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Kritik von Jens Adrian |
Hinzugefügt am 22. Oktober 2025
Laufzeit: 119 min.
Produktionsland: Deutschland
Produktionsjahr: 2025
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren
Regie: Florian Dietrich
Musik: John Gürtler, Jan Miserre
Besetzung: Florian David Fitz, Nora Tschirner, Jerusha Wahlen, Corinna Kirchhoff, Bernd Hölscher, Jasmin Shakeri, Udo Samel, Holger Stockhaus, Aziz Dyab, Lorna Ishema, Anja Antonowicz, Marta Helmin, Falilou Seck, Zethphan Smith-Gneist
Kurzinhalt:
Nachdem Daniel Novak (Florian David Fitz) in der geschlossenen psychiatrischen Abteilung des Universitätsklinikums aufwacht, weigert er sich, irgendwelche Therapie- oder Gesprächsangebote anzunehmen. Sein Leben, seine Entscheidung – so seine Aussage. Mit einem Song einst berühmt geworden, konnte der Sänger nie an diesen Erfolg anknüpfen und hatte entschieden, sich das Leben zu nehmen. Ohne Erfolg. Als wäre das nicht schlimm genug, wird darüber in der Presse nicht einmal berichtet. Erst, als sich eine Reporterin meldet und ankündigt, ein Interview mit ihm führen zu wollen, erwacht in Daniel der Wille, aus der geschlossenen Abteilung verlegt zu werden. Die wissenschaftliche Mitarbeiterin Lissi (Nora Tschirner) macht ihm dazu ein Angebot: sie leitet eine Versuchsgruppe, bei der untersucht werden soll, ob Singen des Glücksgefühl der Menschen steigert. Nachdem Daniel zusagt, sich der Gruppe anzuschließen, holt sie ihn zu sich nach Hause. In der Studiengruppe zur Glücksforschung trifft Daniel unter anderem auf die depressive Elaha (Jerusha Wahlen). Der Therapieansatz scheint auch zu funktionieren, doch hat Daniel fest sein mögliches Comeback im Blick und sieht dabei nicht, dass die Hoffnungen und Erwartungen der Übrigen dabei auf der Strecke bleiben …
Kritik:
Man kann Florian Dietrichs Feel-Good-Komödie No Hit Wonder um einen Sänger, der nach einem Hit nie wieder den Ruhm erlangt hat, nach dem er sich sehnt, und der nach einem Suizidversuch in einer Studie landet, die Glücklichsein durch Gesang untersuchen soll, Vieles vorwerfen. Dass der Film zu einfache Antworten auf das Thema Depression liefert, beispielsweise, oder dass viele Klischees bedient werden. Doch das ändert nichts daran, dass die beabsichtigte Wirkung letztlich nicht ausbleibt und die Verantwortlichen mit viel Herz eine Geschichte erzählen, die einem ein Lächeln ins Gesicht zaubert.
Die Geschichte handelt von Daniel Novak, der einst so gut wie alles hatte. Eine große Fangemeinde, ausverkaufte Konzerte. Alles wegen eines Hits, „Time“, der passenderweise davon handelt, dass man diesem Gefühl des Erfolgs immer wieder nachjagt, ohne es zu erreichen. Sein Abstieg kam schleichend, bis hin zu öffentlichen Erniedrigungen in beliebten Fernsehsendungen. Also legt der allein lebende 49jährige die goldene Schallplatte, die er einst voller Stolz an die Wand gehangen hatte auf und versucht, sich das Leben zu nehmen. Doch der Schuss geht beinahe buchstäblich nach hinten los und er wacht in der geschlossenen Psychiatrie wieder auf. Dort trifft er auf Lissi, die als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Klinikum mit anderen Teilnehmenden eine Studie über Glück durchführen möchte. Auf unkonventionelle Art und Weise kann sie Daniel zur Mitarbeit überreden. Die übrigen Gruppenmitglieder sind teils hochgradig depressiv und haben einen ganz unterschiedlichen Hintergrund. Lissi stellt die Studie inhaltlich so vor, das durch das Singen ein höheres Glücksgefühl bei den Teilnehmenden erzeugen soll. Das funktioniert auch, sogar die reservierte Elaha, die sich Bestätigung in den Sozialen Medien sucht, taut auf. Doch dann droht ein Absturz, das zerbrechliche Glück in den Abgrund zu reißen.
No Hit Wonder versucht, viele verschiedene Themen in Bezug auf Depression abzudecken, die sich hier aber alle auf dieselbe Ursache zurückführen lassen: ausbleibende Bestätigung. Sei es im Falle von Daniel, der den Rausch des Erfolgs erfahren hat und sich nun ebenso vor der Bedeutungslosigkeit fürchtet, wie Elaha, die ihre Sichtbarkeit in der Gesellschaft anhand von Likes im Internet festmacht. Oder Taxifahrer Uwe, der keinen Kontakt mit seinen Kindern hat, obwohl er dies möchte. Ganz zu schweigen vom ehemaligen Vorstandschef Helmut, der in der Rente kaum mehr Verantwortung trägt und nicht bemerkt, wie er in die Demenz entgleitet, was seine Frau Ellen belastet. Es gibt noch deutlich mehr Teilnehmende der Gruppe, die aber noch weniger beleuchtet werden, was schade ist, denn die verschiedenen Schicksale spiegeln gelungen wider, weswegen Menschen in ein emotionales Loch fallen können, aus dem es scheinbar kein Entkommen gibt.
