Star Trek: Deep Space Nine: "Der Abgesandte" [1993]

Wertung: 4.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 2. April 2017
Genre: Science Fiction

Originaltitel: Star Trek: Deep Space Nine: "Emissary"
Laufzeit: 90 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 1992
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: David Carson
Musik: Dennis McCarthy
Darsteller: Avery Brooks, Nana Visitor, Rene Auberjonois, Colm Meaney, Terry Farrell, Alexander Siddig, Armin Shimerman, Cirroc Lofton, Patrick Stewart, Camille Saviola, Felecia M. Bell, Marc Alaimo, Joel Swetow, Aron Eisenberg


Kurzinhalt:

Drei Jahre, nachdem Commander Benjamin Sisko (Avery Brooks) bei der Schlacht von Wolf 359 seine Frau Jennifer (Felecia M. Bell) verloren hat, tritt er zusammen mit seinem Sohn Jake (Cirroc Lofton) seinen neuen Posten an Bord der abgelegenen Raumstation Deep Space Nine an. Diese liegt im Orbit von Bajor und stammt von der cardassianischen Besatzungsmacht, die die Station bei ihrem Rückzug zurückgelassen hat. Bei seinem ersten Aufeinandertreffen mit der geistigen Führerin der Bajoraner, Kai Opaka (Camille Saviola), übergibt diese Sisko einen außerirdischen Drehkörper. Als Sisko zusammen mit weiteren seiner Crewmitglieder, darunter der Wissenschaftsoffizierin Jadzia Dax (Terry Farrell) den Drehkörper erforscht, entdecken sie ein Wurmloch in der Nähe der Station, das in den weit entfernten Gamma-Quadranten führt. Die strategische Bedeutung der Passage ist jedoch nicht nur den Cardassianern aufgefallen, die drohen, die Station anzugreifen ...


Kritik:
Mit Star Trek: Deep Space Nine feierte im Januar 1993 die vierte Serie im Star Trek-Universum ihren Einstand. Mit einer Ausgangslage, die sich deutlich von den vorherigen Serien unterschied, fügen die Macher ein Element hinzu, das unter dem eineinhalb Jahre zuvor verstorbenen Franchise-Schöpfer Gene Roddenberry undenkbar gewesen wäre. Der Pilotfilm stellt dabei viele neue Figuren vor und bringt einige bekannte zurück. Und er bedient ein Vorurteil, das viele Fans im Vorfeld geäußert hatten.

Angesichts zweier Raumschiffe mit dem Namen Enterprise, die bisher jeweils in die unendlichen Weiten der Galaxis vorgedrungen waren, um unbekanntes Leben zu erforschen, wo sollte der Entdeckergeist bei einer Serie bleiben, die auf einer fest installierten, stationären Raumstation spielte? Auch wenn die Serienerschaffer darum bemüht sind, neue Spezies und Figuren vorzustellen, der Pilotfilm Der Abgesandte scheint auf den ersten Blick eher die bekanntesten Elemente der vorherigen Serie Raumschiff Enterprise - Das nächste Jahrhundert [1987-1994] aufzugreifen, als neue Schwerpunkte zu setzen. Sei es der durchaus eindrucksvolle Prolog bei der verheerenden Schlacht mit dem Borg-Schiff bei Wolf 359, oder die Rückkehr der nicht weniger beeindruckenden Cardassianer. All das klingt vertraut, allenfalls erweitert um eine reichhaltigere Hintergrundgeschichte der Bajoraner, die nach Jahrzehnten der Unterdrückung durch die Cardassianer ihre Freiheit gewonnen haben und nun durch eine Delegation der Föderation unterstützt werden sollen.

