Last Boy Scout - Das Ziel ist Überleben [1991]

Wertung: 5.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 02. Dezember 2004
Genre: Action / Thriller

Originaltitel: The Last Boy Scout
Laufzeit: 101 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 1991
FSK-Freigabe: nicht unter 18 Jahren

Regie: Tony Scott
Musik: Michael Kamen
Darsteller: Bruce Willis, Damon Wayans, Chelsea Field, Noble Willingham, Taylor Negron, Danielle Harris, Halle Berry, Bruce McGill, Chelcie Ross, Joe Santos


Kurzinhalt:
Einst von seiner Familie – Ehefrau Sarah (Chelsea Field) und Tochter Darian (Danielle Harris) – und Kollegen geachtet, ist Joe Hallenbeck (Bruce Willis) inzwischen am unteren Ende der Nahrungskette angekommen und schlägt sich auch als Privatdetektiv eher schlecht als recht. Da überträgt ihm sein Freund Mike (Bruce McGill) den Auftrag, die Tänzerin Cory (Halle Berry) zu bewachen.
Doch wie Joe feststellen muss, steckt mehr dahinter, als anfänglich vermutet, Sheldon Marcone (Noble Willingham), ehemaliger Auftraggeber von Corys Freund Jimmy Dix (Damon Wayans) in der National Football League, scheint darin ebenso verstrickt, wie Senator Calvin Baynard (Chelcie Ross). So muss Joe mit Jimmy zusammen arbeiten, um größeres Unheil zu verhindern, dabei setzt Marcones Handlanger Milo (Taylor Negron) genau darauf.


Kritik:
Er gehörte zu den einflussreichsten, bekanntesten und höchst bezahlten Drehbuchautoren in Hollywood. Sein erstes Skript begründete nicht nur eine inzwischen vier Teile umfassende Filmreihe, die Vorlage zu Lethal Weapon - Zwei stahlharte Profis [1987] öffnete Shane Black auch die Türen in der Traumfabrik. Ein anderer bekannter Autor, Steven E. de Souza (Stirb langsam [1988]), hatte dort bereits seit längerem für fulminante Actionfilme gesorgt – für Black war Lethal Weapon nicht nur sein Einstand, sondern gleichzeitig sein Durchbruch. Mit seiner beigesteuerten Story zum zweiten Teil der Reihe konnte er seinen Erfolg wiederholen – doch während sein drittes Skript, das ihm damals die Höchstgage für einen Autor (beinahe zwei Millionen Dollar einbrachte), Last Boy Scout - Das Ziel ist Überleben, inzwischen Kultcharakter angenommen hat, war es angesichts der namhaften Beteiligten wie Black, Regisseur Tony Scott oder Hauptdarsteller Bruce Willis, ein finanzieller Flop. Nach seinem Drehbuch zu Last Action Hero – Der letzte Action Held [1993] zog sich Shane Black aus dem Filmgeschäft zurück, reichte später noch die Vorlage zu Tödliche Weihnachten [1996] nach und war in Hollywood kaum mehr gesehen. Grund hierfür sei, so gibt er selbst an, der gestiegene Erwartungsdruck und die Erkenntnis, dass seine Skripts seinen Ansprüchen nicht genügten. Mit Kiss, Kiss, Bang, Bang [2005] kehrte Black als Autorenregisseur zurück.
Eine Größe ist er in Hollywood weiterhin, manche Filmemacher und Autoren wenden sich an ihn und fragen um Rat, Joe Carnahan beispielsweise sandte ihm Proben seiner Arbeit mit Bitte um Bewertung – ermutigt von Blacks Reaktion verfolgte Carnahan seine Karriere weiter, schrieb und inszenierte den Thriller Narc [2002].
Wie eingangs erwähnt war Last Boy Scout seinerzeit von Kritik und Zuschauern verschmäht, sieht man sich aber den kontroversen Inhalt des Films an, der den amerikanischen Nationalsport Football in gar keinem guten Licht erscheinen lässt, die Korruption der Senatoren und die Heuchelei der Glücksspielverfolgung in den USA anprangert, verwundert das nicht weiter. Dabei ist es genau der ernste Inhalt, der Blacks Vorlage auszeichnet, zusammen mit einer Vielzahl hervorragender Actionszenen und so vielen merkenswerten Sprüchen, dass man als sarkastischer, schwarzhumoriger Filmfan bisweilen aus dem Lachen kaum mehr herauskommt.

