Sieben Leben [2008]

Wertung: 4.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 11. Januar 2009
Genre: Drama

Originaltitel: Seven Pounds
Laufzeit: 123 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2008
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: Gabriele Muccino
Musik: Angelo Milli
Darsteller: Will Smith, Rosario Dawson, Woody Harrelson, Barry Pepper, Michael Ealy, Elpidia Carrillo, Robinne Lee, Joe Nunez, Bill Smitrovich, Tim Kelleher, Gina Hecht, Judyann Elder


Kurzinhalt:
Unvorbereitet tritt Ben Thomas (Will Smith) in das Leben der freischaffenden Emily Posa (Rosario Dawson). Der Finanzbeamte konfrontiert die seit ihrer Geburt schwer herzkranke junge Frau mit hohen Steuerschulden und gewährt ihr im gleichen Atemzug einen Aufschub um mehrere Monate. Zwischen den beiden entwickelt sich eine Freundschaft, die intensiver wird, als sich Emilys Zustand verschlechtert.
Auch Ezra Turner (Woody Harrelson) macht Bens Bekanntschaft. Der blinde Kundendienstmitarbeiter kann den ruhigen Ben ebenfalls nicht einschätzen. Dessen Begegnungen mit Fremden scheinen nicht zufällig zu passieren, doch der Einzige, der außer Ben selbst zu wissen scheint, was es damit auf sich hat, ist Bens Freund Dan (Barry Pepper).
Zwischen beiden gibt es eine Vereinbarung. Und je näher Ben seinem Ziel kommt, umso näher kommt Dan seiner schwersten Prüfung. Denn was sein Freund aus Kindertagen von ihm verlangt scheint kaum zu erfüllen ...


Kritik:
Zu Beginn, so hat es den Anschein, ist Ben Thomas ein Mann, der sich so intensiv mit dem Tod beschäftigt hat, dass er darüber vergisst zu leben. Doch bei seinem Vorhaben, so große Geschenke fremden Menschen zu machen, entdeckt er auch selbst Etwas, wofür es sich lohnen würde, zu leben. Nur was, wenn diese beiden Wünsche, das Schenken und das Leben, sich nicht vereinbaren lassen?
Sieben Leben beschreibt Bens Weg zur Durchführung eines Entschlusses, der lange getroffen wurde, bevor der Film überhaupt begann. Man wird zum Zeugen einer Reise, deren Ursprung und deren Ziel man zunächst nicht kennt, die einen aber schon deswegen so sehr fasziniert. Auf seinem Weg verhält sich Ben mitunter äußerst hilfsbereit zu Manchen, misstrauisch und abweisend gegenüber Anderen. Er scheint wie ein Mann, der in den Menschen um ihn herum nach einem Sinn sucht. Das, was er in seinem Leben verloren zu haben scheint – und dies ist die falscheste Annahme, die man als Zuschauer bei der zweiten Zusammenarbeit von Will Smith und dem italienischen Regisseur Gabriele Muccino treffen kann.

Weswegen Ben sich so verhält, macht den Reiz des Dramas aus, das mit ruhiger und stellenweise fast schon dokumentarischer Hand in ebenso ausdrucksstarke Bilder gekleidet wurde. Der Filmemacher lässt die Melancholie der Figuren durch die Farben und Perspektiven greifbar werden und versucht dabei trotz allem, die Gefühlswelt der Charaktere nicht sensationslüstern in den Mittelpunkt zu rücken.
Man fühlt sich als Zuschauer beinahe wie ein Voyeur, der Ben Thomas bei seiner Entscheidungsfindung beobachtet, der miterlebt, worauf der stille Finanzbeamte Wert legt, wenn er sich den fremden Menschen widmet, denen er jeweils ein Geschenk machen möchte. Wie er ihre Persönlichkeit zu fassen versucht, während man selbst nicht in der Lage scheint, Ben und seine Motivation richtig einordnen zu können. Er selbst bleibt nicht greifbar, wirkt allseits traurig mit der Last der ganzen Welt auf seinen Schultern.

