The Statement [2003]

Wertung: 3.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 15. Januar 2005
Genre: Thriller

Originaltitel: The Statement
Laufzeit: 120 min.
Produktionsland: Canada / Frankreich / Großbritannien
Produktionsjahr: 2003
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: Norman Jewison
Musik: Normand Corbeil
Darsteller: Michael Caine, Tilda Swinton, Jeremy Northam, Alan Bates, Charlotte Rampling, John Neville, Ciarán Hinds, Frank Finlay, William Hutt


Kurzinhalt:
Als junger Offizier der Vichy-Miliz war er 1944 für die Exekution von sieben französischen Juden in Dombey verantwortlich; nach Kriegsende konnte er untertauchen – von den Mächtigen in Politik und Klerus versteckt.
Doch als Pierre Brossard (Michael Caine) 1992, inzwischen 70 Jahre alt, entdeckt wird, muss er flüchten. Ihm auf der Spur sind Colonel Roux (Jeremy Northam) und Richterin Annemarie Livi (Tilda Swinton), die nicht nur Brossard selbst wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor Gericht bringen will, sondern auch die Menschen enttarnen möchte, die ihm all die Jahre Unterschlupf gewährt haben.
Dann jedoch erkennen Brossards Beschützer ebenfalls, welche Gefahr von einer Entdeckung des Flüchtigen ausgeht, und so versuchen sie, ihn in eine Falle zu locken – denn tot nützt er ihnen offenbar mehr als lebendig.


Kritik:
Während der Besatzung der deutschen Nazi-Soldaten in Frankreich entschied das damalige Vichy-Regime, dem knapp vierzig Prozent Frankreichs unterstanden, mit den Deutschen zusammenzuarbeiten. Das knapp 100.000 Mann starke Heer war infolgedessen für die Verschleppung und Ermordung Tausender französischer Juden verantwortlich. Als die alliierten Truppen das Land schließlich befreiten und sich General Charles de Gaulle mit der provisorischen französischen Regierung etablierte, endete am 25. August 1944 die vierjährige Herrschaft des Vichy-Regimes. Ein dunkles Kapitel in der Geschichte Frankreichs, das im Schatten der ohnehin sehr düsteren Ereignisse in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in Europa beinahe verschwindet, obwohl selbst Jahrzehnte später immer noch Politiker jenes rechtsgerichteten Regimes offizielle Ämter bekleideten und manche (sogar unter dem Deckmantel der Kirche) untergetaucht waren. Autor Brian Moore arbeitete in seinen Roman Hetzjagd [1997] zwar immer wieder Tatsachen mit hinein, die eigentliche Geschichte entsprang jedoch seiner Phantasie.
Weswegen The Statement in den deutschen Kinos erst so spät zu sehen ist – immerhin wurde der Film bereits 2004 einmal der Presse vorgeführt und in einigen Previews gezeigt, dann vor dem geplanten Bundesstart wieder vom Markt genommen und nun für 2005 angesetzt – verstehe wer will. Es gibt sicherlich deutlich schlechtere Filme im Kino zu sehen; aber auch deutlich bessere, und womöglich ist genau dies das Hauptproblem von Norman Jewisons Regie-Arbeit.

