Stephen King's Rose Red – Das Haus der Verdammnis [2002]
Wertung: |
Kritik von Jens Adrian |
Hinzugefügt am 31. Dezember 2004
Genre: HorrorOriginaltitel: Rose Red
Laufzeit: 243 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2002
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren
Regie: Craig R. Baxley
Musik: Gary Chang
Darsteller: Nancy Travis, Matt Keeslar, Kimberly J. Brown, David Dukes, Judith Ivey, Melanie Lynskey, Matt Ross, Julian Sands, Kevin Tighe, Julia Campbell, Emily Deschanel, Laura Kenny, Tsidii Leloka, Jimmi Simpson
Kurzinhalt:
Joyce Reardon (Nancy Travis) ist Professorin an der Universität, doch ihr Studienzweig für paranormale Aktivitäten soll eingespart werden. Um den Zweiflern, darunter auch Professor Miller (David Dukes), einen Beweis für Übersinnliches zu liefern, organisiert sie ein Wochenende im Anwesen Rose Red, ein Mekka für Erforscher des Übernatürlichen, in dem seit seiner Erbauung vor beinahe 100 Jahren immer wieder Menschen verschwunden sind.
Doch um diese 'tote Zelle' des Spirituellen zum Leben zu erwecken benötigt sie die Hilfe von übersinnlich begabten Medien; darum möchte Joyce unbedingt die telekinetisch begabte Annie Wheaton (Kimberly J. Brown) ins Team aufnehmen. Neben ihr und ihrer Schwester Rachel (Melanie Lynskey) gehören auch Pam Asbury (Emily Deschanel), Cathy Kramer (Judith Ivey), Victor Kandinsky (Kevin Tighe), Nick Hardway (Julian Sands) und Emery Waterman (Matt Ross) zur Expeditionstruppe, die von Steve Rimbauer (Matt Keeslar), letzter lebender Angehöriger der Erbauerin des Hauses, auf das Anwesen geführt wird.
Bei Rose Red angekommen dauert es nicht lange, bis die 'tote Zelle' zum Leben erwacht und schon bald sind die Teilnehmer nicht nur Beobachter, sondern Gefangene im Haus – dabei hat es Rose Red besonders auf die begabte Annie abgesehen. Um ihren Erfolg belegen zu können ist Joyce bereit, viele Opfer zu erbringen.
Kritik:
Als bekannt wurde, dass Steven Spielberg selbst Horror-Autor Stephen King darum bat, die Geschichte für den "Furcht einflößendsten Spuk-Haus-Horror-Film" zu schreiben, rieben sich die Fans schon die Hände; wenn zwei Genregrößen diesen Kalibers zusammen arbeiten, kann nur ein Meisterwerk heraus kommen. Doch als King zeitlich in der Lage war, die Story zu verfassen, hatte sich Spielberg bereits anderen Projekten zugewandt. So wurde Rose Red von Stephen King überarbeitet, und als vierstündiges TV-Event für den Fernsehsender ABC umgesetzt. Dass man dabei natürlich vom reinen Horror abkommen, sich mit einem geringeren Budget zufrieden geben und eine weitaus umfassendere Hintergrundgeschichte bieten musste, war einleuchtend, doch das erklärt ebenso wenig, weshalb man aus der zweifelsohne interessanten Story um das Haus Rose Red (und den Namen allein kann man nach den ersten 90 Minuten, in denen er ca. 100 Mal gesagt wird, nicht mehr hören) einen quälend langen TV-Film machen musste und weswegen sich Rose Red anfühlt, als sei es eine weich gespülte Mischung aus Kings bekanntesten (und frühesten) Werken Carrie [1974] und Shining [1977], die beide bereits mit deutlich größerem Aufwand und mehr Erfolg verfilmt wurden – manche Passagen stammen beispielsweise exakt aus einer Romanvorlage, die aus produktionstechnischen Gründen nicht in eine frühere Verfilmung integriert werden konnten.
