Unstoppable - Außer Kontrolle [2010]

Wertung: 4 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 24. November 2010
Genre: Action

Originaltitel: Unstoppable
Laufzeit: 98 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2010
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: Tony Scott
Musik: Harry Gregson-Williams
Darsteller: Denzel Washington, Chris Pine, Rosario Dawson, Ethan Suplee, Kevin Dunn, Kevin Corrigan, Kevin Chapman, Lew Temple, T.J. Miller, Jessy Schram, David Warshofsky, Andy Umberger, Elizabeth Mathis, Meagan Tandy


Kurzinhalt:
Es ist Will Colsons (Chris Pine) erster Tag als Lokführer im neuen Betrieb. Der erfahrene Frank Barnes (Denzel Washington) soll ihn einarbeiten, macht ihm den Anfang aber gewohnt schwer. Dabei ist Will mit seinen Gedanken meist woanders, bei einem Gerichtstermin erwirkte der Anwalt seiner Frau Darcy (Jessy Schram), dass Will seinen Sohn für 30 weitere Tage nicht besuchen darf. Auch für Frank ist dies kein alltäglicher Arbeitstag, nur weiß Will noch nicht, wieso.
Als Connie (Rosario Dawson) in der Zentrale des Bahnkontrollzentrums durchgibt, dass ihnen ein führerloser, mit Vollgas fahrender Güterzug mit explosiven Materialien an Bord entgegen kommt, werden beide wachgerüttelt. Nicht nur ein Zug voller Schüler ist ebenfalls in Gefahr, nachdem ein erster Versuch missglückt, einen Fahrer mittels Hubschrauber an Bord zu bringen, plant Connies Vorgesetzter Galvin (Kevin Dunn), den Zug in einem evakuierten Wohngebiet zum Entgleisen zu bringen. Da fasst Frank den Plan, mit Wills Hilfe von hinten an den Zug anzukoppeln, um ihn dann zum Stehen zu bringen. Doch bis zu einer unüberwindbaren S-Kurve sind es nur noch wenige Meilen – es beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit ...


Kritik:
Es ist interessant, dass verfilmte Biografien den Umstand, dass sie solche sind, zu Beginn des Films meist nicht herausstellen. Wenn Hollywood einen Film einleitet mit dem Hinweis, er beruhe auf einer wahren Geschichte, dann sollte man dem immer sehr skeptisch gegenüber stehen. Unstoppable orientiert sich an einem Ereignis, das sich im Frühjahr 2001 zugetragen hat und bei dem ein unbemannter Zug erst nach 66 Meilen gestoppt werden konnte. Im Abspann weisen die Macher darauf hin, dass der Film zwar auf Tatsachen beruhe, Figuren, Ereignisse und Namen aber dramatisiert und geändert wurden. Wer hätte das gedacht.
Lässt man diesen Umstand außer Acht, zählt Unstoppable zu einem der unterhaltsamsten Filme von Tony Scott der letzten Jahre, was angesichts von Enttäuschungen wie Die Entführung der U-Bahn Pelham 1 2 3 [2009] und Déjà Vu - Wettlauf gegen die Zeit [2006] jedoch nicht viel zu sagen hat. Seit zehn Jahren scheint sich Regisseur Scott zusammen mit seinem Filmcutter um die eigentliche Bösewichtsrolle eines jeden seiner Filme zu bemühen. Unstoppable beginnt ähnlich, wandelt den Stil erfreulich schnell jedoch hin zu einer konventionellen Erzählmethode. Nichtsdestotrotz überzeugt die handwerkliche Umsetzung nicht ganz, insbesondere, wenn die Action buchstäblich Fahrt aufnimmt. Dann wechseln sich herkömmliche Kameraaufnahmen mit solchen einer digitalen Kamera ab, das Bild wird gelegentlich schneller abgespielt als es aufgenommen wurde, und von Einstellung zu Einstellung hat man das Gefühl, der Zug fährt entweder im Schneckentempo, oder aber er rast schneller als ein Überschallflugzeug. Ein richtiges Tempo findet Scott für seinen Film nicht, wären da nicht die Darsteller, welche die Geschichte auf überraschend charmante und glaubhafte Weise erden.