Jewison sind solch unterschiedliche Werke wie die Danny DeVito-Komödie Das Geld anderer Leute [1991], Mondsüchtig [1987] (unter anderem ein Oscar für Hauptdarstellerin Cher) und das Boxer-Drama Hurricane [1999] mit Denzel Washington zu verdanken.
Für The Statement stellt er einen Nazi-Kollaborateur in den Mittelpunkt des Geschehens, was sicherlich ein sehr gewagter Schritt ist. Michael Caine bekräftigte immer wieder in Interviews, dass er seine Figur nicht sympathisch erscheinen lassen wollte; und in der Tat, genau das ist ihm auch gelungen. Allerdings fragt man sich als Zuschauer schon, weswegen einen die Geschichte einer solchen Person, deren Verbrechen auch nach so vielen Jahren schlicht unentschuldbar sind, überhaupt interessieren sollte. Dies erweist sich dann als größtes Problem des Drehbuchs, das zwar immer wieder aufzeigt, wie Brossard im spirituellen Bereich um Vergebung bittet, aber gleichzeitig nicht bereit ist, die weltliche Verantwortung für seine Taten zu tragen. Als Zuschauer ist man somit hin- und hergerissen, ihn zu bemitleiden oder ihn zu verachten; man würde ihm gönnen, verhaftet und eingesperrt zu werden und fürchtet nichts so sehr, als dass er entkommt.
Da jedoch die anderen Figuren, von der karriereorientierten Richterin Livi, bis hin zum Mustersoldaten Roux kaum beleuchtet werden, ist man eindeutig gezwungen, sich auf Brossard einzulassen und findet dennoch (glücklicherweise) keinerlei Zugang. Sicherlich mag es auf den ersten Blick tragisch erscheinen, wie ihn seine vermeintlichen Beschützer ausspielen, ihn manipulieren und in Fallen locken, aber den Kinobesucher lässt das aufgrund fehlender Sympathien vollkommen kalt.
Vergleicht man das Ganze nun entfernt mit Der Musterschüler [1998], in dem ebenfalls ein – damals von Ian McKellen grandios gespielter – Nationalsozialist im Mittelpunkt stand, fällt schon Eines auf: In jenem Film galt die Hauptanteilnahme des Zuschauers nicht dem Monster aus dem Dritten Reich, sondern dem unerfahrenen Jungen, den der meisterhafte Manipulator mit seiner grotesken Persönlichkeit in den Bann zieht und in einen Abgrund stürzt, dem ein derart junger Geist schlicht nicht gewachsen ist (die meisten Erwachsenen vermutlich ebensowenig). In Der Musterschüler gab es somit jemanden, mit dem man mitgefiebert hat, den man tatsächlich bemitleiden konnte – in The Statement fehlt eine solche Figur völlig, weswegen der Zuseher mehr oder weniger gelangweilt dem Treiben auf der Leinwand beiwohnt.
Hinzu kommen Brossards Frau Nicole, deren Motive nie sorgfältig herausgearbeitet werden, sondern als Figur blass bleibt, und eine nicht enden wollende Verfolgungsjagd, die aber mit zu wenig Überraschungen oder spannenden Momenten aufwarten kann, als dass man davon gefesselt wäre. Die Charakterzeichnung in Bezug auf Pierre Brossard selbst ist Drehbuchautor Ronald Harwood zweifelsohne gut gelungen, und doch ist er nicht der geeignete Hauptcharakter für einen Thriller – eine Dokumentation über die Personen würde möglicherweise deutlich besser passen.
Diesen Grundsatzfehler trägt der Film zwei Stunden lang mit sich, präsentiert abgesehen davon schablonenhafte Figuren und wenig inspirierte Dialoge, so dass sich die zwei Stunden merklich in die Länge ziehen und man als Kinobesucher unberührt im Sessel verweilt.

Die Darsteller geben sich trotzdem sichtlich Mühe, das Beste aus ihren Figuren herauszuholen.
Allen voran steht verständlicherweise Michael Caine, der den reumütigen Mörder intensiv und engagiert verkörpert, sogar für die körperlich anstrengenden Szenen persönlich vor der Kamera stand, und Brossards verzweifelte Suche nach einem Ausweg, seine Flucht in den Glauben als letzte Rettung, und seine anschließenden diabolischen und manipulativen Züge beim Besuch bei seiner Frau sehr gut umsetzt. Er spielt nicht ganz so ergreifend wie in Der stille Amerikaner [2002], macht The Statement für Genre-Interessierte aber auf jeden Fall sehenswert.
Zwar legen sich Tilda Swinton und Jeremy Northam ebenfalls ins Zeug, ihre Charaktere überzeugend darzubringen, und zusammen harmonieren sie vor der Kamera recht gut, dennoch scheint ihnen die Rolle der Ermittler nicht sonderlich zuzusagen – zum einen aufgrund der Story, die hier zwei höher positionierte Staatsdiener zu gewöhnlichen Detektiven degradiert, zum anderen auch, weil sie weder besonderen Elan in die Gespräche miteinbringen, noch die notwendige Besonnenheit. Die Unterredung zwischen dem Priester und Roux beim Boccia-Spiel zählt in Bezug auf Northam allerdings zu den besten und unterhaltsamsten Momenten. Swinton geht als Karrierefrau vollends auf, wirkt dadurch jedoch unterkühlt und bisweilen unnötig distanziert.
Der Kurzauftritt von Charlotte Rampling ist durchaus sehr gut gespielt, wobei die Darstellerin versucht, der schwachen Rolle mehr Tiefe zu verleihen, als sie eigentlich besitzt, doch stets agiert auch sie im Story-Kontext vollkommen losgelöst und hat keinerlei Relevanz für die fortwährende Geschichte. Rampling formt in den wenigen Minuten jedoch einen guten Gegenpol zu Caine, der sich seinerseits bemüht, in der Sequenz die Oberhand zu behalten.
Von den übrigen Darstellern stechen allenfalls Ciarán Hinds und John Neville heraus, die aber beide zu wenig zu tun haben, um sich wirklich entfalten zu können.
Der restliche Cast ist stimmig ausgewählt und passt zu den Rollen, Meisterleistungen sind jedoch nicht dabei.