Gleichwohl man mit den Déjà-vus in der Story leben könnte, die immense Laufzeit von vier Netto-Stunden sind mindestens eineinhalb zu viel, selbst für ein so genanntes TV-Event. So kommt der erste Teil viel zu langsam im Fahrt, in der Mitte wird es dafür richtig gruselig, ehe sich das Finale 10 Minuten zu lang mit billigen Effekten, fast schon peinlichen Darbietungen und nicht enden wollenden Klischees hinzieht.
So liegt der größte Kritikpunkt eindeutig bei der Drehbuchvorlage, die von Stephen King selbst stammt. Zwar gelingt ihm eine faszinierende Hintergrundgeschichte zum Haus Rose Red, die übrigens im Jahr darauf im TV-Film The Diary of Ellen Rimbauer [2003] separat verfilmt wurde, doch abgesehen davon überrascht das Skript schon in den ersten Minuten mit einer unfreiwillig komischen Einleitung, in der Zuschauer auf die 'spirituelle Seite der Wirklichkeit' eingeführt werden sollen. Nicht nur, dass es Geister, Dämonen, teuflische Häuser und so weiter gibt, man kann die 'paranormale Energie' mit technischen Geräten messen, sogar ablesen, wie viele Geistergestalten sich (unsichtbar natürlich) im Raum befinden – das war vor beinahe 20 Jahren in Ghostbusters - Die Geisterjäger [1984] schon deshalb witzig, weil es satirisch gemeint war, dies aber in einer ernsten Story dem Zuschauer für bare Münze zu verkaufen, den Hokuspokus der Geisterbeschwörung als akzeptable Realität vorzugaukeln, bricht dem TV-Film schon relativ früh das Genick. Statt wie beispielsweise in Das Geisterschloss [1999] die Natur des Bösen nicht weiter zu erklären, verzettelt sich Stephen King durch seine minutenlangen Erläuterungen in einer Vielzahl absurder Behauptungen, die jedem noch so skeptischen Zuschauer mit ein wenig wissenschaftlichem Interesse sofort die geringste Glaubwürdigkeit des TV-Films absprechen. Viele ähnlich gelagerte Filmproduktionen erklären hier nichts, zeigen das Geschehen wie es ist und überlassen dem Zuschauer die Frage, ob er denn an Übersinnliches glaubt, oder nicht – Stephen King möchte dem Publikum die Antwort abnehmen und führt dabei die Frage selbst ad absurdum.
Zudem besitzen die zahlreichen Charaktere so gut wie keinen Hintergrund, dass dabei die mit den unwichtigsten übersinnlichen Talenten als erste den imaginären Löffel abgeben müssen, versteht sich von selbst. Wirklich überraschend ist also nicht, wer nacheinander gemeuchelt wird, mit Ausnahme der unspektakulären Tatsache, dass man keine einzige Figur sterben sieht. Stattdessen musste sich King jedes Mal aufs neue etwas einfallen lassen, um die Brutalität so gering wie möglich zu halten. Zudem wird erst in der letzten Stunde wirklich klar, ob das Haus nun über physische Manifestationen verfügt, oder es die Menschen so weit bringt, sich selbst etwas anzutun.
Hier wäre zweifelsohne Potential vorhanden gewesen, um die altbackene Ausgangslage mit neuen Elementen anzureichern.
Mit gestellten Dialogen, einer viel zu langatmigen Story, die in einem zwar effekthaschenden aber am Ende doch eher mauen Finale mündet und den eindimensionalen Charakteren gelang Stephen King hier leider kein Meisterwerk. In den meisten Fällen waren Verfilmungen seiner Romane und Geschichten immer dann am besten, wenn der Romanautor am Drehbuch nicht mitgewirkt hat – vielleicht wäre Rose Red ja als Roman deutlich besser gewesen, als TV-Film jedoch ist er überlang und mit einer schwachen Vorlage versehen.
Auch wenn die Rollen prinzipiell namhaft besetzt sind, mit den unausgegorenen Charaktervorlagen können die Mimen offensichtlich nicht allzu viel anfangen. Nancy Travis vermag als Wissenschaftlerin des Paranormalen in den ersten eineinhalb Stunden zwar noch zu überzeugen, wenn sich ihre Besessenheit jedoch bemerkbar macht und sie dem genretypischen Schema beim Finale folgt, sieht man sich auch dann noch heimlich lachen, wenn ihr Schauspiel fast schon zum weinen ist.
