
Laufzeit: 91 min.
Produktionsland: Deutschland
Produktionsjahr: 2025
FSK-Freigabe: ab 6 Jahren
Regie: Christian Ditter
Musik: Fil Eisler
Besetzung: Alexa Goodall, Araloyin Oshunremi, Martin Freeman, Kim Bodnia, Claes Bang, Laura Haddock, Jennifer Amaka Pettersson, David Schütter, Skylar Blu Copeland, Maxwell Smith
Kurzinhalt:
Das Mädchen Momo (Alexa Goodall) besitzt eine seltene Gabe. Sie ist eine so gute Zuhörerin, dass ihr die Menschen nicht nur ihr Herz öffnen, sondern sie auch deren Fantasie anregt und Menschen zusammenbringt. Momo hat gleichzeitig das Gefühl, als könnte sie die Sinfonie der Welt hören, von dem Amphitheater aus, in dem sie ihr Lager aufgeschlagen hat. Der Straßenkehrer Beppo (Kim Bodnia) ist ebenso ihr Freund wie der Junge Gino (Araloyin Oshunremi), der als Fremdenführer arbeitet, während er für seine Mutter Liliana (Jennifer Amaka Peterson), die eine Pizzeria betreibt, Pizzen ausfährt. Doch als eine neue Firma in die Stadt kommt, wird der Zusammenhalt der Menschen bedroht, denn die Firma verspricht Produkte, mit denen die Menschen Zeit sparen können sollen. Ohne es zu wollen, verrät die Rekrutiererin Jackie (Laura Haddock) Momo allerdings, dass sie den Menschen die gesparte Zeit stehlen. Als Momo sich aufmacht, die Zeit-Diebe zu enttarnen, gerät sie ins Visier von deren Anführer, Richter (Claes Bang). Zwar hat Momo in Meister Hora (Martin Freeman), dem Hüter über die Zeit, einen Verbündeten, doch es liegt an ihr, die Stadt vor den Zeit-Dieben zu retten. Und sie sind ihr zahlenmäßig weit überlegen …
Kritik:
Mehr als ein halbes Jahrhundert, nachdem Michael Endes preisgekrönter Jugendroman von den Zeit-Dieben und dem Mädchen, das den Menschen die Zeit zurückbrachte, zuerst erschienen ist, modernisiert Filmemacher Christian Ditter Momo in seiner Adaption für die große Leinwand. Dabei bleibt er der Vorlage inhaltlich treu, bringt die Erzählung gleichzeitig aber ins 21. Jahrhundert. Das Ergebnis richtet sich an ein junges Publikum, das die Themen, die überwiegend Erwachsene ansprechen, zwar nur schwer wird einordnen können, weniger hörenswert werden sie dadurch aber nicht.
Erzählt wird die Geschichte von Meister Hora, dem Hüter der Zeit, der erklärt, dass die Menschen die Zeit-Diebe selbst erschaffen haben. In einem nicht weit entfernten Land wächst das Mädchen Momo in einem Amphitheater auf. Der Straßenkehrer Beppo ist ebenso ihr Freund wie der Junge Gino, der entweder Pizzen ausfährt, oder als Fremdenführer arbeitet. Momo besitzt eine Gabe: sie kann zuhören wie kaum jemand anderes. So kommt es, dass immer mehr Menschen ihr ihre Geheimnisse anvertrauen und sogar wieder Leben in das Amphitheater einkehrt. Bis sich eine Firma in der Küstenstadt ansiedelt und im Handumdrehen die Menschen an sich bindet. Grey, nennt sie sich, und verspricht, mit allerlei technischen Geräten den Menschen Zeit zu sparen. Sei es mit speziellen Kontaktlinsen, mit denen man vieles parallel abarbeiten kann, oder mit Servicerobotern, die sich an Kinder richten. Vor allem jedoch mit ihrem Greycelet, ein Armband, das immer dann rot aufleuchtet, wenn man Zeit verschwendet, und weiß leuchtet, wenn man sie effizient nutzt. Die gesparte Zeit soll man später einsetzen können. Doch Momo kommt dahinter, dass die Agenten, die für Grey arbeiten, den Menschen in Wahrheit die Zeit stehlen. Als sie einen Widerstand organisiert, gerät sie ins Visier der skrupellosen Zeit-Diebe.
