Tron [1982]

Wertung: 4 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 04. Januar 2011
Genre: Science Fiction

Originaltitel: TRON
Laufzeit: 96 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 1982
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: Steven Lisberger
Musik: Wendy Carlos
Darsteller: Jeff Bridges, Bruce Boxleitner, David Warner, Cindy Morgan, Barnard Hughes, Dan Shor, Peter Jurasik, Tony Stephano, Craig Chudy, Vince Deadrick Jr., Sam Schatz, Jackson Bostwick, David S. Cass Sr.


Kurzinhalt:
Bei dem Versuch, sich in das Computersystem seines ehemaligen Arbeitgebers Encom zu hacken, scheitert Kevin Flynn (Jeff Bridges). Sein Clu-Programm wird von den Wachprogrammen des Master Control Programs abgefangen und gelöscht. Encom-CEO Ed Dillinger (David Warner) weiß, was Flynn im System sucht und beschränkt darum alle Zugänge, so dass Entwickler Alan Bradley (Bruce Boxleitner) sein Tron-Programm nicht fertigstellen und aktivieren kann. Es wäre in der Lage, sogar den MCP zu überwachen.
Als Bradley zusammen mit Lora (Cindy Morgan) Flynn aufsucht und ihn zur Rede stellt, erklärt er, weswegen er von Dillinger gefeuert wurde und was er im System sucht. Gemeinsam brechen sie bei Encom ein, doch während Flynn an einem Terminal einen weiteren Hackversuch unternimmt, startet das MCP eigenmächtig einen von Lora mitentwickelten Laser, der Materie einscannt und desintegriert. So wird Flynn in den Computer gebracht, wo er sich nicht nur dem MCP gegenübersieht, sondern auch dessen Handlanger Sark (David Warner). Flynn soll, wie andere Programme auch, auf dem Spieleraster gelöscht und damit getötet werden. Seine einzige Chance ist die Flucht und, zusammen mit Tron, den MCP zu überwältigen – eine schier unlösbare Aufgabe ...


Kritik:
Als Tron im Sommer 1982 in den amerikanischen Kinos anlief und nach Disneys letztem Realspielfilm Das Schwarze Loch [1979] der nächste Misserfolg ins Haus stand, war es für das Studio ein Desaster. Es sollte ein Jahrzehnt dauern, ehe man sich erneut an jenes Territorium heranwagen würde. Die Zuschauer wussten vor beinahe 30 Jahren schlichtweg nicht, was sie von Tron halten sollten. Als das Computerzeitalter noch in den Kinderschuhen steckte, konnten Viele mit den Bezeichnungen, den Abstraktionen der Geschichte nichts anfangen. Heute gilt der Film immer noch weithin als unverständlich, doch erkennt man inzwischen Themen, die aus heutiger Sicht durchaus aktuell sind und damals schlicht fantastisch und visionär wirken mussten. Die Science Fiction-Elemente sind dabei zwar immer noch an den Haaren herbei gezogen, aber lassen erahnen, wie Filmemacher vor 30 Jahren das Innere der Computer visuell zum Ausdruck bringen wollten. Es war eine andere Welt, ungleich allem, was man bis dahin gesehen hatte.