Norman Jewisons handwerkliche Umsetzung der Romanadaption kann mit stimmungsvollen Bildern Frankreichs aufwarten und ist über den Dächern von Nizza solide gefilmt, allerdings fehlt der halb-dokumentarischen Kamera der letzte Schliff, um die Szenen der ehrwürdigen Landschaft entsprechend einzufangen.
Etwas offensichtlicher ist es da noch bei der Schnittarbeit, die schlichtweg zu konventionell geraten ist und richtige Spannung vermissen lässt. Manche Szenenübergänge, oder auch Bildwechsel innerhalb einer Szene machen außerdem einen etwas holprigen Eindruck; so zum Beispiel beim Mittagessen zwischen Livi und Roux. Das Gespräch zwischen den beiden Figuren findet zwar während des Essens statt, doch bekommt man hier das Vier-Gänge-Menü in drei Minuten serviert, wobei sich der Dialog beinahe in Echtzeit abspielt und man auch nicht das Gefühl bekommt, bei den groben Schnitten einen Teil übersprungen zu haben. Zudem vermittelt hier die Kamera, beispielsweise durch eine weitwinklige Aufnahme, oder eine kleine Rundfahrt das Gefühl, dass sich etwas verändert hätte, wo aber ansich alles gleich geblieben ist, und gerade beim Essen wird ein Tempo suggeriert, das schlichtweg nicht zum Rest der Sequenz passt.
So machen die Szenen keinen komponierten Eindruck, der Schnitt nimmt zusätzlich Spannung heraus und die Kamera bleibt viel zu oft distanziert, statt den Zuschauer an die Seite der Figuren zu setzen. Das alles wirkt zwar nicht schlecht, aber undurchdacht und lässt viel Potential ungenutzt.

Komponist Normand Corbeil ist hauptsächlich für seine Fernseharbeiten (Talking to Heaven [2002]) bekannt, war aber auch im Kino bereits erfolgreich (Doppelmord [1999]). Sein Score für The Statement ist einfühlsam und ruhig geraten, und trägt gleichzeitig stark zur Stimmung des Films und dem europäischen Flair der Drehorte bei.
Vielleicht wäre ein etwas rhythmischer Soundtrack origineller gewesen, die Themen drängen sich jedoch nie zu sehr auf und unterstützen die Dialoge gekonnt. Insgesamt hat Corbeil eine routinierte, durchweg tadellose Arbeit abgeliefert, der zwar besondere Erkennungsmerkmale fehlen, die sich aber gut in die Szenen einfügt.

Ein Erfolg wurde The Statement trotz des geringen Budgets von nicht einmal 30 Millionen Dollar trotzdem nicht, dafür lief der Film in den USA allerdings auch nur in knapp 50 Kinos. Dabei hätte der Film bei einer breiter angelegten Veröffentlichung sicherlich mehr Zuschauer angesprochen, denn inhaltlich stellt die Jagd nach dem Nazi-Kollaborateur eine interessante Ausgangslage dar, die – hätte man das Ganze mehr als Katz-und-Maus-Spiel aufgebaut – auch Potential zu einem spannenden Thriller hätte.
In der vorliegenden Form mangelt es allerdings großteils gerade an mitreißenden Momenten, die Hetzjagd gestaltet sich möglicherweise realistisch aber des-interessierend. Da man zudem keine Identifikationsfiguren hatt, mit denen mitzufiebern es sich lohnt, sieht man sich als Zuschauer das Ganze recht gelangweilt an. Ob die nicht-verwendeten Szenen auf der US-DVD hier etwas mehr Licht ins Dunkel bringen, sei dahingestellt.


Fazit:
Dass Michael Caine ansich jeden Film veredelt, in dem er mitwirkt, ist eine unumstößliche Tatsache, und auch The Statement wäre nur halb so gut, wäre der charismatische Darsteller nicht dabei. Caines Darbietung des mehrfachen Mörders, der seine Angst vor den Konsequenzen im Glauben zu ersticken versucht, ist sehr gut gelungen, lässt den Nazi-Kollaborateur aber nicht sympathisch erscheinen – was auch beabsichtigt war.
Abgesehen davon gibt es leider wenig sympathische Figuren, so dass man keine Nähe zu den Charakteren aufbauen kann, deren Entwicklung einem somit nicht wirklich wichtig ist.
Regisseur Norman Jewison fängt die Atmosphäre der französischen Altstädte gekonnt ein, zeigt dem Zuschauer heruntergekommene und realistische Stadtviertel, die man selten in Filmen präsentiert bekommt, verliert bei seiner fast schon dokumentarischen Erzählweise jedoch aus den Augen, dass ein Thriller grundsätzlich auch unterhalten sollte.
Für ein Charakter-Drama ist die einzige konsequent porträtierte Figur für einen abendfüllenden Film schlichtweg ungeeignet und hätte in einer Dokumentation behandelt werden können, die übrigen Figuren besitzen für eine genauere Beleuchtung hingegen zu wenig Hintergrund.
Was somit bleibt, ist ein zwar clever erdachter (und in Romanform vermutlich gelungener) Thriller, dessen Erzähl-Tempo zu gemächlich geraten ist, um mitreißen zu können, und der lediglich Fans der Beteiligten interessieren dürfte – für alle anderen genügt das allenfalls im Fernsehen.