An deren Spitze steht der neue Commander der von den Cardassianern im Orbit der Heimatwelt der Bajoraner zurückgelassenen Raumstation Deep Space Nine, Benjamin Sisko. Als Witwer und alleinerziehender Vater besitzt die Figur genügend Ecken und Kanten, um nicht nur die gemeinsamen Szenen mit Captain Picard mit Spannung zu versehen. Abgesehen von Chief Miles O'Brien, der Fans von der Enterprise D bekannt vorkommen dürfte, wartet Siskos Crew mit vielen interessanten Charakteren auf. Angefangen mit Major Kira, einer temperamentvollen Bajoranerin, über den sympathischen Doktor Bashir, bis hin zum dubiosen Ferengi Quark. Verwunderlich ist der Auftritt der Trill-Frau Jadzia Dax, der viele Details der Wesen, die man aus Das nächste Jahrhundert kannte, umschreibt. Darüber hinaus ist mit Siskos Sohn Jake erneut ein Jugendlicher an Bord.

Sieht man sich die ersten Episoden der verschiedenen Star Trek-Serien an, dann fällt auf, dass die Macher von Serie zu Serie von Beginn an mehr Grundsteine für ihre Figuren legen. Der Sicherheitschef der Station, Formwandler Odo, gehört dabei zu den vielversprechendsten und wird glücklicherweise hier kaum beleuchtet, um das Unbekannte seiner Figur zu erhalten. So gelungen die Charaktere sind, die Geschichte selbst tritt insbesondere in der zweiten Hälfte des Pilotfilms auf der Stelle.

Konfrontiert mit einem Artefakt der religiösen Führer der Bajoraner, entdeckt Commander Sisko nahe der Station ein Wurmloch, das in einen weit entfernten Teil der Galaxis führt. Aber auch wenn man sein Treffen mit den Wesen dieses Wurmlochs als philosophischen Ansatz eines Erstkontakts sehen kann, die Story selbst nimmt immer dann, wenn Siskos Erlebnisse im Wurmloch geschildert werden, das Tempo aus der Erzählung. Dabei sind die existenziellen Fragen durchaus interessant und Fans wird wohl erst hier deutlich, dass die bisherigen Star Trek-Serien das Thema "Religion" ganz bewusst ausgeklammert haben, so beabsichtigt von Schöpfer Roddenberry.

Der Abgesandte leistet sowohl was die Figuren angeht, als auch die Ausgangslage der an sich sehr abgelegenen Raumstation um Bajor Grundsatzarbeit, um in Zukunft interessante Geschichten darum entwickeln zu können. Als eigenständige Geschichte funktioniert das aber nur deshalb bedingt, weil die Story zu langsam erzählt wird und zu mystisch erscheint in einer zweiten Hälfte, deren Bedeutung erst beim wiederholten Ansehen greifbar wird.
So sehen sich viele Fans auf den ersten Blick bestätigt, dass Star Trek: Deep Space Nine nach den temporeichen und innovativen letzten Staffeln von Picards Crew hier zu behäbig erscheint. Es ist ein Kritikpunkt, der durchaus berechtigt ist, selbst wenn er im Laufe der Serie mehr als ausgeräumt wird.


Fazit:
Man kann den Produzenten des Star Trek-Franchise nicht vorwerfen, dass sie die Vision Gene Roddenberrys nicht verfolgen würden. Auch wenn dieser vermutlich vehement dem religiösen Unterton der Geschichte widersprochen hätte, mit einer afroamerikanischen Hauptfigur und einer Frau als deren Vertreterin ist Deep Space Nine merklich um Diversifizierung bemüht. Dank des namhaften Casts gelingt ihr das überaus gut, obwohl bis auf Avery Brooks und teilweise Nana Visitor niemand wirklich gefordert ist. Die Staffelübergabe von Captain Picard auf Commander Sisko zu vollziehen schafft innerhalb des Franchise Zusammenhalt, sieht jedoch gleichzeitig so aus, als könnte die Serie nicht von sich aus durchstarten. Der Pilotfilm porträtiert erneut einen ungewöhnlichen Erstkontakt und setzt die Ausgangslage für ein gespanntes Verhältnis rund um die Raumstation fest. Aber er ist gleichzeitig in der zweiten Hälfte merklich zu behäbig und zerreißt die Erfahrungen Siskos im Wurmloch so oft, dass es umso schwieriger wird, dem Geschehen zu folgen. Der Pilotfilm wird so der Serie, die folgt (glücklicherweise), nicht gerecht.