Auch wenn zahlreiche Aspekte der Geschichte deutlich moderner klingen, mit fliegenden Robotern, virtuellen Assistenten, (smarten) Armbändern oder Podcasts, im Kern ist Regisseur Ditter der Vorlage durchweg treu geblieben, bis hin zur weisen Schildkröte Kassiopeia, die Momo mitunter den Weg weist, oder den Stundenblumen. Interessanterweise sind es auch diese Punkte, die am gelungensten sind. Momos Ausflug in die Niemalsgasse und das Nirgendhaus von Meister Hora besitzen so viel Fantasie und gleichzeitig einen geradezu überspringenden Charme, dass die modernen Elemente wie riesige Reklametafeln in der Stadt, nicht nur deshalb hervorstehen, da die Trickeffekte hier nicht immer den Ansprüchen der Verantwortlichen genügen können. Vielmehr wirkt die Mischung aus der kühlen Moderne und einer warmen Fantasiewelt, als würde ersterer Aspekt nicht dazu passen wollen. Dabei zeigt Momo auch hier, dass das Drehbuch darum bemüht ist, einen zeitgemäßen Blickwinkel auf die Geschichte zu finden. Sorgten die Zeit-Diebe im Roman unter anderem dafür, dass die Erwachsenen keine Zeit mehr für die Kinder hatten, bezieht sich die Adaption auf den Selbstoptimierungskult im Allgemeinen. Während man irgendwo wartet, kann man noch am Smartphone etwas für die Arbeit organisieren, Fitnesstracker halten einen nicht nur über unzählige Mitteilungen auf dem Laufenden, sondern erinnern gleichzeitig daran, aktiver zu sein und die Achtsamkeit nicht zu vernachlässigen.
Durch unentwegtes Multitasking soll die Effizienz der persönlichen Lebensführung ins Unermessliche gesteigert werden, um Zeit zu erwirtschaften, die in der Geschichte auf einem Zeitersparniskonto angesammelt werden soll. Hiervon soll man irgendwann Zeit abheben, um sie mit Menschen zu verbringen, die einem wichtig sind. Doch wenn hier eine Mutter mit ihren Kindern spielt, leuchtet ihr Armband rot auf – es sei vergeudete Zeit. Aber wieso sollte die Zeit, die man irgendwann einmal mit den Liebsten verbringen möchte, wertvoller sein, als diejenige, die man gerade jetzt mit ihnen verbringen kann? Momo legt hier den Finger auf einen ganz großen Widerspruch in der Gesellschaft unserer Zeit, der sich aber vorrangig an ein erwachsenes Publikum richtet. Das ist es schließlich, das aus jeder freien Minute des Tages noch ein wenig mehr Produktivität herauskitzeln möchte, während bei Kindern die Zeit buchstäblich spielend verfliegt. Gleichzeitig richtet sich die Präsentation aber an ein junges Publikum. Selbst Teenagern, die mit der Romanvorlage nicht vertraut sind, dürfte der nicht nur stilistisch nicht immer ganz gelungene Mix auffallen.
Sieht man darüber und die im Mittelteil arg sichtbaren Trickeffekte hinweg, gibt es leider einen Aspekt an Christian Ditters Neuinterpretation des Jugendbuchklassikers, der vor allem einem älteren Publikum auffallen dürfte: die Synchronisation. Als internationale Produktion wurde der Fantasyfilm offenbar nicht auf deutsch gedreht. Die deutschsprachige Klangkulisse klingt jedoch nicht nur mit den oftmals aus dem Off eingesprochenen Dialogen, ohne dass die Gesichter zu sehen sind, als wäre sie im Studio entstanden. Richtiges Kinofeeling wie bei Hollywoodproduktionen kommt dabei leider nicht auf. Ähnlich unverständlich ist, weshalb die fiktive Stadt italienisches Küstenflair verbreitet (bis hin zu den Namen der Figuren), während die Texte im Film allesamt auf englisch gehalten sind. Es unterstreicht, dass das Konzept in sich keinen runden Eindruck hinterlässt. Das ist nicht nur unnötig, sondern schade.
Fazit:
Dass die Zeit-Diebe hier nicht mehr in Grau gekleidet sind und graue Zigarren rauchen, ist zwar bedauerlich, da sich das Sinnbild des grauen Alltags toll in den Schurken der Story wiederfindet, aber auch hier gibt sich die Neuinterpretation sichtlich Mühe. Regisseur Ditter fängt die Fantasie und den Charme der Vorlage vor allem im spannenden letzten Drittel gelungen ein, hält aber auch mit Humor nicht zurück. Er modernisiert den Klassiker, bleibt ihm aber gleichzeitig treu. Dass dabei nicht alles gleichermaßen gelungen ist, schmälert das Ergebnis nicht, zumal vor allem die Darstellung von Meister Horas Reich vor Ideen geradezu überspringt. Wenn sich Eltern Momo mit Ihren Kindern ansehen, nehmen sie vielleicht die Anregung mit, die Zeit jetzt zu genießen, anstatt auf eine Zukunft zu setzen, die niemand vorhersagen kann. Junge Zuseherinnen und Zuseher werden dabei nicht nur durchweg unterhalten, vielleicht wird sie die Idee von den Zeit-Dieben ähnlich faszinieren, wie diesen Kritiker, der sich zwar nur schemenhaft an Michael Endes fantasievolle Geschichte erinnern mag, den der Aspekt aber nie losgelassen hat. Sie so zum Leben erweckt zu sehen, ist daher einfach schön!