Jarhead – Willkommen im Dreck [2005]

Wertung: 5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 26. Januar 2006
Genre: Drama / Kriegsfilm

Originaltitel: Jarhead
Laufzeit: 122 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2005
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: Sam Mendes
Musik: Thomas Newman
Darsteller: Jake Gyllenhaal, Peter Sarsgaard, Jamie Foxx, Chris Cooper, Dennis Haysbert, Scott MacDonald, Lo Ming, Kevin Foster, Brianne Davis, Brian Casey, Ernest Ozuna, Tyler Sedustine, Jacob Vargas, Laz Alonso, Jocko Sims, Lucas Black, Iván Fenyö, Brian Geraghty, Peter Gail, Jamie Martz, Evan Jones


Kurzinhalt:
Dass es von Soldat Anthony Swofford (Jake Gyllenhaal) keine besonders gute Idee war, sich bei den US-Marines zu verpflichten, wird ihm sehr schnell klar; da ändert auch die steigende Kameradschaft und die wachsende Bewunderung sowie das steigende Geschick Swoffords mit seinem Scharfschützengewehr nicht hinweg.
Zusammen mit seinem Kameraden Troy (Peter Sarsgaard), seinem Staff Sergeant Sykes (Jamie Foxx) und Tausenden anderen Soldaten wird Swofford 1991 in die Golfregion geschickt. Doch statt dort den Soldaten von Saddam Hussein das Handwerk zu legen, verdammt die Politik die Soldaten dazu, zu warten – und die Ölfelder zu beschützen. So beginnt für Swofford, Troy und die übrigen ein quälender und zermürbender Prozess und bis die Marines nach der täglichen, nervenzerrenden Anspannung schließlich in den Kampf geschickt werden, sind sie kaum mehr die Männer, die Monate zuvor in die Region gekommen waren – dabei liegt der wahre Horror erst noch vor ihnen ...


Kritik:
Mit seinem Memoirenroman Jarhead - Erinnerungen eines US-Marines [2003] machte sich der Soldat Anthony Swofford keine neuen Freunde beim Militär, erzählte er doch seiner Erlebnisse während des Golf Krieges 1991 ungeschönt und so gänzlich anders, als es die PR-Maschinerie der US-Streitkräfte damals bei zahlreichen Fernsehsendern erscheinen ließ. Dass auch Regisseur Sam Mendes' Filmadaption beim amerikanischen Publikum keinen guten Stand haben würde, war somit abzusehen, denn nicht zuletzt durch den erneut aufgeflammten Konflikt in der Golfregion spiegelt Jarhead das Vergangene ebenso wieder, wie das Aktuelle.
Dabei haben sowohl der Regisseur, als auch der Drehbuchautor William Broyles Jr. (Untreu [2002]) einen Aspekt von Swoffords Roman sehr gut eingefangen, nämlich das monatelange, zermürbende Warten und die daraus resultierenden Depressionen der Marines, wohingegen aber eine andere Facette des Buches, nämlich die grenzenlose Zerstörung im Kriegsgebiet, nicht in dem Maße geschildert wird, wie man dies bei einem modernen Anti-Kriegs-Film erwarten würde.

Es scheint fast, als hätten die Macher jenen Teil des Romans zugunsten der Charakterstudien ausgeklammert, denn auch wenn die Truppe der Marines durch ausgebrannte Wagenkolonnen schreitet und vor den brennenden Ölfeldern steht, wird die Kritik an dem Grund des Eingreifens der USA nur sehr selten deutlich. Gar ein einziges Mal wird der wahre Kriegsgrund angesprochen, abgesehen davon findet sich an der Motivation der US-Streitkräfte jedoch keine Kritik.
Stattdessen wird das Geschehen aus der Sicht einer kleinen Truppe Marines geschildert und ihr seelischer Verfall innerhalb der sechs Monate chronologisiert. Dies ist Skriptautor Broyles auch sehr gut gelungen, immerhin bleibt das Geschehen trotz sehr weniger Actionszenen immer interessant und auch spannend genug, selbst wenn die Ausbildung der Marines keine neuen Einblicke in das Prozedere gewährt, die man nicht aus anderen Produktionen oder Büchern kennen würde.
Beginnt jedoch die Last des Wartens auf die Soldaten, insbesondere Swofford, zu drücken, entfalten sich die wahren Stärken des Skripts, das es versteht, den augenscheinlich so ähnlichen Figuren Tiefe und unterschiedliche Charakterzüge zu verleihen. Dank intelligenter, hintersinniger Dialoge werden sowohl Idealisten als aus Illusionäre herausgearbeitet, manche Nerven blank gelegt und Schicksale begreiflich gemacht, die man hinter der Uniform nicht vermutet hätte. Dass das Drehbuch den Figuren auch nach der Abreise aus dem Kriegsgebiet folgt, in wenigen Szenen ihren weiteren Verlauf schildert und anschließend den Bogen zum Beginn schlägt, scheint nicht aufgesetzt oder erzwungen, sondern passt zur Stimmung des Films, der die Absurdität der Stationierung der US-Marines und ihre Behandlung durch die Militärmaschinerie gekonnt einfängt.
Somit bleibt der einzige Vorwurf, der man der Vorlage machen kann, die fehlende Kritikfähigkeit am Kriegsgrund vor 15 Jahren, der gerade in den letzten Jahren erneut herangezogen wurde und trotz seiner Aufdeckung kaum geahndet wird.

