
Originaltitel: Black Phone 2
Laufzeit: 114 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2025
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren
Regie: Scott Derrickson
Musik: Atticus Derrickson
Besetzung: Mason Thames, Madeleine McGraw, Ethan Hawke, Demián Bichir, Miguel Mora, Jeremy Davies, Arianna Rivas, Anna Lore, Graham Abbey, Maev Beaty
Kurzinhalt:
Nord Denver, 1982. Vier Jahre sind vergangen, seit Finney (Mason Thames) dem als „Greifer“ (Ethan Hawke) benannten Kidnapper und Mörder entkommen konnte. Die Erlebnisse lassen ihn nicht los, nicht einmal seiner Schwester Gwen (Madeleine McGraw), die die Gabe besitzt, von Dingen zu träumen, die wahr werden, vertraut er sich an. Dann suchen Gwen erneut schlimme Träume heim von drei Jungen, die bei einem Feriencamp in den Rocky Mountains ermordet werden. Dort werden derzeit Betreuer gesucht und es gelingt Gwen, Finney zu überzeugen, sich für den Ferienjob zu melden. Zusammen mit Ernesto (Miguel Mora), der für Gwen schwärmt, fahren sie nach Colorado und kommen während eines schlimmen Schneesturms an, wegen dem nicht nur alle anderen Teilnehmenden absagen mussten, sondern der die drei zusammen mit den Angestellten um Campleiter Armando (Demián Bichir) und dessen Nichte Mustang (Arianna Rivas) an dem See festsetzt. Bald schon werden Gwens Träume noch gewalttätiger und was immer sie dorthin gelockt, sie sind dem geradezu ausgeliefert …
Kritik:
Je länger sich Scott Derricksons Fortsetzung seines erfolgreichen Horror-Thrillers The Black Phone [2022] entwickelt, umso mehr wird deutlich, dass Black Phone 2 zwar als Sequel gesehen werden kann, aber im Grunde eine Weitererzählung der ursprünglichen Geschichte ist, ähnlich wie Der Pate 2 [1974] zum ersten Film. Dabei erreicht der unheimliche und stellenweise brutale Thriller zwar nie auch nur ansatzweise dessen Komplexität, aber zu sehen, wie die Geschichten ineinandergreifen, macht einen Großteil des Reizes und der Überraschungen aus. Erstklassig in Szene gesetzt und stimmungsvoll ist es obendrein.
Nach einem kurzen Prolog setzt die Geschichte vier Jahre nach den Ereignissen des Vorgängers an. Nur augenscheinlich hat sich wenig geändert. Zwar leben Finney, der dem „Greifer“ entkommen ist, und seine Schwester Gwen immer noch bei ihrem Vater, der von Gwens übernatürlicher Begabung weiterhin nichts hören will (und von Finneys nichts weiß), aber immerhin hat er mit dem Trinken aufgehört. Auch ist es inzwischen Finney, der in der Schule andere verprügelt, anstatt verprügelt zu werden. Seine schrecklichen Erlebnisse lassen ihn weiterhin nicht los, obwohl er versucht, sie mit Drogen zu betäuben. Doch dann suchen Gwen wieder schlimme Träume heim, in denen sie sieht, wie drei Jungen in einem Christlichen Jugendlager grausam ermordet werden. Sie kann ihren Bruder überzeugen, dorthin zu fahren, zusammen mit Ernesto, Bruder eines der Jungen, den der Greifer ermordet hat. Am Alpine Lake in den Rocky Mountains angekommen, sind sie jedoch abgesehen von vier Angestellten die einzigen, da ein Blizzard die Zufahrt unmöglich macht. In einer Schnee- und Eiswüste gestrandet, werden Gwens Träume nicht nur immer gewalttätiger, offenbar sind sie dort alle der Macht des Greifer ausgesetzt, der seinen grenzenlosenTerror ausüben kann.
Die Geschichte verlagert das Augenmerk, wie man bereits ersehen kann, von Finney auf Gwen, die hier deutlich mehr zu tun bekommt. Sobald sie zu träumen beginnt, wird dies visuell sichtbar, da Bild und Ton wirken, als wären sie mit Hobbykameras aus jener Zeit aufgenommen. Ihre Träume sind, wie Träume nun einmal sind, örtlich und zeitlich nicht immer ganz schlüssig, aber doch eine Welt, die für sich Sinn ergibt. Filmemacher Derrickson erzeugt hier eine derart unheimliche Stimmung, dass man weniger deshalb mitfiebert, weil es so spannend ist, als dass man wissen möchte, was Gwen noch alles entdeckt. Überhaupt dauert es sehr, sehr lange, ehe Gwen und Finney dem Greifer tatsächlich gegenüberstehen. Er ist nach den traumatischen Ereignissen des ersten Films zwar eine andauernde Präsenz in ihrem Leben, als hätte er sie nie verlassen, doch manifestiert er sich erst nach der Hälfte des Films. Solange könnte man beinahe denken, Black Phone 2 würde eine eigenständige Geschichte erzählen und dabei insbesondere die Figuren weiter vertiefen. Doch beginnt die Story, sich mit dem Geschehen des ersten Teils und der Familiengeschichte von Gwen und Finney zu verzahnen, ergibt all dies nicht nur deutlich mehr Sinn. Es bereichert die Hintergrundstory und die Figuren ungemein.
