The Long Walk – Todesmarsch [2025]

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Wertung: 5.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 2. September 2025
Genre: Horror / Drama

Originaltitel: The Long Walk
Laufzeit: 108 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2025
FSK-Freigabe: noch nicht bekannt

Regie: Francis Lawrence
Musik: Jeremiah Fraites
Besetzung: Cooper Hoffman, David Jonsson, Mark Hamill, Garrett Wareing, Joshua Odjick, Tut Nyuot, Charlie Plummer, Ben Wang, Roman Griffin Davis, Jordan Gonzalez, Judy Greer, Josh Hamilton, Izabella Raven


Kurzinhalt:

Seit dem Großen Krieg befinden sich die Vereinigten Staaten in finanziellen Schwierigkeiten. Das totalitäre Regime unterdrückt die freie Meinungsbildung, hat Lieder und Bücher, die von Freiheit und Hoffnung sprechen, verboten. Um jungen Männern Aufstiegschancen zu bieten und das Bruttoinlandsprodukt anzukurbeln, wird jedes Jahr der „Lange Marsch“ veranstaltet. Alle jungen Männer können sich bewerben, aber nur 50 werden ausgewählt. Sie müssen auf einer vorgegebenen Route marschieren. Wer langsamer wird als 3 Meilen pro Stunde, erhält eine Verwarnung und wird nach drei Verwarnungen in einer bestimmten Zeit erschossen. Es siegt, wer am Ende übrig bleibt. Das Spektakel wird im Fernsehen übertragen und von dem brutalen Major (Mark Hamill) geleitet. In diesem Jahr zählen zu den Läufern auch Raymond „Ray“ Garraty (Cooper Hoffman) und Peter „Pete“ McVries (David Jonsson). Sie verstehen sich auf Anhieb gut, auch mit Arthur (Tut Nyuot) und Hank (Ben Wang). Doch was sich nach einem Ausflug anhört, zeigt alsbald, dass es sich um einen Todesmarsch handelt. Nicht nur, dass es Läufer wie Gary Barkovitch (Charlie Plummer) oder Stebbins (Garrett Wareing) gibt, die nur ihr eigenes Fortkommen im Blick haben, wie lange sollen die freundschaftlichen Bande zwischen Ray und Pete halten, wenn es nur einen Sieger gibt – und ihre Kräfte schwinden?


Kritik:
Basierend auf Stephen Kings erstem, wenn auch nicht erstveröffentlichtem Roman Todesmarsch, den er 1979 unter dem Pseudonym Richard Bachman publizierte, erzählt Filmemacher Francis Lawrence in The Long Walk eine ebenso einfache wie beängstigende Geschichte. Die gewinnt vor allem dank der treffenden und hochaktuellen Aussagen an Bedeutung, während es die Figuren sind, deren Schicksal zunehmend fesselt. Auf Grund der dargestellten Brutalität eignet sich das nur für ein erwachsenes Publikum, das den Blick aber kaum von der Leinwand wird losreißen können.

Nach dem Großen Krieg haben sich die Vereinigten Staaten wirtschaftlich nicht erholt. Das totalitäre Regime hat die freie Meinungsäußerung ebenso eingeschränkt, wie Bücher oder Musik aus vergangenen Zeiten verboten, die von der damaligen Freiheit zeugen. Wer diese Medien oder Lehren verbreitet, bekommt die Möglichkeit, dem Regime die Treue zu schwören, oder wird exekutiert. Jedes Jahr wird ein „Langer Marsch“ veranstaltet, für den sich alle jungen Männer bewerben können. Fünfzig werden im Zuge einer Lotterie gezogen und haben nur eine Aufgabe: marschieren oder sterben. Wer die Route verlässt, wird erschossen und wer für ein paar Sekunden unter 3 Meilen pro Stunde fällt, ca. 5 km/h, erhält eine Verwarnung. Nach drei Verwarnungen werden die Läufer erschossen, wobei die Verwarnungen nach der jeweiligen Anzahl der Stunden ohne Verlangsamung gestrichen werden. Wer als letztes läuft, hat gewonnen. Am Ende des Marsches, der als Spektakel live im Fernsehen übertragen wird, winkt ein Preisgeld, mit dem sich der Gewinner alles kaufen kann. Außerdem darf er einen Wunsch äußern, der erfüllt wird.

Der Marsch wird von dem brutalen wie erbarmungslosen Major begleitet, der die Teilnehmenden zu Beginn einschwört. So auch Ray Garraty und Peter McVries, die sich von Beginn an gut verstehen. Zusammen mit Art und Hank bilden sie sogar eine Clique, die sich lange unterstützt. Aber unter den Teilnehmenden sind auch Einzelgänger wie Collie und der durchtrainierte Stebbins. Oder Gary Barkovitch, der seine Freude daran zu haben scheint, wenn die ersten Läufer aus dem Wettkampf ausscheiden bzw. ihr „Ticket“ lösen, wie es euphemistisch heißt. Zu Beginn von The Long Walk scheint es beinahe so, als wäre dies ein gewöhnlicher Wettbewerb, bei dem man seine Teilnahme einfach beenden kann. Doch dann treten die ersten Krämpfe auf und die Läufer fallen unter die Geschwindigkeitsvorgabe. In der Nacht ist es besonders schlimm, oder bergauf, denn es gibt keine Unterbrechung und kein Zurück. Wer die Absperrung zum Startpunkt überschritten hat, muss laufen, oder stirbt. Es gibt nur einen Sieger und keine Ziellinie.

