La Abuela - Sie wartet auf dich [2021]

Wertung: 4 von 6 Punkten  |   Kritik von Lars Adrian  |   Hinzugefügt am 17. März 2022
Genre: Drama / Horror

Originaltitel: La abuela
Laufzeit: 100 min.
Produktionsland: Spanien / Frankreich / Belgien
Produktionsjahr: 2021
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren

Regie: Paco Plaza
Musik: Fatima Al Qadiri
Besetzung: Almudena Amor, Vera Valdez, Karina Kolokolchykova, Marina Gutiérrez


Kurzinhalt:

Die junge und attraktive Susana (Almuenda Amor) versucht seit Jahren, in Paris als Model Fuß zu fassen und macht sich Hoffnung auf ein Engagement, das ihrer Karriere den nötigen Schwung zum Durchbruch verleihen könnte, als sie die Nachricht erhält, dass ihre Großmutter Pilar (Vera Valdez) einen Schlaganfall erlitten hat.
Nach dem Unfalltod ihrer Eltern wurde Susana bereits im Kindesalter von ihrer Großmutter aufgenommen und großgezogen, und so sieht sie es als ihre Pflicht an, sich um Pilar zu kümmern. Sie kehrt nach Madrid in die Wohnung ihrer Kindheit zurück und beginnt mit der Pflege der hochbetagten Frau, wohl wissend, dass dies das Ende ihrer beruflichen Träume bedeuten könnte.
Zu den alltäglichen Strapazen der häuslichen Vollzeitbetreuung ihrer gebrechlichen und offenkundig mittlerweile unter Demenz leidenden Großmutter beschleicht Susana immer mehr ein unbestimmtes Gefühl der Bedrohung und Furcht, zumal sich Ereignisse aus der Vergangenheit in ihrer Erinnerung manifestieren, die über viele Jahre verdrängt waren.


Kritik:
Trailer und Medien-Cover von La Abuela – was schlicht „Die Großmutter“ bedeutet – vermitteln den Eindruck eines effektvollen Horrorfilms, was durch die Hervorhebung, dass Regisseur Paco Plaza zuvor unter anderem die gelungene Zombie-Trilogie [REC] [2007, 2009 und 2012] und Veronica – Spiel mit dem Teufel [2017] inszeniert hat, noch verstärkt wird.
Der Ansatz, den Plaza hier wählt, ist indes ein anderer und genau dieser sorgt auch dafür, dass man als Zuschauer am Ende zwiegespalten zurück bleibt.

Wie in seinen früheren Werken beweist Plaza ein sicheres Gespür für stimmungsvolle Bilder, die die stilvolle Ausstattung perfekt einfangen und mit durchdachter Komposition von natürlicher Ausleuchtung und tiefen Schatten eine unbehagliche Atmosphäre schaffen, die durch Fatima Al Qadiris Musik unterstützt, aber niemals übertönt wird. Zusammen mit den beeindruckend minimalistischen Toneffekten hebt sich die unaufgeregte Umsetzung wohltuend von anderen aktuellen Genrevertretern ab, die mit aufdringlicher Musik und überlauten Geräuschen von einem Jump-Scare zum nächsten hecheln.

Diese Herangehensweise passt genau zu der Geschichte, die die Filmemacher erzählen möchten, doch dürfte das langsame Erzähltempo nicht jeder oder jedem gefallen, und könnte trotz der heutzutage recht kurzen Laufzeit sogar Langeweile hervorrufen – zumal sich der Film nicht entscheiden mag, ob er eher ein Drama oder doch ein Gruselfilm sein will.
Für die Meisten dürfte sich der wahre Horror in La Abuela weniger aus den übernatürlichen Elementen ergeben, sondern aus zwei Themen, mit denen man sich selten beschäftigt oder die Beschäftigung damit möglichst vermeidet: Dem eigenen Älterwerden samt möglicher Folgen und Begleitumstände – und was es von Familienangehörigen und den betroffenen Pflegebedürftigen abverlangt, sich in vollem Umfang und in allen Lebensumständen um einen Menschen zu kümmern, der dies selbst nicht tun kann.
Der Film widmet viel Zeit, welche Überwindung es Susana kostet, ihre erwachsene Großmutter zum Beispiel zu füttern, ihr Windeln anzulegen beziehungsweise abzunehmen und sie zu waschen. Sie tut dies aus Liebe und Pflichtgefühl, auch wenn ihr klar ist, dass ihre Großmutter dies möglicherweise nicht mehr zur Kenntnis nehmen kann. Solche Momente berühren und machen betroffen, insbesondere weil man den Gedanken nicht verbannen kann, dass jedem von uns Ähnliches bevorstehen könnte, ob nun auf der einen oder anderen Seite.

Der emotionale Anker ist ohne Zweifel, die von Almuenda Amor dargestellte Susana. Obwohl von Beginn an klar ist, was es für ihre Zukunft bedeuten kann, opfert sie sich für ihre geliebte Großmutter auf. Durch ihre naheliegenden Versuche, Alles richtig zu machen und jede Möglichkeit auszuloten, die Situation für die Beteiligten zu lösen, hat sie die Sympathien des Publikums auf ihrer Seite. Der hierzulande unbekannten Amor gelingt es mühelos, die zunehmende Verzweiflung greifbar zu machen, so dass man mit ihr mitfiebert.
Vera Valdez verkörpert Großmutter Pilar. Die brasilianische Schauspielerin flößt mit der Furchtlosigkeit, trotz ihres hohen Alters ohne Scham ihren Körper zu zeigen, während ihre Figur gepflegt wird, großen Respekt ein, und verfügt über eine immense Präsenz, gerade weil sie weitestgehend auf Mimik und Gestik ohne Dialoge beschränkt ist.

Im letzten Drittel gewinnen die genretypischen Versatzstücke zunehmend die Oberhand. Bedauerlicherweise machen Drehbuchautor Carlos Vermut und Regisseur Plaza den Fehler, mit einem Prolog zu beginnen, durch den sich der weitere Verlauf der Story bis hin zum Ende unkompliziert erahnen lässt, wodurch die eigentliche Spannung noch mehr leidet, da es kaum Überraschungen gibt.

Unterm Strich bleibt damit ein kammerspielartiger Film, der seinem Zielpublikum möglicherweise zu viel Realismus zumutet und trotz handwerklicher und darstellerischer Finesse gleichzeitig aber nicht richtig in Fahrt kommt, um sein durchweg stimmiges Ambiente in einem aufregenden Finale gipfeln zu lassen.


Fazit:
Die ernsten Momente von La Abuela - Sie wartet auf dich verhindern weitgehend, dass man sich lediglich durch die Mystery-Aspekte unterhalten lassen oder Spaß haben kann. Horror entsteht hier aus der Erkenntnis heraus, dass das in der Realität begründete Schicksal der Protagonistinnen jede und jeden von uns treffen kann.
Sehenswert wird der Film durch die überaus gelungene Inszenierung, zwei hervorragende Hauptdarstellerinnen und die Tatsache, dass man sich mit den zu Grunde liegenden Themen auseinandersetzen sollte.
Man sollte sich nur darüber im Klaren sein, dass sich der Film nicht unbeschwert ‚konsumieren‘ lässt.


La Abuela-Packshot La Abuela - Sie wartet auf dich ist seit
17. März 2022 als Video-on-Demand
und ab 24. März 2022 als Mediabook, Blu-ray und DVD
im Verleih von Koch Films GmbH erhältlich!
Urheberrecht des Bildes liegt bei
Koch Films.
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