Last Samurai [2003]
Wertung: |
Kritik von Jens Adrian |
Hinzugefügt am 13. Januar 2004
Genre: Drama / ActionOriginaltitel:The Last Samurai
Laufzeit: 154 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2003
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren
Regie: Edward Zwick
Musik: Hans Zimmer
Darsteller: Tom Cruise, Ken Watanabe, Koyuki, Timothy Spall, Shin Koyamada, Hiroyuki Sanada, Shun Sugata, Billy Connolly, Tony Goldwyn, Masato Harada, William Atherton, Shichinosuke Nakamura
Kurzinhalt:
1876: Für die einen ist Captain Nathan Algren (Tom Cruise) ein Held: Er hat im Krieg gegen die Indianer gekämpft und viele Siege errungen. Algren selbst versucht dagegen, seine Schuldgefühle im Alkohol zu ertränken. Als ihm Omura (Masato Harada), ein Beauftragter des japanischen Kaisers, und Colonel Bagley (Tony Goldwyn) vorschlagen, für viel Geld in Japan eine Armee gegen aufständische Samurai auszubilden, willigt Algren ein, da er keine wirkliche Alternative sieht.
In Japan eingetroffen und von Simon Graham (Timothy Spall) dem Kaiser Meiji (Shichinosuke Nakamura) vorgestellt, unterweist er die japanischen Soldaten in amerikanischer Kriegsführung. Doch bereits beim ersten Gefecht gegen die Samurai müssen sie eine verheerende Niederlage einstecken, und Algren gerät in Gefangenschaft.
Katsumoto (Ken Watanabe), der Anführer der Samurai, lässt den Verwundeten im Haus des Mannes genesen, den Algren kurz vor seiner Gefangenschaft getötet hat. Von fremden Menschen und einer fremden Kultur umgeben, besiegt Algren den Alkoholismus, findet seinen Frieden und lernt den Weg der Samurai zu schätzen. Er lässt sich sogar in der Kampfkunst unterweisen und entwickelt eine Freundschaft zu seinem einstigen Feind Katsumoto.
Doch Omura und Bagley planen bereits einen neuen Angriff auf die Samurai, mit Maschinengewehren und Haubitzen. Gegen diese militärische Übermacht scheinen die ihrem uralten Ehrenkodex verpflichteten Samurai keine Chance zu haben.
Kritik:
Der englische Autor Edward George Earle Lytton Bulwer-Lytton schrieb einmal "Die Feder ist mächtiger als das Schwert". So philosophisch das klingt, angesichts der brutalen, brachialen Waffengewalt, mit der die Amerikaner im Bündnis mit den Japanern den Samurai zusetzten, musste sich das Schwert letztendlich auch Gewehr- und Kanonenkugeln ergeben.
"Samurai", so wird auch im Film gesagt, bedeutet sowohl "Dienender", als auch "Krieger". Wie die Samurai entstanden, ist bis heute nicht geklärt, ab dem 12. Jahrhundert waren sie allerdings die bewaffnete Leibwache des Lehnsfürsten Japans und kämpften und starben für ihn. Die Samurai lebten nach einem strengen Ehrenkodex, dem Bushido, und wurden während der Meijin-Reform durch eine neue Verfassung quasi entmachtet.
Dass sich Autor John Logan (Gladiator [2000]) intensiv mit dieser Kultur beschäftigte, sieht man Last Samurai durchaus an, viele Gebräuche, Lebenseinstellungen und Details haben ihren Weg in die Verfilmung gefunden.
Eben dieses Hintergrundwissen kommt dem Skript letztendlich zugute und macht einen grundlegenden Schwachpunkt wieder wett: Die Tatsache nämlich, dass der Titel ebensogut "Der mit den Samurai tanzt" hätte lauten können. Denn so viele Schichten und so viel Symbolik das Drehbuch auch besitzt, letztendlich scheint es doch nur eine Abwandlung der zurecht oscargekrönten Vorlage von Der mit dem Wolf tanzt [1990] zu sein; beide Hauptcharaktere entstammen dem Krieg, beide müssen sich in eine neue Kultur einleben und lernen sie schätzen, ja "bekehren" sich sogar zu dieser neuartigen Welt. Was Last Samurai somit noch gefehlt hätte, wäre ein Wolf oder ein vergleichbares Tier.
Doch das soll das Drehbuch von John Logan nicht herabsetzen, ganz im Gegenteil, ihm gelang eine hervorragende Mischung aus Kritik am amerikanischem Kolonialdenken und japanischer Tradition, die der Moderne weichen musste.
