Nightcrawler - Jede Nacht hat ihren Preis [2014]

Wertung: 5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 16. November 2014
Genre: Thriller

Originaltitel: Nightcrawler
Laufzeit: 117 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2013
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren

Regie: Dan Gilroy
Musik: James Newton Howard
Darsteller: Jake Gyllenhaal, Rene Russo, Riz Ahmed, Bill Paxton, Michael Hyatt, Price Carson, Kevin Rahm, Ann Cusack, Eric Lange, Marco Rodríguez, Rick Chambers, Holly Hannula, Leah Fredkin


Kurzinhalt:

"Wenn man im Lotto gewinnen will, braucht man die Kohle für den Lottoschein." Es sind Sprüche wie dieser, mit denen sich Louis Bloom (Jake Gyllenhaal) bei potentiellen Arbeitgebern vorstellt. Doch die lehnen ab. Eines Nachts beobachtet er einen Unfall auf dem Highway und sieht kurz danach den freien Kameramann Joe Loder (Bill Paxton) hinzukommen, der das Material anschließend an einen Sender verkauft. So macht sich Louis auf, mit einer kleinen Kamera an Tatorten zu filmen.
In der Nachrichtenchefin Nina (Rene Russo) findet er eine Unterstützerin, die sich seine Phantasien von seiner Karriere anhört, aber nicht weiß, dass Louis alles dafür tun würde, diese Ziele zu erreichen. Das merkt unter anderem sein Assistent Rick (Riz Ahmed), den er für seine Zwecke manipuliert wie alle anderen Menschen. Für die exklusivsten, blutigsten Bilder, die das größte Honorar bringen, ist Louis auch bereit, über Leichen zu gehen ...


Kritik:
In Nightcrawler - Jede Nacht hat ihren Preis spielt Jake Gyllenhaal einen Dealer. Seine Droge ist das Leid anderer Menschen, eingefangen in grausamen Bildern, die wenige Stunden später als Nachrichten über die Bildschirme flimmern. Aber seine Figur ist mehr als das, er ist gleichzeitig ein Junkie, dessen Rausch sowohl durch das verursacht wird, was er filmt, aber auch durch die Anerkennung, die ihm andere dafür entgegen bringen. So ist es nur ein logischer Schritt, dass er, wenn seine Droge ausbleibt, irgendwann selbst zum Produzenten wird. Dan Gilroys Regiedebüt ist ein mitunter verstörender, aber dennoch faszinierender Blick auf einen Psychopathen, dem es gelingt, alles und jeden in seinem Sinn zu manipulieren.

Bereits bei seinem ersten Auftritt blitzt in Louis Blooms Augen etwas Beunruhigendes auf. Wenn er redet ist es, als würde sein intensiver Blick (ihn beim Blinzeln zu beobachten ist kaum möglich) die Reaktionen seines Gegenüber lesen, um sofort darauf reagieren zu können. Wenn er schweigt, seine Worte abwägt, hat man das Gefühl, als müsste man sich gegen einen Angriff wappnen. Versucht sein Assistent Rick, den er trotz der zunehmend gefährlicher werdenden Arbeit als Praktikant quasi verhungern lässt, Louis' Verhandlungstaktik gegen ihn einzusetzen, ahnt man, dass dies nicht ohne Konsequenzen bleiben wird. Über Louis' Hintergrund verrät Nightcrawler nichts und was er selbst davon erzählt, könnte ebenso gut gelogen sein. Er setzt sich in den Kopf, als Freelancer für einen lokalen Nachrichtensender zu arbeiten und macht sich mit einer kleinen Kamera bewaffnet und einem Gerät, mit dem er die Polizeifunkfrequenzen mithören kann auf, Unfälle und Verbrechen zu filmen.

In der Nachrichtenchefin Nina des Senders hat er eine willige Abnehmerin seiner Droge gefunden, denn nichts bringt so viel Quote wie blutige Bilder zum Frühstücksbüffet. Wie überzeugend Louis sie manipulieren kann, mit welcher Taktik er sie dazu bringt zu tun, was er will, wird bei ihrem gemeinsamen Abendessen deutlich. Der Dialog steckt voller berechnender Feststellungen und schneidender Kommentare seinerseits. Es ist verblüffend und erschreckend zugleich, wozu Louis in der Lage ist.
Was zu tun er bereit ist, um seine Ziele zu erreichen, wurde schon vorher und wird wenig später wieder deutlich, wenn er Tatorte verändert, um die Aussagekraft seiner Bilder zu unterstreichen. Skrupellos und durchtrieben eigennützig hält er in der zweiten Filmhälfte Beweismaterial für einen mehrfachen Mord zurück, um den Aufgriff durch die Polizei später an einem "besseren" Ort filmen zu können. Die Spannung, die Dan Gilroy hier aufbaut, lässt einen als Zuseher im Kinosessel immer weiter zurückrutschen. Von Anfang an ist absehbar, dass Nightcrawler von Louis Bloom gelenkt auf eine Katastrophe zusteuert. Sieht man sie immer mehr Form annehmen ist es, als würde uns der Regisseur zwingen zuzusehen wie Louis die Zuschauer seiner Bilder bei den Morgennachrichten.

Lenkt man den Blick an dem egoistischen, nach außen stets beherrschten Louis vorbei, der beinahe jede Minute des Thrillers bewohnt und für dessen ausgemergeltes Äußeres mit den eindringlichen Augen Jake Gyllenhaal stark abgenommen hat, wartet Nightcrawler - Jede Nacht hat ihren Preis mit Bildern auf, die während des Vorspanns das Idyll des nächtlichen Los Angeles vorstellen, um an der Seite von Bilderjäger Louis hinter die Fassade zu blicken. Komponist James Newton Howard versieht die Geschichte mit einer ungewöhnlichen Auswahl an Musik, die aber immer danach ausgerichtet ist, ob Louis etwas plant, sich in seinem Erfolg sonnt oder von dem, was er erreicht hat, einen Höhenflug bekommt. All das macht den Thriller, dessen Faszination ebenso davon ausgeht, was seine Hauptfigur zu tun bereit ist, wie davon, wie wenig uns hierbei noch überrascht, zu einer wahren Überraschung. Und für ein aufmerksames, erwachsenes Publikum zu einer wirklichen Empfehlung.


Fazit:
Dass die Nachrichten, die man täglich sieht oder liest, wenn nicht von den verantwortlichen Behörden, dann zumindest von den sie veröffentlichenden Agenturen bereits gefiltert sind, wird niemanden überraschen. Und es wäre auch nicht verwunderlich, würde man von einem Journalisten hören, der Tatorte verändert, um die Quote zu steigern. Aber sieht man, mit welch einfachen, perfiden Mitteln Louis Bloom in der Lage ist, seine Ziele durchzusetzen und hört man ihn über diese schwafeln, dann beschleicht einen die Befürchtung, er würde es tatsächlich selbst glauben.
Nightcrawler - Jede Nacht hat ihren Preis ist ein von allen Beteiligten stark und von Gyllenhaal hypnotisch beunruhigend gespielter Thriller, der sein Publikum zwingt, sich mit dem Psychopathen auseinanderzusetzen, den er porträtiert. Toll gefilmt, sind es die Figuren, die sich von Louis manipulieren lassen und ohne es zu wissen von ihm manipuliert werden, mit denen man mitfiebert. Als kritischer Kommentar zu unserer Gesellschaft, in der beinahe jeder mit einem Handy ausgestattet ist und viele ein Unglück eher filmen, anstatt zu helfen, ist das ebenso zynisch wie als Satire auf die Nachrichtenbranche bissig. Sehenswert.