Wie ausbalanciert Will Smith seine Rollen wählt, ist dabei sehr beeindruckend. Inmitten einer Reihe sehr kommerziell ausgelegter Filme findet sich immer wieder eine Rolle, die ganz offensichtlich auch den Darsteller selbst auf einer anderen Ebene fasziniert. In Sieben Leben spielt er dabei nicht den Helden, der sich gegen eine seine Widersacher durchsetzt. Rückblickend ist der Einzige, den er von seinen Handlungen überzeugen muss er selbst. Und diese Zerrissenheit, den tieftraurigen Blick und die Überzeugung, mit der Ben tut, was er tut, bringt Smith auf eine so menschliche Art und Weise zur Geltung, dass man selbst die nicht wirklich immer nachvollziehbaren Handlungsstränge verfolgt.
Dem steht Rosario Dawson in nichts nach, der man die Mühe jeden einzelnen Schrittes ansieht, die Emilys krankes Herz zum Schlagen bringt. Und während sie immer mehr Hoffnung schöpft, scheint Ben wie das Gegengewicht einer Waage abzugleiten.
Dass Woody Harrelson, Bill Smitrovich und Judyann Elder ihre Figuren treffend zum Leben erwecken hat man auch nicht anders erwartet, aber mit wem man sich am ehesten identifizieren kann, ist Barry Pepper. Sobald man als Zuschauer durchschaut, was Ben Thomas beabsichtigt – und aufmerksamen Zuschauern dürfte dies gelingen, wenn Smitrovichs Bedeutung offensichtlich wird – befindet man sich in derselben Situation wie Bens Freund Dan. Mitwisser einer Tragödie, die man aufzuhalten nicht in der Lage ist. Schon deshalb ist seine Figur so wichtig und ebenso erstklassig auf der Leinwand verkörpert.

Dass Sieben Leben eine Geschichte beschreibt, die sich nicht als reine Unterhaltung verstehen lässt, bringt auch Komponist Angelo Milli in seine Untermalung mit ein. Denn gerade wenn Ben in den Augen der Zuschauer seinen vielleicht größten Fehler, oder zumindest seine größte Ungerechtigkeit begeht, mischt sich auch in die bekannte Melodie ein höchst unangenehmer dissonanter Faktor, der die gezeigten Bilder nicht in dem Maße wirken lässt, wie sie unbeschwert sonst auf den Zuschauer hätten wirken können. Und das ist beabsichtigt.
Regisseur Muccino gestaltet Sieben Leben als melancholische Katharsis von Ben Thomas und wer sich auf ein ruhiges, hintersinniges Drama einlässt, wird auch nicht enttäuscht. Nur welche Schlüsse man daraus für sich selbst ziehen sollte, das bleibt bei aller Interpretationsfreudigkeit mehr als fraglich.


Fazit:
Ben Thomas bei seiner Planung zu beobachten, hat zweifelsohne seinen Reiz. Schon deshalb, weil man zwar weiß, dass er für alles, was er tut auch einen bestimmten Grund hat – doch welcher das ist, bleibt lange Zeit verborgen. Was am Ende aber fehlt ist die emotionale Wucht, die die Filmemacher wohl beabsichtigt hatten. Vielleicht schon deswegen, weil Ben nicht irgendwann den Plan fasst zu tun, was er tut, sondern weil er das von Anfang an vorhatte und man ihm lediglich bei der Durchführung zusehen kann. Geradlinig, ohne sich abbringen zu lasse, verfolgt Will Smiths Figur ihr Ziel, so dass man an sich nur Mitleid für diejenigen empfinden kann, die er zurück lässt. Sei es Bens Freund Dan oder auch Emily.
Vielleicht sind manche Geschenke auch zu groß, um sie anzunehmen, oder sie überhaupt verschenken zu wollen. Und so hervorragend all das gespielt und bebildert ist, und so packend es stellenweise wird, eine wirkliche Aussage findet man in Sieben Leben nicht. Oder aber eine, die mehr als diskussionswürdig bleibt.