Die Charaktere sind dabei so vielschichtig, wie originell aufgebaut und vermitteln den Eindruck, als wären sie einem Geschichtsbuch entsprungen.
Nathan Algren einerseits verkörpert das gebrochene Amerika, das zu jener Zeit kaum jemand zeigen wollte, auch wenn der Krieg gegen die Indianer – ansich eher ein Massaker, das die Kolonisten unter den Ureinwohnern Amerikas anrichteten – schon beinahe gewonnen war. Ihm wird verständlicherweise sehr viel Zeit eingeräumt, um durch seine Augen die Kultur Japans zu verstehen und die Bräuche kennenzulernen.
Doch mit ebenso viel Gewichtung behandelt Logan Algrens vermeintlichen Widersacher Katsumoto, der das alte, von Ehrgefühl geprägte Japan verkörpert, in dem auch dem ärgsten Feind Respekt gezollt wird. Katsumoto ist insbesondere deshalb interessant, weil er erkennen muss, dass der Kaiser, dem er seit jeher diente, das alte Japan gar nicht mehr erhalten möchte. Zu eingeschüchtert von der industrialisierten westlichen Welt und von seinen Beratern beeinflusst, hadert der Kaiser und verdammt damit die Samurai samt ihrer Kultur zur Auslöschung.
Als wäre das nicht schon genügend Konfliktpotential, wohnt Algren auch noch in dem Haus der Frau Taka (Koyuki) und ihren Kindern, deren Ehemann beziehungsweise Vater er im Kampf getötet hat – und auch hier wird ihm erst klar, dass diese Kultur völlig anders ist als alles, was er bislang kannte.
Logangelang eine erfrischend objektive Sicht auf das Japan des vorletzten Jahrhunderts, das seinen Weg erst noch finden musste, und stellt dabei die Japaner nicht als mordende oder mordlüsterne Barbaren hin, sondern als ein zutiefst seiner Tradition verpflichtetes Volk, das durch Feinde von außen und von innen, die nur ihre eigene Profitgier im Sinn hatten, vom richtigen Pfad abgebracht wurde.
Das Geschehen läuft verständlicherweise auf eine Schlussschlacht hinaus, in der sich die Alte der Neuen Welt stellen muss – und auch wenn die Handlung ansich mehr oder weniger absehbar ist, wirkt sie niemals kitschig. Zwar ist der Mittelteil etwas lang geraten, doch an den charakterlichen Entwicklungen hätte man eigentlich nichts einsparen dürfen. Und nur weil das Mainstream-Kino heutzutage zugunsten der Massenkompatibilität vielfach hektisch und actionorientiert gestaltet ist, sollte man einen Film nicht kritisieren, nur weil er auf eine etwas ruhigere Erzählweise zurückgreift. Langweilig ist Last Samurai jedenfalls in keiner Minute und aufregende Kämpfe gibt es ebenfalls zu hauf.
Bedenkt man, dass der Film immer wieder mit Seitenhieben auf die militärische Arroganz der amerikanischen Streitkräfte anspielt, die nicht nur die Indianer, sondern auch die Samurai unterschätzten, und die von vorne herein nicht begriffen, dass ihre "Feinde" nicht nur auf eigenem Boden, sondern auch für ein höheres Ziel kämpften, verwundert es nicht, dass Last Samurai trotz recht guter Kritiken in den USA kein wirklicher Erfolg war. Abgesehen natürlich vom denkbar ungünstigen Startzeitpunkt wenige Wochen vor Der Herr der Ringe – Die Rückkehr des Königs [2003].
Bemerkenswert ist zudem, dass die drei Hauptaussagen des Films in drei einzelnen Szenen so hervorragend eingefangen werden, dass man sie beinahe übersehen könnte; aufmerksame Augen werden diese Szenen aber sofort entdecken:
So nebensächlich es aussehen mag, wenn Nathan Algren mit seinen schmutzigen Schuhen in Takas Haus hineinläuft und seine Fußabdrücke hinterlässt, es verdeutlicht ohne Worte, mit welcher Ungehobeltheit und welcher Ignoranz die Fremden Japan verschmutzt haben, ohne sich anzusehen, was sie eigentlich zerstörten.
Die zweite Erkenntnis, die erneut Algren betrifft, verinnerlicht er, nachdem er die fünf Angreifer in der Gasse in Tokyo überwältigt hat. Erst im Nachhinein wird im klar, wie er gehandelt hat. Der Kampf selbst war nicht bewusst geplant und durchgeführt, Algrens Handlungen waren rein intuitiv – erst ab diesem Moment verhält sich Algren wie ein Samurai, wie er es eben zuvor im Dorf gelernt hatte.