Matt Keeslar mag zwar durchweg sympathisch wirken, in den Einstellungen jedoch, in denen er verdutzt in die Kamera oder an ihr vorbei kuckt, lassen ihn nicht gerade im hellsten Lichte scheinen. Kimberly J. Brown macht ihre Sache als übersinnlich begabte Annie allerdings recht gut, ebenso wie Melanie Lynskey in ihre Rolle passt.
Matt Ross, der für seine Rolle nicht nur Gewicht zunehmen musste, sondern zudem noch einen Anzug trug, der ihn dicker machte, gehört jedoch nicht nur zu den nervigsten Akteuren im Film, sondern kann seiner King-klischeehaften Rolle keine neuen Züge abgewinnen. Julian Sands hingegen kommt nicht wirklich zum Zug und wird durch seinen viel zu einfachen Filmcharakter eher behindert, als dass er ihn ausbauen könnte.
Überzeugend spielen dagegen Judith Ivey und Kevin Tighe, während Emily Deschanel kaum zum Zug kommt. Dass Jimmi Simpson spielen kann, hat er unter anderem in seinem Auftritt der Drama-Krimi-Serie Cold Case – Kein Opfer ist je vergessen [seit 2003] bewiesen, hier hat er allerdings nicht viel zu tun.
David Dukes hat hier bedauerlicherweise seinen letzten Auftritt, der Darsteller verstarb leider während der Dreharbeiten an einem Herzinfarkt und wurde in seinen letzten Szenen von Stunt-Coordinator Craig Baxley, Jr. gedoubelt.
Die übrige Besetzung ist zwar passend ausgewählt, wirkliche Meisterleistungen sind aber auch hier nicht zu erwarten, Stephen Kings obligatorischer Gastauftritt mag Fans womöglich ein Lächeln abluchsen, seine Rolle ist aber ebenso unwichtig wie unterdurchschnittlich.
Inszenatorisch gibt sich Regisseur Craig R. Baxley solide und auch recht spannend, was Rose Red trotz allen Kritikpunkten zumindest einmalig sehenswert macht. Gerade nach Betreten des Hauses, bis etwa eine Stunde vor Schluss zieht er Spannung und Tempo immer wieder merklich an, überrascht mit einer Vielzahl interessanter Einstellungen und einer routinierten Schnittarbeit. Dabei verzichtet er weitgehend auf störende Zeitlupen oder hektische Schnitte, lässt dem Zuschauer stattdessen Zeit, das optisch sehr gut gelungene Haus zu genießen und die unheimliche Atmosphäre wirken zu lassen.
Handwerklich gibt es an Rose Red kaum etwas zu bemängeln, das gehobene Budget des Mehrteilers ist gerade in den zahlreichen großräumigen Innensets zu sehen, die beim Finale genüsslich zerlegt werden. Die Spezialeffekte können zwar nicht immer überzeugen, am wenigsten, wenn man bemerkt, dass in der Außenansicht das Anwesen in den realen Hintergrund von Seattle nur hinein kopiert ist, doch sieht man sich beispielsweise die Spiegelbibliothek an, oder auch das auf dem Kopf stehende Büro, muss man den Einfallsreichtum und Detailreichtum der Set-Designer bewundern. Die Maskenbildner haben sich überdies wirklich Mühe gegeben, und meistens sehen die Personenmasken auch sehr gut aus, wenn man jedoch bei den Geistererscheinungen animatronische Make-ups entdeckt, sich Mimik und Lippen statisch wie bei Figuren in einer Kirmes-Geisterbahn bewegen, geht das vorher entstandene Flair fast vollständig verloren. Hier hat das begrenzte Budget den Machern sichtlich einen Strich durch die Rechnung gemacht.
Komponist Gary Chang, der nicht nur für zahlreiche TV-Filme, sondern auch Kinoproduktionen wie Alarmstufe: Rot [1992] verantwortlich war, steuert für Rose Red eine Reihe eingängiger und auch atmosphärischer Themen bei, die fast ausnahmslos sehr gut gelungen sind. Zwar wiederholen sie sich im Lauf der vier Stunden relativ häufig, doch das schmälert den Effekt der Musik kaum.
