Three Billboards outside Ebbing, Missouri [2017]
Wertung: |
Kritik von Jens Adrian |
Hinzugefügt am 15. Dezember 2017
Genre: Drama / KrimiOriginaltitel: Three Billboards outside Ebbing, Missouri
Laufzeit: 115 min.
Produktionsland: Großbritannien / USA
Produktionsjahr: 2017
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren
Regie: Martin McDonagh
Musik: Carter Burwell
Darsteller: Frances McDormand, Sam Rockwell, Woody Harrelson, Abbie Cornish, Caleb Landry Jones, Lucas Hedges, Zeljko Ivanek, Clarke Peters, John Hawkes, Peter Dinklage, Samara Weaving, Sandy Martin, Amanda Warren, Darrell Britt-Gibson, Kathryn Newton
Kurzinhalt:
Sieben Monate sind vergangen, seit Mildred Hayes' (Frances McDormand) Tochter Angela (Kathryn Newton) vergewaltigt und ermordet wurde. Doch die örtliche Polizei unter der Leitung von Sheriff Willoughby (Woody Harrelson) hat weder einen Verdächtigen, noch verfolgt sie anscheinend irgendeine eine Spur. Mildred zweifelt gar, dass sie überhaupt noch ermitteln und so mietet sie drei Plakatwände an einer kaum befahrenen Landstraße, auf denen sie in großen Buchstaben und deutlich sichtbar den Sheriff unter Druck setzt. Die Aufmerksamkeit ist Mildred sicher, aber während der Sheriff Verständnis zeigt, fühlen sich manche in der Kleinstadt persönlich angegriffen und auch der rassistische Polizist Dixon (Sam Rockwell) will seinen Vorgesetzten verteidigen. Wird Mildred eingangs noch unterstützt, kippt die Stimmung gegen sie und ruft auch ihren Ex-Mann Charlie (John Hawkes) auf den Plan. Nicht einmal die Einwände ihres Sohnes Robbie (Lucas Hedges) lässt Mildred auf ihrem Kreuzzug gelten und sieht sich damit alsbald allein auf weiter Flur …
Kritik:
Auch wenn Martin McDonaghs Three Billboards outside Ebbing, Missouri viel trockenen Humor bietet, ist es keine Komödie. Obwohl ein Verbrechen im Zentrum steht, ist es kein Krimi. Der Filmemacher erzählt mit einem bewundernswerten Gespür von einer Mutter, die einen Weg sucht, mit ihrer Trauer um den Verlust ihrer Tochter und der Wut auf die Person, die sie ihr genommen hat, umzugehen. Es ist ein Film voller großartiger Darbietungen und einer Stimmung, die gleichermaßen den Erzählrhythmus definiert, wie sie nachwirkt.
Im Zentrum steht die allein erziehende, geschiedene Mildred Hayes , deren Tochter Angela sieben Monate zuvor vergewaltigt und ermordet wurde. Seither tappt die Polizei unter der Leitung von Sheriff Bill Willoughby im Dunkeln und hat sich seit Monaten nicht einmal mehr bei ihr zum Stand der Ermittlungen gemeldet. Also nimmt Mildred die Dinge selbst in die Hand – nicht, indem sie selbst nach dem Täter sucht, sondern indem sie die Polizei in Zugzwang bringt. Auf drei großen Plakatwänden an der Straße, bei der das Verbrechen geschah, lässt sie groß lesbar einen Text anbringen. Der wirft die Frage auf, wieso Chief Willoughby immer noch niemanden verhaftet hat.
Sieht man Mildreds schneidendes Auftreten, hört ihre klaren, unverblümten Worte, könnte der Kontrast zu den übrigen Einwohnern des fiktiven Ebbing, Missouri größer kaum sein. Die vielen, pointierten Dialoge treffen ins Mark. Der Unterschied macht die völlige, bis zur Verzweiflung reichende Fassungslosigkeit des jungen Polizisten Dixon, als er die drei Plakatwände zum ersten Mal sieht, umso amüsanter. Jedoch nur, bis man den Text der Tafeln selbst sieht, der knapp beschreibt, was mit Mildreds Tochter geschehen ist.
Filmemacher McDonagh, der auch das Drehbuch schrieb, gelingt ein Balanceakt zwischen sehr, sehr trockenem und mitunter auch bitterbösem Humor sowie den ernsten Momenten, bei denen einem das Lachen im Nu vergeht.