Zweifelsohne die traurigste und erschütterndste Szene ist jedoch, als sich bei der Befreiung Katsumotos ein Samurai opfert, und trotz unzähliger Verwundungen den mit Gewehren ausgerüsteten Angreifern nur mit seinem gezücktem Schwert stellt. So beeindruckend und ehrenwert der Mut und der Kampfeswille des "Dieners" ist, so vergebens ist sein Widerstand angesichts der Übermacht der modernen Waffen – dies wird beim Finale erneut deutlich.
Getragen wird Edward Zwicks Film zweifelsohne durch seine hervorragende Besetzung, die besser nicht hätte zusammengestellt werden können. Angeführt von Tom Cruise, der sich zusammen mit Sprachtraining und Schertkampfunterricht beinahe zwei Jahre für den Film vorbereitete, ist gleichberechtigt neben ihm Ken Watanabe als Samurai-Führer Katsumoto zu sehen.
Beide Darsteller spielen außergewöhnlich gut und gehen in ihren Rollen voll und ganz auf. Durch seine beinahe mystische Ruhe wirkt Watanabes Schauspiel vielleicht noch einen Tick faszinierender, als das von Cruise, der sich seit Magnolia [1999] nicht mehr so ins Zeug gelegt hat.
Begleitet werden sie von Timothy Spall als Beobachter, Tony Goldwyn (Ghost – Nachricht von Sam [1990], Spuren von Rot [1992]), den man im Übrigen kaum wiedererkennt, und Billy Connolly, der allerdings nur einen kurzen Auftritt hat und demnächst in der neuen Michael Crichton-Verfilmung Timeline [2003] in unseren Kinos zu sehen sein wird.
Mindestens ebenso beeindruckend sind die japanischen Darsteller, allen voran Shin Koyamada als Katsumotos Sohn und Koyuki als Witwe Taka. Charismatisch und furchteinflößend zugleich ist hier auch Hiroyuki Sanada, dessen Schwertkampf in der Tat atemberaubend ist.
Alle Darsteller sind hervorragend gewählt und passen perfekt in ihre Rollen, gleichwohl den beiden Hauptdarstellern schwer beizukommen ist. Doch unzählige Statisten brauchen sich ebenfalls nicht zu verstecken, ihnen ist es zu verdanken, dass auch die Massenschlachten hervorragend gelungen sind.
Dass Regisseur Edward Zwick mit Kriegsschauplätzen schon Erfahrung hat, zeigt ein Blick auf seine Filmographie; ihm sind unter anderem Glory [1989] und Legenden der Leidenschaft [1994] zu verdanken. Insofern verwundert es nicht, dass ihm hier eine gelungene Mischung aus Drama-betonten Szenen und actionreichen Kampfeinlagen gelang. Er verzichtet glücklicherweise auf ausschweifende Kamera-Gimmicks und setzt dafür die ausgiebigen Zeitlupen sehr gekonnt in Szene. Dabei nutzt Zwick das Kinoformat gekonnt aus und vermittelt in vielen Einstellungen einen Panoramaüberblick, in dem man minutenlang schwelgen könnte.
Sowohl die imposante Schlussschlacht (die von ihrer Größe her aber nicht an Der Herr der Ringe – Die Rückkehr des Königs heranreicht), als auch die Einzelkämpfe sind sehr gut gefilmt und auch stilvoll umgesetzt.
So erscheint die Gewalt nicht zelebriert, sondern immer so in Szene gesetzt, um genügend Realismus zu vermitteln, ohne sich an dem Leid zu weiden. Zimperlich ist Last Samurai dabei wirklich nicht, die Freigabe ab 16 Jahren ist durchaus berechtigt.
Kamera und Schnitt sind außerordentlich sauber geraten und vermitteln einen routinierten Eindruck, bei einem Projekt dieser Größenordnung ist das ein nicht zu unterschätzender Pluspunkt, den man leider heute oft vermisst.
Malerische Landschaftsaufnahmen (die weit weniger verwaschen wirken, je mehr sich Algren in Japan eingelebt hat) und gelungene Bildkompositionen heben Last Samurai handwerklich deutlich über den Durchschnitt und zeigen auf, dass es heute eben doch noch möglich ist, einen guten Film ohne den ausschweifenden und offensichtlichen Einsatz von CGI-Bildern zu drehen.