Die Ausgangslage von The Long Walk klingt so einfach, dass man sich fragt, wie man damit eine ganze Erzählung füllen soll. Aber Filmemacher Lawrence bleibt bis auf zwei kurze Szenen bei seinen Läufern auf ihrem hunderte Meilen dauernden Marsch. Sie unterhalten sich dabei, tauschen sich über ihr Leben aus und darüber, was sie mit dem Preisgeld und dem Wunsch machen würden. Sie stützen sich gegenseitig, teilen ihre Vorräte oder feuern sich an, selbst wenn sie zu einem Liegengebliebenen nicht umkehren können, ohne selbst eine Verwarnung zu kassieren. Es sind Dialoge, die mehr offenbaren, als das augenscheinlich Gehörte. Selbst wenn Ray bereits ganz zu Beginn den Kern des perfiden Marsches aufdeckt, wenn er davon erzählt, dass sich alle jungen Männer darauf beworben haben, weil es der armen und hoffnungslosen Gesellschaft als einziger Ausweg aus ihrer Misere präsentiert wird. Wenn man allerdings stets gesagt bekommt, man habe keine Wahl, wie frei ist die Entscheidung dann? Und wie fair ist ein gutes Leben, das man nur dadurch erlangen kann, dass alle anderen ihres verlieren?

Trotz dieser düsteren Aussichten entwickelt sich zwischen den Protagonisten nicht nur eine spürbare Kameradschaft, sondern eine richtige Freundschaft, bei der man sich aber fragen muss, wie lange sie halten wird, wenn Schlafentzug und Erschöpfung an ihren Nerven zerren. Wenn es nicht nur um Gewinnen oder Verlieren geht, sondern um Leben oder Tod. Die Läufer laufen durch Dörfer und über Landstraßen, die trotz grüner Felder und Wiesen einem Ödland gleichen. Es gibt hier keine Hoffnung und die Entwürdigung der Teilnehmenden kennt keine Grenzen, die während des Laufens selbst ihre Notdurft verrichten müssen, begleitet von den Kameras. Wer dabei nicht schnell genug ist, löst entsprechend ebenfalls sein „Ticket“. Aber selbst wenn es Momente gibt, in denen sich die Jungen gegeneinander wenden, sie lehnen sich doch gegen ein System auf, das sie zu diesem entmenschlichenden Spektakel zwingt. Dem beizuwohnen, ihren Dialogen zuzuhören, ist packend, auch dank der Besetzung, die durchweg erstklassig ausgewählt ist, und von Cooper Hoffman und David Jonsson preiswürdig angeführt wird. Sie bringen die unterschiedlichen Charaktere der jungen Männer, die ungeachtet ihres gleichen Erlebnisses doch ganz verschiedene Perspektiven mitbringen, greifbar zur Geltung.

Das ändert nichts daran, dass dies inhaltlich schwere Kost ist, die nicht nur hinsichtlich der nihilistischen Sichtweise auf die Gesellschaft insgesamt ein wenig an Civil War [2024] erinnert. Tatsächlich wartet Francis Lawrences Adaption mit gleichermaßen vielen aktuellen Bezügen auf und hält der Leistungsgesellschaft im Allgemeinen sowie der zunehmend isolierter werdenden Ellbogengesellschaft im Speziellen aber einen unangenehmen Spiegel vor. Gerade aus dem Grund klingt die Ansage des Major zu Beginn zwar verlockend, ist aber gleichzeitig irriger Hohn, „Jeder kann gewinnen“. Was er nicht sagt ist, jeder kann gewinnen, aber nur einer wird es – und alle anderen werden somit verlieren.


Fazit:
Die Ausgangslage klingt simpel und, bedenkt man den gesellschaftlichen Stand der jungen Läufer, die mit ihrer schmutzigen Kleidung antreten, auch vielversprechend. Sie müssen nur länger laufen als alle anderen, dann erwarten sie Ruhm und Reichtum. Tatsächlich unterwerfen sie sich damit einem System, das nicht auf Rücksicht und ein Miteinander aufgebaut ist, sondern purem Egoismus. Wie grausam dies tatsächlich ist, wird in einigen Momenten auf eine geradezu schmerzhafte Art und Weise entblößt. Sei es, wenn die Läufer bis zur vollkommenen Erschöpfung oder mit unerträglichen Schmerzen laufen, oder diejenigen, die sich gegen das Spektakel auflehnen, nicht getötet, sondern als abschreckende Warnung dem Tode geweiht zurückgelassen werden. Vor diesem Hintergrund wirkt die sich aufbauende Freundschaft zwischen Ray und Peter wie ein Leuchtfeuer der Hoffnung, bei dem aber absehbar ist, wie es enden wird. Ob Filmemacher Francis Lawrence sein inhaltlich hochaktuelles und so treffendes wie erschütterndes, dystopisches Gesellschaftsporträt in der Brutalität hätte umsetzen müssen, sei dahingestellt. Es schmälert nicht seine Relevanz oder wie sehr die Geschichte dieser jungen Männer doch berührt. The Long Walk – Todesmarsch ist ein immens starker und packend gespielter Film, der ein nervenstarkes Publikum benötigt, um sich dem zu stellen. Das lohnt, vor allem dank der lebensbejahenden Aussagen, die sich hier verbergen. Aber das bedeutet nicht, dass einem der düstere Weg gefallen muss, den auch das Publikum zu gehen hat, um sie zu finden.
 

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