenig Gutes sich in jener oft verklärten Zeit verborgen hat, doch die gesetzlosen und gewaltbereiten Bondurants haben sich freiwillig für ein solches Leben entschieden.

Die stärkste Figur in Lawless ist Maggie Beauford, die aus Chicago zu den Bondurants kommt und dort für die Bewirtung sorgt. Dank einer erstklassigen und nuancierten Darbietung der wandlungsfähigen Jessica Chastain bleiben ihre Momente in bleibender Erinnerung, auch wenn vieles von dem was sie sagt und was ihr widerfährt nicht ausgesprochen, sondern nur angedeutet wird. Die Besetzung glänzt mit erstklassigen Darstellern, die hier alle hervorragend in Szene gesetzt werden. Tom Hardy zeigt in der Ausnahmerolle, für die er zweifelsfrei eine Nominierung hätte erhalten sollen, was für ein Talent in ihm steckt und auch Shia LaBeouf löst sich überzeugend von seinem Blockbuster-Image. Guy Pearce und Mia Wasikowska veredeln den Cast ebenso wie Gary Oldman, der allerdings kaum zu sehen ist.
So gelungen die Darstellerriege, so hervorragend ist auch die Ausstattung des Dramas und auch die Bilder, die Regisseur John Hillcoat findet verdeutlichen, mit welcher Überlegung er die jeweilige Szene komponiert hat. Der einzige Kritikpunkt liegt im Skript, das einerseits keine wirkliche Dramaturgie über die beinahe zwei Stunden entwickelt und den Film damit länger erscheinen lässt als er ist, und andererseits keine klare Position zu den Figuren bezieht. Auch wenn die Gesetzlosen nicht glorifiziert werden, ein Leben außerhalb des Gesetzes mit Selbstjustiz als Leitfaden bietet hier zumindest die Möglichkeit, dass das eigene Leben der Stoff von Legenden wird. Schon diese Möglichkeit sollte nicht in Aussicht gestellt werden.

Lawless ist eine der wenigen Produktionen, die in der US-Fassung um Gewalt gekürzt ist, während die internationale Film-Version hier noch einige Sekunden mehr zeigt. Schon deshalb ist es verwunderlich, wie der Film hierzulande eine Freigabe ab 16 Jahren erhalten konnte, zumal die gezeigte Brutalität, auch wenn sie nicht zelebriert wird, sehr explizit umgesetzt wird. Dass sich das Drama vornehmlich an erwachsene Zuschauer richtet ist dabei schon an der Geschichte und der ruhigen Erzählweise zu sehen.


Fazit:
Für Schauspieler bieten die Rollen der Gangster oftmals einen größeren Anreiz, weil sie vielschichtiger sind. Die meisten Charaktere bei Lawless - Die Gesetzlosen bleiben allerdings erstaunlich flach. Dafür gibt es bis auf weniger als eine Handvoll Figuren keine, die mit dem Schicksal, das sie erwartet, nicht hätte rechnen müssen. Im Gegenteil, zu viele kommen – wenn man moralische Wertvorstellungen als Maßstab nimmt – ungeschoren davon. Dies mag dem geschichtlichen Hintergrund geschuldet sein, doch dann müsste Regisseur John Hillcoat zumindest klar abgrenzen, was richtig ist und was nicht. Doch nicht einmal die beiden unschuldigsten Figuren dürfen hierüber ein mahnendes, anklagendes Wort verlieren.
Die Umsetzung ist aufwändig und erstklassig und die ausnahmslos herausragenden Darsteller trösten und täuschen über vieles hinweg, doch nach den beinahe zwei Stunden, die stellenweise langgezogen erscheinen, weiß man nicht, ob man ein abschreckendes Gangsterportrait gesehen hat, oder eines, das die Legende der unbesiegbaren und "unsterblichen" Bondurants anerkennend darstellt. Eine solche Zweideutigkeit darf in einer Welt mit zu wenigen Leitfiguren nicht bestehen bleiben.