Der wunderbare Mr. Rogers [2019]
Wertung: |
Kritik von Jens Adrian |
Hinzugefügt am 28. Februar 2020
Genre: Drama / BiografieOriginaltitel: A Beautiful Day in the Neighborhood
Laufzeit: 109 min.
Produktionsland: China / USA
Produktionsjahr: 2019
FSK-Freigabe: ohne Altersbeschränkung
Regie: Marielle Heller
Musik: Nate Heller
Besetzung: Tom Hanks, Matthew Rhys, Chris Cooper, Susan Kelechi Watson, Maryann Plunkett, Enrico Colantoni, Wendy Makkena, Tammy Blanchard, Noah Harpster, Carmen Cusack
Kurzinhalt:
Im Jahr 1998 erhält der investigative Journalist Lloyd Vogel (Matthew Rhys) eine renommierte Auszeichnung und wird doch von seiner Redakteurin mit einer Aufgabe betraut, die er als unter seinem Niveau empfindet. Er soll ein Porträt des Fernsehmoderators Fred Rogers (Tom Hanks) verfassen, dessen langlebige Kinderserie eine nationale Institution darstellt. Vogel willigt ein und trifft in Rogers einen sanften, ruhig auftretenden Mann, der nach eigenen Worten den Kindern einen positiven Weg aufzeigen möchte, mit ihren Gefühlen umzugehen, und der sich weder als Berühmtheit, noch als Held sieht. Lloyd vermutet, dass mehr hinter Rogers’ Fassade stecken muss und will recherchieren. Doch je länger er sich mit dem Mann beschäftigt – und dieser mit ihm – umso mehr scheint Lloyd sich selbst und seine Handlungen, vor allem betreffend seinen Vater Jerry (Chris Cooper) und seine eigene Frau Andrea (Susan Kelechi Watson) zu verstehen. Als wenn Mr. Rogers es verstünde, genau die richtigen Antworten auf Lloyds Fragen zu geben. Oder selbst die richtigen Fragen zu stellen …
Kritik:
Eingerahmt, als wäre Der wunderbare Mr. Rogers selbst eine Episode der Fernsehsendung MisteRogers’ Neighborhood [1968-2001], in der die Titelfigur über viele Jahre verschiedenste Themen einem Kinderpublikum vermittelte, erzählt Filmemacherin Marielle Heller eine Geschichte von Freundschaft und Vergebung. Die widmet sich zwar nur bedingt der Person Fred Rogers, offenbart aber eine so sichere Hand, die Figuren und was sie zu dem gemacht hat, wer sie sind, herauszuarbeiten, dass das Drama uneingeschränkt sehenswert ist.
Inspiriert von einer wahren Geschichte, erzählt der Film im Jahr 1998, wie der Journalist des Esquire-Magazins Lloyd Vogel, der für seine Recherchen gerade erst ausgezeichnet wurde, von seiner Redakteurin den Auftrag erhält, ein Porträt über Fred Rogers zu schreiben. Es soll ein Begleittext sein für einen lobenden Artikel, mit dem das Magazin Nationalhelden ehrt. Rogers ist seit Jahrzehnten Moderator einer beliebten Kindersendung, die auf Lloyd den Eindruck unendlichen Kitsches, gefangen in billigen Studiobauten mit einem dauerhaft lächelnden und sanft sprechenden Moderator hat. Es scheint wie eine Demütigung, dass der investigative Journalist sich mit so jemandem beschäftigen soll. Aber da sein Ruf Lloyd vorauseilt und niemand anderes bereit ist, sich von ihm interviewen zu lassen, willigt Lloyd ein.
Bei seinem ersten Treffen erkennt der Journalist, dass Rogers’ ruhige Art keine reine Maske ist, die er aufsetzt, wenn die Kameras aufzeichnen, sondern sein Verhalten insgesamt prägen. Doch Lloyd vermutet, dass mehr hinter der Person stecken muss, als Fred Rogers zugibt zu zeigen. Entgegen der Vorgaben seiner Redakteurin will er weiter recherchieren. Doch je mehr er sich mit Rogers beschäftigt, erkennt er, dass die Themen, die Rogers in der Sendung behandelt von Tod, Scheidung oder Krieg handeln. Es gelingt ihm, sie den Kindern auf die vielleicht einzige Art und Weise zu vermitteln, ohne sie damit zu überfordern. Gleichzeitig lernt Lloyd mehr über sich selbst und sein Verhältnis zu seinem entfremdeten Vater Jerry. In jener Rolle zeigt Chris Cooper einmal mehr, was für ein fantastischer Darsteller er ist, selbst wenn er erst spät im Film gefordert wird.