Der junge Bahnarbeiter Will (charismatisch und glaubwürdig: Chris Pine) beginnt seinen ersten Tag mit dem Gleisveteran Frank (routiniert und unerwartet tiefgründig Denzel Washington). Dass dieser ihm den Einstieg schwer machen würde, war zu erwarten, insbesondere, da Will Verwandte in Positionen der Betreiberfirma hat, durch die er den Posten leichter bekam. Aber weswegen er es ihm so schwer macht, erfährt man erst später. Auch Will hat seine Schwierigkeiten, immerhin hat seine Frau Darcy eine einstweilige Verfügung erwirkt, so dass er seinen Sohn nicht besuchen darf. Für Charakterentwicklung bleibt in Unstoppable nicht viel Zeit, dennoch überzeugen die Figuren durch menschliche Schwächen und ebenso nachvollziehbare Probleme. Der Leiterin des Kontrollzentrums Connie (Rosario Dawson) wird von einem Angestellten gebeichtet, dass ein Güterzug unbemannt auf das Hauptgleis gefahren ist und durch eine Missachtung der Vorschriften auch die automatischen Notbremsen nicht funktionieren. Die Polizei wird eingeschaltet, um die Übergänge freizuhalten und nicht nur als ein mit Schülern voll besetzter Zug auf Kollisionskurs fährt, kochen die Emotionen hoch. Dass der Güterzug außerdem mehrere Waggons hoch entzündliches Material geladen hat, macht die unkontrollierbare Situation nicht besser.

Wie der Film dabei letztlich ausgehen wird, überrascht nicht. Was bis dahin geschieht leider ebenso wenig, außer dass man sich bisher wohl nicht vorstellen konnte, wie bösartig und Furcht einflößend ein solcher Güterzug grollen kann, wenn er an der Kamera vorbeirast. Was Tony Scotts Actionfilm unterhaltsam macht ist die Tatsache, dass das Tempo der Erzählung zusammen mit dem des eigentlichen Bösewichts angezogen wird. Ist erst einmal klar, welche Katastrophe den Anwohnern bevorsteht, sollte der Zug aus den Gleisen springen, und mit welcher beschleunigten Masse es Frank und Will zu tun haben, fesselt Unstoppable auch in den absurdesten Momenten. Derer gibt es gerade im letzten Drittel genügend.
Bedenkt man den misslungenen Versuch, einen Bahnarbeiter auf den fahrenden Zug zu landen, sieht man auch, wie viel Adrenalin die wackelige Inszenierung und die wenig hilfreichen Schnitte die Geschichte letztlich kosten. Auch die uninspirierte und vor allem über weite Strecken wenig temporeiche Musik von Harry Gregson-Williams trägt ihren Teil dazu bei. Dass das Schicksal der Figuren dennoch packt ist den Darstellern, und dass sie trotz der wenigen Charaktermomente überzeugen, dem vertrauten Umgang der Akteure miteinander zu verdanken. Wer mit der Erwartung an Unstoppable herangeht, sich eineinhalb Stunden unangestrengt unterhalten zu lassen, wird genau das vorfinden. Nur ob dies den tatsächlichen Ereignissen entspricht, sei dahingestellt.


Fazit:
Wer dachte, in Speed [1994] einen Bus auf eine Seite gekippt fahren zu sehen sei übertrieben, der sollte abwarten, was sich Tony Scott für seinen jüngsten Film aufgehoben hat. An den modernen Actionklassiker kommt Unstoppable auch nicht heran, selbst wenn die Parallelen oft gezogen werden. Die charismatischen Darsteller überzeugen trotz ihrer flachen Figuren und bringen das Publikum dazu, mit ihnen mitzufiebern.
Dagegen ist auch nichts einzuwenden, nur bleibt der Actionfilm durch die Umsetzung hinter seinen Möglichkeiten zurück und fesselt nur stellenweise, statt über die gesamte Laufzeit. Die kritischen Untertöne sind als leise Gesellschaftskritik zu sehen, auch wenn es dem Drehbuch darauf nicht hauptsächlich ankommt. Sieht man Unstoppable als actionlastige, anspruchslose Unterhaltung, funktioniert der Film jedoch durchaus.