Der von Woody Harrelson mit so vielen leisen Untertönen sehenswert und preisverdächtig gespielte Sheriff Willoughby scheint dabei im ersten Moment der "Bösewicht" des Krimis zu sein. Nicht, weil man dem zweifachen Familienvater zutrauen würde, ein solches Verbrechen begangen zu haben, sondern weil er es versäumt, den oder die Täter zur Rechenschaft zu ziehen. Angesichts der augenscheinlichen Gemütlichkeit der örtlichen Polizei mag man ihm zumindest ein schuldhaftes Unterlassen vorhalten. Doch seine Figur entpuppt sich sowohl durch die wenigen gemeinsamen Szenen mit Mildred als auch durch die unerwartete Wendung, die seine Geschichte nimmt, als jemand ganz anderes, als man zunächst erwarten würde.
So verhält es sich mit allen Figuren, die Three Billboards outside Ebbing, Missouri beleuchtet. Der meistens betrunkene Polizist Dixon – eine von Sam Rockwells besten Darbietungen – prügelt immer nur auf Schwächere ein, lebt selbst jedoch mit seiner Mutter zusammen und hat einen besseren Kern als vermutet. Die Entwicklung, die er durchmacht, zählt zu den Highlights des Skripts. Während Mildreds Sohn Robbie nicht an das erinnert werden möchte, was mit seiner Schwester geschehen ist, sind die Billboards für Mildred ein Mittel wider das Vergessen. Was sie für sie bedeuten, wird in einer Szene auf ergreifende Weise deutlich. Und bekommt man den letzten Abschied zwischen ihr und ihrer Tochter gezeigt, der tragischer nicht hätte sein können, dann versteht man auch warum. Die stets großartige Frances McDormand strahlt eine abweisende Härte aus, die überrascht und mitunter gar beeindruckt, weil sie unangreifbar stark erscheint. Doch wenn man den ersten Auftritt ihres Ex-Manns sieht und erfährt, dass er sie misshandelte, dann erkennt man, dass diese Härte nur der Panzer ist, den sie sich zugelegt hat, um nicht zu zerbrechen.
Die stimmungsvollen Bilder sind fantastisch ausgewählt und drücken gelungen aus, was in den Figuren vor sich geht. Ebenso wie die tolle musikalische Untermalung durch Carter Burwell, der verschiedene Themen findet, von denen sich eines anhört, als würde Mildred in den Krieg ziehen. Im Grunde ist genau das in Three Billboards outside Ebbing, Missouri auch der Fall. Sie nimmt den Kampf auf mit der örtlichen Polizei und einer Welt, in der das Leben trotz dessen, was ihrer Tochter widerfahren ist, weitergeht. Die Plakatwände sind für sie ein Befreiungsschlag. Ihr dabei zuzusehen ist nicht einfach, aber gerade deshalb für ein ruhiges, erwachsenes Publikum, das einen Sinn für trockenen Humor besitzt, umso sehenswerter.
Fazit:
Filmemacher Martin McDonagh gibt keine einfachen Antworten. Vieles stellt sich als bedeutend komplizierter heraus, als es den Anschein besitzt. Angefangen von einem untätigen und vermeintlich teilnahmslosen Sheriff, bis hin zu einem rassistischen Polizisten, der nicht in der Lage scheint, zwei und zwei zusammenzuzählen. So gibt es beinahe für jede der tragenden Figuren einen Moment im Film, in denen sie verletzlicher und sympathischer kaum sein könnten, während es jedoch auch Momente gibt, in denen sie alle grundunsympathisch sind. Three Billboards outside Ebbing, Missouri ist von allen Beteiligten hervorragend gespielt, allen voran Frances McDormand, Sam Rockwell und Woody Harrelson. Was ein interessiertes Publikum nur im Vorfeld wissen sollte, ist, dass dies kein Krimi um das eigentliche Verbrechen ist. Es ist vielmehr ein Drama um das, was dieses Verbrechen mit den Menschen anstellt. Mildred Hayes auf der einen Seite und einer ganzen Kleinstadt auf der anderen, die verdrängen möchte, was in ihrer unmittelbaren Umgebung geschehen ist und woran sie Mildreds Billboards ständig erinnern. Der böse, trockene und teils ziemlich schwarze Humor hilft den Figuren, nicht daran zu verzweifeln. Dies ist einer der besten, der bestfotografierten und mit einem fantastischen Rhythmus erzählten Filme des vergangenen Jahres, doch er eignet sich nur für ein spezielles Publikum.