Run All Night [2015]

Wertung: 4 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 1. Mai 2016
Genre: Krimi / Thriller / Drama

Originaltitel: Run All Night
Laufzeit: 114 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2015
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren

Regie: Jaume Collet-Serra
Musik: Tom Holkenborg als Junkie XL
Darsteller: Liam Neeson, Ed Harris, Joel Kinnaman, Boyd Holbrook, Bruce McGill, Genesis Rodriguez, Vincent D'Onofrio, Lois Smith, Common, Beau Knapp, Patricia Kalember


Kurzinhalt:

Der für den Gangster Shawn Maguire (Ed Harris) tätige Jimmy Conlon (Liam Neeson) hat seit Jahren keinen Kontakt zu seinem erwachsenen Sohn Michael (Joel Kinnaman). Michael wollte nicht, dass Jimmys Welt Einfluss auf seine eigene Familie mit den beiden Töchtern hat. Eines Abends chauffiert Michael zwei Männer zu einem Apartment. Kurz darauf sieht er, wie Shawns Sohn Danny (Boyd Holbrook) einen seiner Fahrgäste ermordet. Um Michael zum Schweigen zu bringen, beschließt Danny, auch ihn umzubringen, wird jedoch vorher von Jimmy getötet. Für Jimmy ist klar, dass Shawn alle Hebel in Bewegung setzen wird, Rache an ihm und seinem Sohn zu nehmen. Es scheint, als wäre ganz New York hinter ihnen her ...


Kritik:
Für einen Film mit dem Titel Run All Night ist Jaume Collet-Serras Crimedrama recht gemächlich erzählt. Die düstere Geschichte um Loyalität, Familienbande und die Geister der Vergangenheit ist weit von einem schweißtreibenden Thriller entfernt, obwohl Liam Neeson viel unterwegs ist. Das wäre für sich genommen kein wirklicher Kritikpunkt, wenn die Geschichte um den Gangster Jimmy Conlon, der ins Fadenkreuz des noch größeren Shawn Maguire kommt, denn mitreißen würde. Doch genau das tut sie leider nicht.

Die Story bietet viele Parallelen zu einem der jüngeren Meilensteine des Genres: Vater Jimmy ist ein Attentäter und seit Jahrzehnten im Dienste seines Jugendfreundes Shawn. Als das Leben von Jimmys Sohn Michael durch Shawns Sohn Danny bedroht wird, zögert Jimmy nicht und erschießt den Sohn seines Freundes. So schwört Shawn, nicht eher zu ruhen, bis Jimmy und Michael tot sind – was im vorliegenden Falle die kommende Nacht betrifft. Auch wenn Sam Mendes' Road to Perdition [2002] schon einige Zeit zurückliegt, der melancholische Gangsterfilm prägte durch seine Charakterzeichnungen und die fantastische Optik wie kein anderer dieser Art. Sogar den dort von Jude Law gespielten Killer gibt es hier, der Jimmy und Michael ausschalten soll.

Mendes rang jener Welt in atemberaubenden Bildern eine Hoffnungslosigkeit ab, die sich in den schwermütigen Blicken seiner Figuren widerspiegelte. Jaume Collet-Serra versucht hier etwas Ähnliches und versammelt mit Liam Neeson, Ed Harris, Bruce McGill und einem Gaststar als Jimmys Bruder Darsteller, denen es auch gelingt, den Werdegang ihrer Charaktere greifbar zu machen. Doch die Beteuerungen und Offenbarungen hat man allesamt bereits viel zu oft gehört. Die einzelnen Szenen und Dialoge sind – obwohl solide dargebracht – absehbar, die Actionszenen gut aber nicht überragend inszeniert. Statt malerischen Bildern, präsentiert Collet-Serra hier düster-dunkle Eindrücke von New York, die mitunter durch lange Kamerafahrten über ganze Stadtteile hinweg verknüpft werden.

Der Stil geht in Run All Night merklich über die Substanz. Wäre der Film schnell genug erzählt, damit das nicht auffällt, könnte man gut darüber hinwegsehen, zumal sich die Darsteller allesamt Mühe geben, selbst wenn sie nicht übermäßig gefordert sind. Doch die Geschichte lässt einem genug Zeit, darüber nachzudenken.
Was am Ende bleibt ist ein nicht sehr hoffnungsvolles Drama voller gebrochener Figuren, das sich keine großen Patzer erlaubt, jedoch auch in keinem Bereich wirklich heraussteht. Die vergangenen beiden Filme von Hauptdarsteller Neeson und Regisseur Collet-Serra, Unknown Identity [2011] und Non-Stop [2014], waren da nicht nur unterhaltsamer, sondern auch kurzweiliger.


Fazit:
Selbst wenn der beauftragte Killer hier genau denselben Fehler macht, den er seinem letzten Opfer vorwirft, eines ist an Run All Night durchaus beruhigend: Am Ende bekommen alle das, was sie verdienen. Der mitunter recht brutale Thriller, dessen Gangster keine Achtung vor Unschuldigen Dritten zeigen und auch mitten in eine Menschenmenge feuern, wenn es ihnen denn weiterhilft, trifft somit zumindest am Schluss eine zufriedenstellende Aussage.
Bis es soweit ist, müssen Jimmy und Michael die Nacht überleben in einer Stadt, in der Shawn neben seinen eigenen Leuten auch die korrupte Polizei zur Seite steht. Aus der Ausgangslage entwickeln sich einige wenige bedrohliche Situationen, bei den meisten Verlauf und Ende bereits zu Beginn absehbar. Ebenso beim Film selbst. Regisseur Jaume Collet-Serra versammelt tolle Darsteller und findet eine düstere Optik für eine ebenso aussichtslose Geschichte. Nur erfrischender hätte sie sein können.