In Grundzügen ist Last Boy Scout (was übersetzt so viel heißt wie "der letzte Pfadfinder") dabei nicht viel mehr, als ein moderner Film Noir, der das Setting mit dem abgehalfterten Privatdetektiv mit einer ruhmreichen Vergangenheit, einer deprimierend, im Alkohol ertränkten Gegenwart und einer fordernden, in Intrigen verstrickten Zukunft, auf eine klassische und doch martialische Weise ausarbeitet, dabei ein damals wie heute aktuelles Thema zum Anlass nimmt, ein Actionfeuerwerk abzubrennen, das trotz allem mit guten Charakteren überzeugt.
Nach einem schockierenden Anfang setzt Black dabei auf die Einführung seiner zwei Hauptfiguren (an sich drei, nimmt man den vernarbten, heruntergekommenen Football-Sport hinzu); dabei stellt er einem gebrochene Charaktere vor, die trotzdem unterschiedlicher kaum sein könnten. Mit überraschenden Wendungen im Privatleben der beiden Personen, einer sich entfaltenden, komplexen Hintergrundgeschichte – die man erst beim zweiten Mal ansehen voll verstanden hat – und einer Vielzahl cooler One-liner, kommt das Skript schnell in Fahrt und verlässt sich trotzdem weiter auf die Figuren, ehe in der zweiten Hälfte eine Actionsequenz die nächste jagt und den Zuschauer Ungereimtheiten wie explodierendes C4 ohne elektrische Sprengladung schnell vergessen lässt. Dabei unterhalten vor allem die Gespräche zwischen den beiden Hauptdarstellern, die pointiert geraten sind und so viele alltagstaugliche Sprüche beinhalten, dass man das Drehbuch abschreiben und auswendig lernen müsste, um wirklich keinen zu verpassen.
Mit vielschichtigen Charakteren, die alle einen Hintergrund zugeschrieben bekommen, einer guten, schnellen und düsteren, wenn auch nicht immer logischen Story und bemerkenswerten Dialogen hebt sich Blacks Drehbuch vom Massenmarkt der Thriller damals wie heute wohltuend ab und liefert die Grundlage für einen der härtesten und witzigsten Actionthriller seines Genres.

Ob Shane Black Hauptdarsteller Bruce Willis im Sinn hatte, als er das Skript verfasste, sei dahin gestellt, einen besseren Darsteller hätte man sich aber nicht wünschen können. Dass Willis damals bereits den Mut fand, nach den nur zwei Stirb langsam-Filmen, mit denen er sich als Actionikone etablierte, sein Image derart zu verfremden, dem ganzen einen schmutzigen, abgehalfterten Touch zu verpassen, ist bemerkenswert und hat ihm glücklicherweise nicht geschadet. Im Gegenteil, die Darstellung, die er in Last Boy Scout liefert ist sehr überzeugend, und dank seines wrackreifen Äußeren auch entsprechend umgesetzt. Die Rolle wirkt ihm auf den Leib geschrieben und er hat sichtlich Freude daran, sie auszuspielen.
Dass Damon Wayans leider nicht der Erfolg vergönnt war, den sein älterer Bruder Keenen Ivory Wayans unter anderem als Regisseur von Scary Movie [2000] einheimsen konnte, ist tragisch, denn gerade hier bietet er Willis jederzeit Paroli und geht neben dem charismatischen Akteur auch nicht unter. Im Gegenteil, Wayans macht seine Sache gut und bringt seine Figur ebenso zum Vorschein, überzeugt vor allem in den ersten Szenen und hat auch keine Schwierigkeiten, die spruchreifen Dialoge entsprechend vorzutragen.
Für diese Art Film überaus stark gefordert ist auch Chelsea Field, die Ehefrau von Scott Bakula wird ihrer Rolle aber mehr als gerecht, agiert immer natürlich und bringt auch die fordernden Szenen gut zur Geltung; ebenso die junge Danielle Harris, die als Hallenbecks Tochter zu sehen ist und gerade in der zweiten Hälfte des Films mehr zu tun hat.
Nur sehr kurze Auftritte haben Bruce McGill und die junge Halle Berry, für die es erst die dritte Filmproduktion gewesen ist; sie beide tragen zum Charme des Films aber sichtlich bei und meistern ihre Figuren problemlos. Dass Berry hier in einem Dialog prophetisch auf ihre Rolle als Catwoman [2004] anspielt, sorgt besonders aus heutiger Sicht für Schmunzler.
Zwar sind die Bösewichte in Blacks Drehbuch nicht so stark gefordert, aber mit Noble Willingham und Taylor Negron wurden zwei Darsteller besetzt, die ebenso diabolisch wie unscheinbar wirken und gerade dadurch effektvoll ihre Filmfiguren verkörpern.