In der Filmografie von Regisseur Sam Mendes finden sich Darstellergrößen wie Tom Hanks und Kevin Spacey, die unter seiner Anleitung jeweils zu Höchstformen aufgelaufen sind – für Jarhead musste Mendes auf jüngere Akteure zurückgreifen und beweist auch hier ein Gespür für talentierte Schauspieler.
Jene werden von einem außergewöhnlich starken Jake Gyllenhaal angeführt, der sowohl das eher ruhige Gemüt Swoffords während der Ausbildung zum Ausdruck bringt, als auch seine merklich steigende Anspannung während des Aufenthalts im Irak. Was jedoch in Erinnerung bleibt ist einerseits der Zusammenbruch Swoffords, der ergreifend und beinahe schon beängstigend gespielt ist, andererseits aber auch sein Spiel, wenn die Marines das Kriegsgebiet schließlich betreten. Gyllenhaal beweist Eindrucksvoll, dass die Vorschusslorbeeren, die er unter anderem für Donnie Darko [2001] erhielt nicht verfrüht, sondern voll auf berechtigt waren, und man darf gespannt sein, was für eine Rollenauswahl er in Zukunft treffen wird.
Selbiges gilt für Peter Sarsgaard, der zuletzt mit Flightplan [2005] im Kino zu sehen war; für seine packende Darbietung in Shattered Glass [2003] erhielt er mehrere Preise, für Kinsey [2004] zahlreiche Nominierungen, und auch für Jarhead sollte man ihn auszeichnen. Stiftet er einen Großteil des Films im Schattendasein Gyllenhaals, nutzt er seinen Moment beim Finale des Films, um sein Können zu demonstrieren. Er übertrifft dahingehend sogar noch Gyllenhaal und zeigt eine der besten Darstellungen, die man seit langem zu sehen bekam, ihm ist dazu nur zu gratulieren.
Keine Wünsche offen lässt auch Jamie Foxx, der für Ray [2004] mit einem Oscar ausgezeichnet wurde, und als Ausbilder in Jarhead eine sehr gute, und überraschend vielschichtige Figur mimt. Einen exzellenten Kurzauftritt besitzen gleich zwei renommierte Darsteller: sowohl Chris Cooper, als auch Dennis Haysbert beeindrucken mit sehr guten Leistungen in der Kürze der Zeit und veredeln den Film zusätzlich.
An der übrigen Besetzung gibt es nichts zu bemängeln, auch die Darsteller der Marines sind sehr gut ausgewählt und den Rollen mehr als gewachsen. Sie alle leisten eine sehr gute Arbeit und tragen zum authentischen Flair des Films bei.