Die eigentliche Hauptfigur ist der von Matthew Rhys verkörperte Lloyd Vogel, durch dessen Augen das Kinopublikum den Moderator Fred Rogers kennenlernt. Der erklärt dem kindlichen Publikum seiner Sendung die jeweiligen Themen in einfachen Worten, aber nie, als würde er es geringschätzen. Wenn er Lloyd mitteilt, dass er versucht, durch die Kamera jedes einzelne Kind anzusprechen, er entscheidet, dass immer das, was er tut und die Person, an die er sich richtet, die wichtigste für ihn in diesem Moment ist, dann kommen dank Tom Hanks’ Verkörperung daran nie Zweifel auf. Hanks besitzt in der Rolle eine so gewinnende Persönlichkeit, als würde er durch die Augen seines Gegenübers blicken und den Kern dieser Person erkennen. Ohne zu verurteilen, sondern nur mit Mitgefühl und Anteilnahme. Wie hervorragend das gelingt, zeigt Filmemacherin Heller in einer kurzen Szene, in der Rogers direkt in das Herz der Menschen im Kino zu schauen scheint. So unangenehm das im ersten Augenblick sein mag, man fühlt sich überraschenderweise wohler zu wissen, dass er da ist.
So wundert es nicht, dass Lloyd in Der wunderbare Mr. Rogers mehr über sich selbst als über ihn erfährt. Doch ist das am Ende nicht ganz die Geschichte, mit der das Publikum rechnet. Zwar gibt es kurze Andeutungen, dass auch Rogers selbst, der abseits der Kamera wohl derselbe war, wie davor, nicht ohne Fehler war und offenbar auch mit seinen eigenen Schattenseiten zu kämpfen hatte. Doch benennen kann der Film diese nicht und so wird die Figur in keiner Weise entmystifiziert. Vielmehr konzentrieren sich die Macher darauf, dass es ihm durch stetes Bemühen, sich und den eigenen Überzeugungen treu zu bleiben, gelang, der Mensch zu sein, der Generationen von Kindern in den USA geprägt hat.
Regisseurin Marielle Heller gestaltet die Übergänge zwischen vielen Szenen so, als wären sie Wechsel innerhalb von Rogers’ TV-Sendung, mit Miniaturaufnahmen von Städten, Landschaften und Fahrzeugen. Es ist ein Stilmittel, das anfangs, aus dem Blickwinkel unserer zynischen, heutigen Zeit, ebenso befremdlich erscheint, wie Rogers’ sanftes Auftreten. Dabei untermauert die Herangehensweise nur, dass das Publikum im Kinosaal die Lektionen hören sollte, die es in dieser „Sonderausgabe“ hier von Mr. Rogers zu hören gibt. So positiv wie sie sind, sind sie fraglos mehr als notwendig.
Fazit:
Auch wenn es kurze Andeutungen gibt, dass Fred Rogers ebenso wie alle anderen Menschen mit Dämonen zu kämpfen hatte, arbeitet das Drama nicht heraus, welche das sind. Vielleicht ist das auch gar nicht wichtig, sondern eher zu sehen, dass es ihm trotzdem oder gerade deshalb gelang, diejenige Person zu werden und zu sein, die er war. Anders ist dies bei Journalist Lloyd Vogel, dessen harte Schale hier Schicht um Schicht abgetragen wird, um vorzustellen, weshalb er so ist, wie er ist. Das ist ebenso faszinierend zu beobachten und sowohl von Matthew Rhys als auch von Tom Hanks fantastisch gespielt, wobei letzterer buchstäblich von innen heraus zu strahlen scheint. So sehr, dass man, sobald er zu sehen ist, ein Lächeln im Gesicht hat, auch wenn die Momente davor zu ernst dafür gewesen sind. In den Gesprächen zwischen Lloyd und Mr. Rogers finden sich viele wundervolle, teils auch entblätternde Momente. Der wunderbare Mr. Rogers ist ein behutsames, einfühlsam erzähltes Charakterdrama für ein Publikum, das bereit ist, sich auf diesen ruhigen Blick auf zwei Figuren einzulassen, die von der Persönlichkeit her vermutlich weniger unterscheidet, als von der Art, wie sie entscheiden, sich nach außen zu geben. Zu sagen, dies wäre inspirierend, ist vermutlich übertrieben. Faszinierend, Hoffnung spendend und aufbauend ist es allemal – und gerade deshalb wichtig. Schön!