Inszenatorisch überzeugt Top Gun - Sie fürchten weder Tod noch Teufel [1986]-Regisseur Tony Scott mit einer herausragenden Kameraführung, exzellentem Schnitt und einer bildgewaltigen Inszenierung, die ohne seine heutigen Kameramätzchen auskommt, sondern mittels Farbfiltern, perspektivenabhängiger Kameraeinstellungen und sehr gut eingesetzten Zeitlupen überzeugt.
Sein tiefer Ansatzpunkt für die meisten Winkel, ebenso die düsteren, zum Rand hin weniger ausgeleuchteten Bilder und nicht zuletzt das bei manchen Zeitlupen einsetzende Flackern unterstreichen dabei den Film Noir-Effekt der Produktion. Aber auch wenn Last Boy Scout als brutaler Actionfilm konzipiert ist und Scott diese Brutalität auch einfängt, er weidet sich nicht darin, zeigt im Gegensatz zu Michael Bay nicht jeden Einschuss in Zeitlupe, sondern dreht die Kamera meist kurz davor weg. Das schmälert zwar nicht die Gewaltdarstellung, verlagert das Schwergewicht des Films aber auf den Thrilleranteil.
So ist bereits die Eröffnungsszene interessant und innovativ umgesetzt, und selbiges gilt für die farbschwangeren Bilder auch im Verlauf des Films. Tony Scott verwöhnt die Zuschauer mit einer sehr guten Choreografie seiner Actionsequenzen und fängt auch die Gespräche treffend ein, ohne Handkamera oder Lichtblitze, ohne grieselige Filter oder Standbilder, wie man in seinen beiden Produktionen Man on Fire [2004] und dem BMW-Kurzfilm The Hire: Ride the Devil [2002] erdulden musste.

Auch wenn die Actionthemen von Michael Kamens Score zur Last Boy Scout an diejenigen aus Stirb langsam und Lethal Weapon erinnern mögen, mit seinem dezenten und bisweilen schon verspielten Soundtrack schuf der Komponist eine passende Untermalung mit einigen sehr traurigen und melancholischen Themen, die sich jeweils den Szenen anpassen und niemals unangenehm auffallen.
So eignet sich Kamens Musik für Fans auch zum Hören ohne den Film, die meisten werden mit dem orchestralen Score aber ohne die Bilder wenig anfangen können. Auch wenn Kamen der Film angeblich nicht gefallen haben soll und er nur die Musik dazu schrieb, um Willis und Produzent Joel Silver einen Gefallen zu tun, letztlich schmälert das den sehr guten Eindruck nicht, den seine Musik hinterlässt.

Was gerade bei einem solchen Film für gewöhnlich für Verstimmung sorgt ist die deutsche Synchronisation; doch wie es scheint haben die Verantwortlichen vor 20 Jahren mehr Wert auf die deutsche Vertonung eines Actionfilms gelegt. Nicht nur die Sprüche sind bisweilen erstklassig ins Deutsche übertragen worden, sowohl die düstere Stimmung, als auch die Sprecher selbst sind den Originalstimmen angelehnt – und Manfred Lehmann als Bruce Willis Stimme trifft den Charakter der Figur ebenso, wie sein verrauchtes Wesen.

Wie bereits erwähnt geht Last Boy Scout alles andere als zimperlich mit dem Thema Gewalt um, ein Grund, weswegen der Film in Deutschland völlig zurecht keine Freigabe für Jugendliche erhalten hat. Auch Erwachsene werden bei manchen Szenen bisweilen überrascht sein, mit welch schonungsloser Art und Weise die Macher hier zu Werke gehen.
Dass der Film somit keines Falls in Kinderhände gehört oder für Jugendliche zugänglich gemacht werden darf, steht außer Frage, Erwachsene, die aber mit dem knallharten Actionkino der Achtzigerjahre aufgewachsen sind, sollten sich den Film in der ungekürzten Fassung nicht entgehen lassen (auch wenn er so niemals im Fernsehen gezeigt werden darf und wird).
Denn hinter Shane Blacks Skript verbirgt sich ein intelligenter, sehr gut gespielter und überragend inszenierter Actionthriller, der sowohl unterhält, als auch Mitdenken erfordert. Zu sehen, wie Bruce Willis sein Actionheldimage aufs Korn nimmt ist dabei ebenso zeitlos, wie die zahlreichen, zitatreifen Sprüche, die nicht nur in unzähligen anderen Filmen kopiert wurden, sondern mit denen man auch ein ganzes Buch füllen könnte.


Fazit:
Während sich Drehbuchautor Shane Black in der ersten Hälfte auf seine Figuren konzentriert und dem Zuschauer ein paar interessante, gebrochene Charaktere vorstellt, legt er im Anschluss daran den Grundstein für Tony Scotts erstklassige Actionsequenzen, die zwar bisweilen überaus brutal geraten sind, Erwachsene Actionfans aber nicht über das bekannte Maß aus Lethal Weapon hinaus strapazieren sollten.
Dank der guten Story, der zahlreichen flapsigen aber nicht inhaltsleeren Sprüche und der beiden Hauptakteure ist Last Boy Scout inzwischen zum Kultfilm avanciert und beschreibt eine Ära in Hollywood, die schon damals quasi ausgestorben war. Als Nachzügler der Achtzigerjahre verzahnt der Film visuell erstklassige Szenen mit dem engagierten Hauptdarstellergespann Wayans und Willis, die hier so cool wirken, dass sich Eiskristalle auf der Bildröhre bilden könnten.