Der im Zentrum stehende Daniel wird in einem Moment von Lissi als um sich selbst kreisender Egomane beschrieben, für den die Menschen um ihn herum nur Mittel zum Zweck sind. Das macht inhaltlich auch Sinn, sieht man, wie er beständig versucht, sich ins Rampenlicht zu rücken, darauf aus, endlich wieder in den Schlagzeilen zu landen und seiner Karriere einen zweiten Frühling zu verleihen. Aber während Lissi selbst sagt, dass sie keine Therapeutin ist, sondern eine Wissenschaftlerin, die ihre Studienobjekte nur beobachten möchte, ist es doch Daniel, der in der Gruppe als leitender Therapeut auftritt und auf die unterschiedlichen Teilnehmenden eingeht. Er ist, um es mit anderen Worten zu sagen, für die Charakterzüge, die ihm zugeschrieben werden und die ihn laut Lissi definieren, oftmals schlicht zu nett und eben nicht (nur) um sich selbst bemüht. Es ist ein Umstand, der vor allem in der ersten Filmhälfte nicht recht zur Figur passen mag, wie auch die Situation um Daniels Teilnahme an der Studie vollkommen konstruiert erscheint. No Hit Wonder versucht hier, den Komödien-Aspekt in den Vordergrund zu rücken, und konzentriert sich auf Lissi und Daniel, anstatt die Gruppe selbst zu beleuchten, die an sich bereits zusammengewachsen ist, bevor Daniel auftritt.
Aber nicht nur, dass die gemeinsamen Gesangseinlagen stellenweise mit Gänsehautmomenten aufwarten, das Drehbuch versieht die Figuren hier mit kleinen Beobachtungen, die ihre Verletzlichkeit offenbaren und Hinweise darauf bieten, was sie in ihrem Leben so enorm belastet. Das ist ebenso gelungen, wie die handwerkliche Umsetzung. Es macht auch vergessen, dass die Geschichte in bekannten Bahnen verläuft und es keine Überraschung irgendwelcher Art gibt. Weder hinsichtlich der obligatorischen Liebesgeschichte, noch der Tiefpunkte, an denen die Figuren ankommen. Doch gerade mit diesen möchte No Hit Wonder sein Publikum offenbar nicht überfordern. Wenn Lissi Ellen zuhause aufsucht, offenbart sich einer der ehrlichsten und berührendsten Dialoge. Ebenso werden wenig später, wenn sich Daniel auf der anderen Seite des Krankenbettes wiederfindet, in dem er vor einigen Wochen aufgewacht ist, Wahrheiten freigelegt, die bereits beim Zuhören wehtun. Doch anstatt an diese dunklen Orte zu gehen und diese Momente auch auszuhalten, wechselt Regisseur Dietrich nach wenigen Augenblicken entweder die Szenerie, oder sorgt für eine Aufheiterung.
Das ist bedauerlich, denn nicht nur, dass die tolle Besetzung dem mühelos gewachsen wäre, womöglich würde es auch der einen oder dem anderen im Publikum helfen zu sehen, dass auch andere Menschen an diesen Scheidewegen oder Erkenntnissen angekommen sind, um ihre eigene Situation einschätzen zu können. No Hit Wonder geht hier oftmals in die richtige Richtung und den Weg dann zu mehr als zwei Dritteln. Doch vor dem letzten Stück, das die Geschichte stärker in Richtung Drama als leichtfüßige Komödie lenken könnte, scheuen sich die Beteiligten. Das macht die Botschaft, die sie transportieren möchten, aber nicht weniger hörenswert.
Fazit:
So sehr der einstige Hit-Sänger Daniel darauf aus ist, wieder an Bedeutung zu gewinnen, wie er dargestellt wird und sich verhält, wie schnell er sich in der Gesangsgruppe einbringt und sie gewissermaßen übernimmt, deckt sich nicht mit der Beschreibung seiner Person durch Lissi. Man könnte sich vorstellen, dass er ein egozentrischer Opportunist ist, der die anderen nur für sich nutzt, ehe in ihm eine Erkenntnis reift, doch so unsympathisch stellt die Komödie ihren Protagonisten nie dar. Dabei hätte hier ebenso Potential bestanden, wie auch bei den übrigen Gruppenmitgliedern, deren kurze Interviews zu Beginn Einblick bieten, was sie dorthin geführt hat. Hier zeigt sich auch, wie stark Florian Dietrichs Erzählung gespielt ist. Dass im letzten Drittel, wenn sich die Dinge zuspitzen, die emotionale Wirkung mitunter ausbleibt, liegt eher daran, dass der Film nicht bereit ist, diese Momente auch auszuhalten, sondern zu schnell von ihnen ablenkt. Zugegeben, die Antworten, die hier auf die Ursache von Depression geliefert werden, klingen mitunter zu einfach, wie auch die möglichen Lösungsansätze. Doch es gibt mehrere Augenblicke, die unter die Haut gehen und nachhallen, nicht, weil sie laut, sondern gerade eben, weil sie leise sind. Durchweg sympathisch, hat No Hit Wonder das Herz am rechten Fleck und selbst wenn das Happy End etwas zu dick aufgetragen scheint, der berührende Schlusspunkt unterstreicht, wie wichtig den Verantwortlichen das Thema war. Das ist gelungen und verdient es, von einem großen Publikum entdeckt zu werden.