Dabei ist das Kernthema von Tron ein sehr greifbares. Kevin Flynn, der nach seinem Rauswurf aus der Firma Encom eine erfolgreiche Videospielhalle führt, versucht sich in das System Encoms hinein zu hacken, um Beweise zu finden, dass Encom-Vorstand Ed Dillinger seine Ideen gestohlen und als seine eigenen verkauft hat. Doch das Computersystem, oder vielmehr das gesamte Gebäude Encoms wird von einem intelligenten Computerprogramm überwacht und geleitet: dem Master Control Program. Das ist sich nicht nur seiner selbst bewusst, sondern weiß auch über die Machenschaften Dillingers Bescheid, beziehungsweise ist über die Einbruchversuche Flynns informiert. Nach dem Studium der Menschen ist das MCP davon überzeugt, die Welt sogar effektiver regieren zu können. Encom-Angestellter Alan Bradley (Bruce Boxleitner in einer Doppelrolle) arbeitet seit einiger Zeit an einem Monitorprogramm, das alle Aspekte eines Computers überwachen könnte: Tron. Es wäre sogar dem MCP übergeordnet. Doch bevor Bradley Tron starten kann, schränkt Dillinger seinen Zugang ein. Als Bradley durch Flynn außerdem erfährt, was Dillinger getan hat, tut er sich mit Flynn und Lora – Bradley jetziger Geliebter und Flynns ehemaliger – zusammen und bricht in das Encom-Gebäude ein. An einem Terminal versucht Flynn, sich in das System zu hacken, doch der MCP hat ihn bemerkt und nutzt einen von Lora mitentwickelten Laser, um Flynn in seine Atome zu zerlegen und zu digitalisieren. In dem Computer trifft Flynn nicht nur auf Tron, sondern auch auf den MCP und dessen Handlanger Sark, die gekidnappte Programme auf einem Spieleraster desintegrieren oder sich ihre Informationen zu eigen machen.
Wäre Tron auch in dieser Reihenfolge erzählt, wäre der Science Fiction-Film besser verständlich. Doch springt Regisseur Steven Lisberger insbesondere im ersten Drittel zwischen der realen Welt und der Computerwelt hin und her, zeigt ein von Flynn programmiertes Programm, das auf der Flucht vor dem MCP gefangen genommen und gelöscht wird und wirft den Zuschauer damit immer wieder in eine Welt, die er nicht versteht, weil er ihre Gesetzmäßigkeiten nicht kennt. Die Ausgangsidee um Industriespionage beziehungsweise einer künstlichen Intelligenz in Form eines Computerprogramms, das so mächtig geworden ist, dass es seine Schöpfer nicht nur in Frage stellt, sondern gar schon kommandiert, muss für die damalige Zeit ungreifbar gewesen sein. Angesichts der Entwicklungen der heutigen Zeit, der Tatsache, dass Computer überall für alles eingesetzt werden und den leidvollen Erfahrungen, wie angreifbar die Systeme durch Viren sind, ist das Szenario im Kern durchaus nachvollziehbar. Flynn in den Computer zu beamen oder gar die Programme zu personifizieren, ist ebenso abstrus wie die sichtbar gemachten Dimensionen des Rasters. Nichtsdestoweniger steckt viel Fantasie dahinter und der tricktechnische Aufwand war immens. Nie zuvor wurden solche computergenerierten Bilder gezeigt, die damals auch nicht in solchen Bewegungen entstanden sind, sondern von den Machern Bild für Bild gezeichnet werden mussten. Einfälle wie das Bit mit seinen zwei Zuständen (1 und 0 oder ja und nein) oder die Idee von Tron als übergeordnetes Kontrollprogramm ähnlich einer Firewall belegen ebenso wie viele andere Visualisierungen, dass die Filmemacher sich mit dem Thema durchaus beschäftigt haben.

Dass sich Tron nicht für ein breites Publikum eignete, liegt jedoch in der Natur der Materie, die außerdem nicht zugänglich genug aufbereitet wurde. Auch die sehr gewöhnungsbedürftige musikalische Untermalung trägt ihren Teil dazu bei, wirkt auf Grund ihrer fremdartigen Umsetzung jedoch zu den Bildern durchaus passend. Als Experiment ist Lisbergers Film durchaus gelungen und gibt sich aus heutiger Sicht sogar verständlicher als damals. Dennoch wäre mit einer besseren Strukturierung der Geschichte ein ansprechenderer Film möglich gewesen. Beinahe 30 Jahre danach fasziniert es zu sehen, wie sich Geschichtenerzähler das Innenleben des Computers vorgestellt haben. Und auch, wie zeitlos gültig sie mit ihren Befürchtungen bezüglich deren Allmacht geblieben sind.


Fazit:
Was machen Computer, wenn niemand hinsieht? Würde man sich Programme als Personen vorstellen, wären sie nur glücklich, wenn sie nützlich sind. Und würde man sie nicht beachten, wer wüsste, auf welche Ideen sie kommen? Das Konzept des Wissen anhäufenden MCP als künstliche Intelligenz wirkt auch aus heutiger Sicht nur utopisch. Nur wie lange noch? Tron erscheint, lässt man nostalgische Verklärungen außer Acht, wie ein Mahnmal einer Zeit, in der die Nützlichkeit von Computern ihren Gefahren gegenüber gestellt wurde. Im digitalen Zeitalter sind Computer nicht mehr wegzudenken und Bedenken von Organisationen, ihnen nicht zu viele Verantwortungsgebiete zu übertragen, werden oft abgetan. Wo die Gefahren liegen, versuchte Tron seinerzeit zu veranschaulichen.
Die Idee, Menschen in den Computer hineinzubeamen und ihn aus ihrer Sicht zu schildern, ist so aberwitzig wie originell. Wie sehr sich die Macher in die Materie eingearbeitet haben, sieht man an vielen Details und der betriebene Aufwand ist beachtlich, wenngleich aus jetziger Sicht angestaubt. Allerdings ist die Geschichte auch heute noch für viele Zuschauer nicht zugänglich genug. Leider, denn damit entgehen ihnen im Kern durchaus visionäre Aussagen, die bis dato ihre Gültigkeit bewahren.