Michael Clayton [2007]

Wertung: 5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 07. Januar 2009
Genre: Drama / Thriller

Originaltitel: Michael Clayton
Laufzeit: 119 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2007
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: Tony Gilroy
Musik: James Newton Howard
Darsteller: George Clooney, Tom Wilkinson, Tilda Swinton, Sydney Pollack, Michael O'Keefe, Ken Howard, Sean Cullen, Merritt Wever, Austin Williams, David Lansbury


Kurzinhalt:
Michael Clayton (George Clooney) arbeitet für eine renommierte Anwaltskanzlei als Berater der besonderen Art. Er vermittelt die passenden Anwälte, bringt Schwierigkeiten seiner Klienten in Ordnung und biegt sich die Situation mitunter so hin, wie sie für seine Mandanten geeigneter ist.
Auf Grund dieser Expertise soll er Arthur Edens (Tom Wilkinson), einen seit Jahrzehnten etablierten Anwalt der Kanzlei, aus einer misslichen Lage befreien. Auf Grund eines manisch-depressiven Schubes hat sich Edens vor laufender Kamera in eine kompromittierende Lage gebracht, weswegen der milliardenschwere Fall, an dem er seit Jahren arbeitet, in Gefahr ist. Auf die Beteuerungen Edens, er habe etwas gefunden, was den Fall in ganz anderem Licht erscheinen ließe, geht Clayton nicht ein.
Unterdessen hat Karen Crowder (Tilda Swinton), Vorsitzende der Firma UNorth, deren Verteidigung Endes übernommen hatte, von dessen Sinneswandel Wind bekommen. Um die Interessen ihrer Firma zu schützen, muss sie Entscheidungen treffen, die nicht nur ein Menschenleben beeinflussen ...


Kritik:
Autor und Regisseur Tony Gilroy wartete sehr lange, ehe er sich zum ersten Mal auf den Regiestuhl wagte. Verantwortlich unter anderem für die Bourne-Trilogie markiert Michael Clayton seinen ersten selbst inszenierten Spielfilm. Einen erhaltenen Oscar und ein halbes Dutzend weitere Nominierungen verdeutlichen, dass ihm das gut gelungen ist.
Dabei ist das Thrillerdrama alles andere als leichte Kost. Nicht nur, dass die Geschichte selbst komplex aufgebaut ist, auch die Figuren lassen sich nicht in einfache Schubladen stecken, die es einem einfach machen, sie zu mögen oder nicht. Selbst Hauptfigur Michael Clayton ist in dem Sinne kein wirklich sympathischer oder liebenswerter Charakter. Er ist keine männliche Erin Brockovich, die im Alleingang ein großes Unternehmen zur Verantwortung ziehen möchte. Vielmehr interessieren ihn die Hintergründe zu dem Fall erst dann, als es um seinen eigenen Kopf geht. Bis dahin ist er darum bemüht, sich über Wasser zu halten und allen Widrigkeiten möglichst aus dem Weg zu gehen.

Dass Clayton trotz seiner dubiosen Vergangenheit die Zuschauer auf seine Seite ziehen kann, liegt an einem exzellenten George Clooney, dem es auch hier wieder gelingt in den ruhigen Szenen ohne Dialog mehr auszudrücken, als in den Gesprächen. Schon deshalb lohnt es sich, zu Beginn des Abspanns sitzen zu bleiben, denn was einem hier ohne Worte gezeigt wird, spiegelt wider, wie es einem als Zuseher selbst ergeht: ob der Fall nun im Endeffekt gewonnen oder verloren wird, spielt keine Rolle. Über einen "Sieg" kann man sich auch als Zuschauer nicht recht freuen.
Ebenso kompromisslos spielt Tom Wilkinson, der auch in seinen letzten Momenten vor der Kamera mit einer Mimik verblüfft, die man in einem Thriller schon lange nicht mehr gesehen hat. Von Hollywood ausgezeichnet wurde Tilda Swinton, die dem Publikum begreifbar macht, dass ihre fehlgeleiteten Entscheidungen daher rühren, dass sie als Frau in einer klassischen Männerposition unter einem Erwartungsdruck, dem sie nicht standhalten kann zusammenbricht. Auch hier wird ohne Worte so viel mehr gesagt.
Seien es außerdem der inzwischen leider verstorbene Sydney Pollack, Sean Cullen oder die natürliche Merritt Wever, die übrige Besetzung steht den Hauptdarstellern in nichts nach. Man hat das Gefühl, die Kamera würde ihnen wie ein Voyeur durch ihren Alltag folgen.