Anders hingegen, dass Chang leider kein großes Orchester zur Verfügung hatte, und gerade die voluminöseren Stücke künstlich und künstlerisch beschnitten klingen. Insgesamt hat er jedoch eine gute Arbeit geleistet und trägt zur stimmungsvollen Gruselatmosphäre ebenso bei, wie die gute Kamera- und Schnittarbeit.
Ursprünglich hätte Rose Red ein herausragender Horror-Film um ein verwunschenes Haus werden sollen, als Spielberg jedoch nicht mehr interessiert war, immerhin ein erstklassiger Grusel-Film fürs Fernsehen. Geworden ist es letztlich keines von beidem. Auf Grund der schleppenden Storyentwicklung, der viel zu ausschweifenden Hintergrunderklärungen (die zwar im Bezug auf das Haus wirklich interessant sind, aber keine Antwort darauf liefern, wie das Haus denn 'böse' geworden ist), die im Hinblick auf das Paranormale schon unfreiwillig komische Züge annehmen, und der gerade im letzten Drittel sehr studioartigen Umsetzung mit minutenlangen Szenen, die ein und dasselbe in wenigen Sekunden hätten aussagen können, enttäuscht Rose Red als ein zwar überdurchschnittlicher TV-Film, mehr jedoch nicht. Der Aufwand ist im Bezug auf die Architektur wirklich sichtbar und es wäre interessant zu sehen, wie King die Story auf einen zwei Stunden langen Kinofilm umgemünzt hätte, als TV-Event bleibt von der gruseligen Stimmung in der Mitte aber nicht viel übrig außer dem Gefühl, dass man in den vier Stunden auch Stanley Kubricks Shining [1980] und Brian De Palmas Carrie - Des Satans jüngste Tochter [1976] hätte ansehen können und sich deutlich besser unterhalten gefühlt hätte.
Fazit:
Die Idee eines verwunschenen Hauses mit einer dunklen Vergangenheit ist nicht wirklich neu; nicht nur, dass sie in Film, Fernsehen und Büchern schon zig Mal umgesetzt wurde, selbst Autor Stephen King hat sie in vielen Werken verarbeitet. So sollte man meinen, dass er sich für seinen Fernsehfilm Das Haus der Verdammnis wenigstens ein paar neue Ideen würde einfallen lassen. Doch nicht nur, dass die Story selbst altbekannt klingt, auch die Figuren scheinen dem Klischee-Drehbuch für Horror-Filme entliehen, das Prinzip und die Reihenfolge ihres Ablebens ebenso. Zu wenige Innovationen und zu durchschnittliche Dialoge können da auch nicht durch die bisweilen sehr guten Storyeinfälle aufgewogen werden.
Dass King zudem seine Mühe damit hatte, Rose Red fürs Fernsehen umzusetzen merkt man daran, dass sich Craig R. Baxleys Film nicht so recht zwischen Horror- und Gruselfilm unterscheiden kann. Für einen Gruselfilm kommt die Atmosphäre zu spät in Fahrt, für einen Horrorfilm ist er jedoch schlicht nicht Furcht einflößend und brutal genug. Stattdessen pendelt er zwischen beiden Lagern, ohne aus ihnen je das Beste mitzunehmen. Das alles ist zwar handwerklich sauber umgesetzt und mitunter wirklich spannend (auch wenn die Erschreck-Momente mehr durch Geräusche, als die Situation hervorgerufen werden), doch die schiere Laufzeit von 240 Minuten ist bedingungslos zu lang – selbst ein drei Stunden langer TV-Film wäre noch zu lang gewesen. Das schlägt sich im Unterhaltungswert wieder und wird auch an den unzähligen Finales offensichtlich, die sich so sehr in die Länge ziehen, dass man das Gefühl nicht los wird, die Macher mussten buchstäblich die Zeit totschlagen.
Als Zuschauer kann man das ein Mal machen, öfter aber auch nicht.