Eine der größten Stärken der Erzählung ist dabei einmal mehr die handwerkliche Umsetzung. Die Ausstattung ist fantastisch, doch gerade die Optik mit den leicht grobkörnigen Bildern, dem merklich schwächeren Kontrast, der alledem das Gefühl eines Horrorfilms der frühen 1980er-Jahre verleiht, und die langen Einstellungen, die spürbar für Spannung sorgen, zeichnen Black Phone 2 aus. All das verleiht dem Geschehen nicht nur ein immens authentisches Flair, es sorgt in der Abgeschiedenheit an dem eingeschneiten See mit den wenigen Figuren und der beinahe konturlosen Bedrohung für eine beängstigende Atmosphäre, die sich wie der Schneesturm zu Beginn regelrecht festsetzt. Dass Gwen den brutalen Ereignissen in ihren Träumen geradezu unausweichlich ausgesetzt ist, verstärkt dies nur noch, zumal die Besetzung einmal mehr ein Highlight darstellt. Madeleine McGraw und Mason Thames bringen ihre Figuren erneut erstklassig zur Geltung, die sich an ganz unterschiedlichen Punkten ihrer Entwicklung befinden. Während Gwen fürchtet, wie ihre Mutter von ihren Visionen in den Wahnsinn getrieben zu werden, strahlt Finney eine brodelnde Unruhe aus, dass man seine beständige Wut beinahe spüren kann und er gar nicht bemerkt, wie ähnlich er seinem Vater aus dem ersten Film wird. Demián Bichir setzt dabei mit seiner umsichtigen Figur einen gelungenen Gegenpol.
Fans des ersten Films, die darauf hoffen, dass der Greifer beinahe ab dem ersten Moment ähnlich wie bei Nightmare – Mörderische Träume [1984] seine Opfer heimsucht, werden womöglich enttäuscht sein. Zwar hält Regisseur Scott Derrickson nicht mit brutalen Einstellungen zurück, doch er setzt erneut mehr auf einen langsamen Aufbau seiner Geschichte und eine grundlegend beunruhigende Umgebung. Beinahe, als würde er Figuren auf einem Schachbrett positionieren, ehe in der zweiten Filmhälfte der Horror für die beiden zentralen Figuren entfesselt wird. Das ist nicht als Kritikpunkt gemeint und wer sich auf Black Phone 2 mit diesem Wissen einlässt und entdecken möchte, wie all dies zusammenhängt, wird auch durchaus auf ihre bzw. seine Kosten kommen. Es hilft jedoch, die Erwartungshaltung, die gemeinhin an eine Fortsetzung gestellt wird, entsprechend anzupassen. Dann entfaltet der erstklassig umgesetzte Horror-Thriller nicht nur seine volle Wirkung, sondern bereichert seinen Vorgänger um eine in sich stimmige Hintergrundgeschichte, von dem auch der erste Teil profitiert.
Fazit:
In vielerlei Hinsicht bleibt Filmemacher Scott Derrickson dem treu, was er bereits im ersten Film etabliert hat. Lange Sequenzen, die auf Spannung setzen und deren Schreckmomente mit lauten Klängen einhergehen, wobei letztere hier seltener sind und der Horror mehr aus der Situation erwächst, der die Figuren nicht entkommen können. Auch verhalten sich seine Charaktere hier so natürlich, wie man es sich in Anbetracht der Umstände vorstellen kann. Es werden die richtigen Fragen gestellt und die entsprechenden Schlüsse gezogen. Das wirkt auch deshalb innerhalb des Genres so erfrischend, weil Black Phone 2 handwerklich fantastisch in Szene gesetzt ist. Kamera, Schnitt und Ausstattung sind hervorragend, was auch darüber hinwegtröstet, dass das Finale inhaltlich arg absehbar verläuft, selbst wenn es Fans des ersten Films bietet, was diese erwarten. Die Geschichte entfaltet erst im Zusammenspiel mit dem ersten Teil ihre volle Wirkung und greift mit dem so gelungen ineinander, als wäre sie zusammen damit entstanden. Es ist die vielleicht größte Überraschung des Films und sollte der vorrangige Grund sein, entdecken zu wollen, wie es Finney und Gwen seit den schrecklichen Ereignissen ergangen ist. Zusammen ergeben beide Filme eine Einheit, die im Genre durchaus bemerkenswert ist.