Grund hierfür ist sicherlich auch, dass Tony Gilroy die Geschichte mit privaten Konflikten verankert. Was Michael Clayton neben der Arbeit zu bewältigen hat, in einem Alter und in einer Zeit, in der einen ohnehin Existenzängste plagen, würde sicherlich einen jeden zu Fall bringen.
Geschickt verwoben beginnt Michael Clayton die Geschichte in der Mitte, zeigt einem hinterher, wie alles seinen Anfang nahm und streut andere Perspektiven ein, als sich Anfang und tatsächliche Erzählung überschneiden. So gewinnen manche Momente und auch die Ausdrücke der Figuren eine ganz neue Bedeutung. Ohne Heldentaten, Schusswechsel oder große Actionszenen schildert Gilroy, wie man als einzelner Mensch einem kriminellen Übergriff durch zwei Profis einfach nicht gewachsen wäre. Wortlos, dokumentarisch. Ruhig, beinahe schon besonnen erledigen die Männer ihre Arbeit, während vor ihnen jemand stirbt. Wenn Menschenleben auf milliardenschwere Firmeninteressen stoßen, fällt der Kosten-Nutzen-Faktor meist nicht zugunsten der Einzelperson aus.
Auch das Finale besteht lediglich aus einem Dialog, der von den Leistungen der Schauspieler lebt. Wer inhaltlich nicht aufpasst, wird den Film also nicht verstehen. Nach den actionreichen Bourne-Agenten-Filmen hätte man erwarten können, dass der Autor und Regisseur auch seinen ersten Film entsprechend flott gestaltet, doch statt Michael Clayton im Schnelldurchlauf abzuspulen, wandelt sich der Thriller schon in den ersten Minuten zum mit Bedacht erzählten Drama.

Dafür mit verantwortlich ist unter anderem die raue aber nicht künstliche Optik durch Kameramann Robert Elswit, der den Film in ruhige, ausdrucksstarke Bilder kleidet, die allein auf Grund der Perspektiven den Gefühlszustand der jeweiligen Charaktere verdeutlichen. Sei es, dass Karen Crowder ihre Kleidung zurechtlegt, wie sie sich ihre Argumente sortiert, um ihr Gewissen zu beruhigen, oder ein Michael Clayton, der abseits von Mobiltelefonen oder dem Luxusauto auf einem Feld am frühen Morgen erkennt, was für ihn wirklich wichtig ist, und dass es nicht lohnt, weiter davor davon zu laufen.
Die Bildersprache wird so ruhig vermittelt, dass man auch als Zuschauer still werden muss, um sie vollständig aufnehmen zu können. Handwerklich tadellos gefilmt und inszeniert kann man Tony Gilroy nur gratulieren. Sein vielschichtiges Skript hat er auf eine Art und Weise umgesetzt, wie man es nicht erwartet hätte.

Dementsprechend zurückhaltend ist auch die Musik von James Newton Howard, der mit kräftigem Bass und atmosphärischen Melodien Michael Clayton im rechten Moment Tempo verleiht, aber interessanterweise bei den Schlüsselmomenten die Inszenierung und die Darsteller für sich selbst sprechen lässt.
Wie schon die Dialoge dadurch stellenweise mehr aussagen, dass sie allein durch die Mimik ausgedrückt werden, statt durch Worte, geht Howard denselben Weg und verleiht den Momenten durch ein Ausbleiben des Scores ein anderes Gewicht.

Dass Denzel Washington skeptisch war, mit einem Regieerstling zusammen zu arbeiten, ist verständlich, doch angesichts dessen, was Tony Gilroy auf die Beine gestellt hat, dürfte es ihn geärgert haben, die Hauptrolle abzulehnen. Ein Glück für George Clooney, der sich als einer der wichtigsten Filmschaffenden der letzten zehn Jahre entpuppt hat. Einerseits vor der Kamera mit einer mitunter sicherlich unbequemen Rollenauswahl, aber auch dahinter, wenn man sich das Dokudrama Good Night, and Good Luck. [2005] ansieht. Seine Stärken spielt der charismatische Mime auch hier wieder aus, ohne heldenhaftes Auftreten oder einen betont gebrochenen Charakter.
Was Michael Clayton antreibt, bleibt sein Geheimnis, es spielt im Rahmen der Geschichte auch keine Rolle. Und auch wenn man mit ihm mitfiebert, es ihm gönnen würde, wenn er sich gegen den großen, skrupellosen Konzern durchsetzen würde, auch am Ende bleibt er jemand, den man nur ungern zum Essen einladen würde. Wer weiß, welche Geschichten er beim Zusammensitzen danach erzählen würde.


Fazit:
Wer ist Michael Clayton? Er ist jemand, der die Schwierigkeiten seiner Klienten wieder in Ordnung bringt. Mitunter auch, wenn das Gesetz oder die Wahrheit dafür etwas verbogen oder zurechtgerückt werden muss. Nur was passiert, wenn man die Wahrheit schon so lange auf die eigenen Bedürfnisse zurechtgeschnitten hat? Kann man dann noch unterscheiden, welche Wahrheit denn überhaupt die richtige ist?
Auch diese Fragen muss sich Clayton stellen, und George Clooney diesbezüglich beim Denken zuzusehen bringt einem den schwierigen Charakter näher. Die komplexe Hintergrundgeschichte wird dabei nur in Stücken aufgedeckt, die man sich auch noch selbst in die richtige Reihenfolge bringen muss, um sie vollständig zu verstehen. Aufmerksamkeit von Seiten der Zuschauer ist also Pflicht. Dank der lebensnah spielenden Darsteller, der besonnenen, ausdrucksstarken Inszenierung und des realistischen Aufbaus, richtet sich der anspruchsvolle Michael Clayton auch an ein anspruchsvolles Publikum. Wer mehr Thriller als Drama erwartet, sollte bedenken, dass es in Wirklichkeit meist viel mehr Drama als Thriller ist. So auch hier.