Hans Zimmer, für den es sogar schon der 100. Score war, liefert hier ebenfalls eine sehr gute Arbeit ab. Zwar hört man deutliche Anleihen aus Black Rain [1989] und Der König der Löwen [1994] heraus, doch das schmälert die gekonnten Kompositionen nicht im Geringsten.
Rhythmische Themen, gemischt mit wenigen, dafür effektiven Synthesizerklängen zeigen, dass Zimmer sein Talent für einen opulenten, epischen Soundtrack noch nicht verloren hat. Seine Musik ist sowohl harmonisch, als auch fremdartig und spiegelt eindrucksvoll Japans Kultur wider.
Mit diesem Engagement wünscht man sich wieder mehr Scores von ihm.
Dass die von Tom Cruise geleitete Produktion sehr aufwändig war, merkt man nicht nur an den eindrucksvollen Massenaufnahmen, die zwar sicherlich computerunterstützt sind, was jedoch höchstens einem äußerst geübten Auge in seltenen Einstellungen auffallen dürfte. Die zahlreichen Bauten und Kostüme mögen auf den ersten Blick gar nicht so teuer aussehen, sie haben ber viele Ressourcen verschlungen und tragen, wie die überzeugenden Spezialeffekte positiv zu dem authentischen Gesamtbild bei.
Wer zudem einen Blick auf die Schluss-Schlacht wirft, wird erahnen können, was für ein gigantischer logistischer Aufwand die Produktion gewesen sein muss – und das bei verschiedensten Drehorten in Japan, den USA und Neuseeland.
Gelungen ist auch die deutsche Synchronisation, dank routinierter Sprecher wie Patrick Winczewski für Tom Cruise und Benjamin Völz für Tony Goldwyn. Selbst die japanischen Darsteller wurden ansprechend synchronisiert, der Akzent wirkt weder aufgesetzt, noch übertrieben.
Mühe gab man sich offenkundig bei der Wortwahl, die aus jener Zeit zu stammen scheint und nicht unnötig modernisiert wurde. Dem Tonstudio kann man hier nur gratulieren.
Dass bei einer solchen Produktion aufgrund der Verwendung von echten Schwertern Verletzungen nicht ausbleiben können, versteht sich fast von selbst. Hauptakteur Tom Cruise entkam einer möglicherweise tödlich Verletzung allerdings nur um Haaresbreite, als ein mechanisches Pferd, mit dessen Hilfe Cruise sich hätte wegducken sollen, nicht funktionierte, und sein Co-Darsteller das Schwert nur Zentimeter vor seinem Hals abfangen konnte.
Für Kenner des Films interessant ist zudem, was Takas jüngerer Sohn Algren auf der Schriftrolle mitgegeben hat – das Schriftzeichen, das dort abgebildet ist, steht für "Samurai".
Trotz 150 Minuten Laufzeit wirkt Last Samurai nie zu lang. Dank sehr guter Darsteller, einer gelungenen Inszenierung und einem hintergründigen Drehbuch besitzt der Film genügend Substanz, um über die Länge hinweg tragen zu können.
Allerdings sollte man sich als Zuschauer auch darauf einlassen können; wer nach einem Kill Bill [2003]-Klon sucht, oder einem Schlachtengetümmel ohne tieferen Sinn, der wird es nicht finden.
Zwar sind die Erkenntnisse, die hier gewonnen werden, nicht unbedingt neu, dafür aber vor einer so malerischen Kulisse fotografiert, dass man der Landschaft und der eigentlich friedvollen Lebensweise in kürzester Zeit verfallen ist.
Es ist traurig, dass dem Film nicht der Erfolg beschieden ist, den er verdient. Denn wer mit genügend Interesse ins Kino geht, wird nicht enttäuscht.
Fazit:
Gut aufgelegte und geforderte Darsteller, ein guter Regisseur und ein talentierter und engagierter Drehbuchautor – ansich hätte The Last Samurai ein Erfolg sein müssen. Künstlerisch ist er das auch, gleichwohl er an die Originalität von Der mit dem Wolf tanzt nicht ganz heranreicht.
Doch die Kultur der Samurai ist mehr als interessant und entsprechend beleuchtet, um Interessenten vor die Leinwand zu bannen. Kombiniert mit imposanten Zweikämpfen und Schlachten ergibt es eine erfrischend gelungene Mischung aus Drama und Action, die angesichts von Der Herr der Ringe – Die Rückkehr des Königs zwar zu früh in den Kinos gelandet, aber dennoch sehenswert ist.