Handwerklich überrascht Sam Mendes, der bei seinen ersten beiden Filmen mit inzwischen leider verstorbenen Kameramann Conrad L. Hall zusammen gearbeitet hatte, durch eine bisweilen sehr bewegte Kamera, die aber entgegen den Anti-Kriegs-Filmen von Steven Spielberg nicht auf grobkörnige Bilder setzt.
Für Jarhead griff Mendes auf die Dienste von Cinematograph Roger Deakins zurück, der bereits mit M. Night Shyamalan bei The Village – Das Dorf [2004] gearbeitet hat und für Filme der Brüder Ethan und Joel Coen (darunter Fargo – Blutiger Schnee [1996]) für den Oscar nominiert war.
Die Bilderauswahl ist dabei zwar nicht so berauschend oder komponiert, wie bei Road to Perdition [2002] vom selben Regisseur, überzeugt aber durch wohl überlegte Perspektiven und speziell bei den Aufnahmen der brennenden Ölfelder durch eine Optik, die trotz der verheerenden Zerstörung fasziniert und erstaunt.
Dank des sehr guten Schnitts von Walter Murch (Unterwegs nach Cold Mountain [2003]) erhält der Film ein angenehm hohes Erzähltempo, bei dem auch die einbrachten Rückblenden nicht stören. Kamera und Schnitt harmonieren sehr gut miteinander, bringen die Situation der Marines, die steigende Anspannung der Soldaten und ihre Konfrontation mit dem wirklichen Krieg sehr gut zum Ausdruck.
Einen nicht zu unterschätzenden Anteil an der sehr guten Inszenierung tragen auch die gelungenen Spezialeffekte von Industrial Light & Magic, die gerade deswegen eine herausragende Arbeit leisten, weil man ihr Eingreifen im Film nicht bemerkt. So mussten zwar zahlreiche Änderungen an der Hintergrundlandschaft vorgenommen werden und auch beim Finale war ihr Eingreifen unabdingbar, doch gelingt den Effektkünstlern von George Lucas Trickschmiede das Kunststück, realistische Spezialeffekte unauffällig einzubringen – und das ist gerade bei solchen Bildern eine Leistung, die man würdigen sollte.

Musikalisch setzt Thomas Newman hier auf eine gänzlich andere Instrumentierung, als bei American Beauty [1999] oder Road to Perdition, untermalt das Geschehen mit orientalisch angehauchten, sehr rhythmischen und kraftvollen Themen, wobei nur an manchen Stellen ein wenigen von seinen älteren Scores (darunter auch Findet Nemo [2003]) zum Vorschein kommt.
Die Musik passt sehr gut zu den gezeigten Bildern und entwickelt dank der lauteren Instrumentierung auch die notwendige Dynamik für die schnelleren Szenen. Fans von Newman sollten nur keinen konventionellen Score erwarten, denn nicht nur, dass dieser bei Jarhead nicht gepasst hätte, vielmehr trägt der Soundtrack, mit dem der Komponist das Geschehen begleitet, sichtlich mehr zur realistischen Atmosphäre des Films bei, ohne je negativ aufzufallen.

Mit einem Budget von 70 Millionen Dollar gehört Jarhead nicht zu den teuersten, aber auch nicht zu den billigsten Produktionen der Traumfabrik; der Aufwand ist der Produktion dabei durchaus anzusehen, doch ist die Enttäuschung beim Studio sicherlich verständlich, immerhin spielte der Film in den USA seine Kosten nicht ganz wieder ein, auch wenn sich der Produktionseinsatz spätestens mit der Videoveröffentlichung wieder gerechnet haben wird. Allerdings war mit einer solchen Thematik, trotz der gestiegenen Erkenntnis der US-Bevölkerung angesichts der Kriegsgründe des jüngsten Irak-Krieges, auch kein durchschlagender Erfolg zu erzielen.
Dafür steht Sam Mendes dritter Hollywood-Film bei Zuschauern und Kritikern hoch im Kurs und das zurecht, denn trotz der fehlenden Kritikfähigkeit gegenüber den Kriegsgründen des Golf Krieges, sind die im Film angesprochenen Punkte durchaus wichtig und sollten auch thematisiert werden. Dabei ist Jarhead jedoch weniger ein Anti-Kriegs-Film als ein Charakterdrama und funktioniert als letzteres auch besser.
Empfohlen sei der Film damit all jenen, die sich ein Bild über den tatsächlichen Einsatz der US-Marines vor 15 Jahren machen möchten, fernab von den auf Hochglanz polierten und gleichsam gestellten Bildern der damaligen amerikanischen Presse.


Fazit:
Wenn Lieutenant Colonel Kazinski seine Marines darüber informiert, dass sie sich nicht für die gepeinigten und verfolgten Bürger einsetzen dürfen, sondern stattdessen das Öl bewachen sollen, fühlt man sich als Zuschauer stark an internationale Nachrichten aus dem Frühjahr 2003 erinnert, als die US-Truppen einmal mehr im Irak einmarschierten – und wenn sich die US-Marines an den Schlachtszenen von Apocalypse Now [1979] ergötzen, hat man einerseits das Gefühl, dass die Soldaten nicht begriffen, worum es Regisseur Francis Ford Coppola eigentlich ging, und andererseits wird auch deutlich, dass sich in Jarhead viel mehr versteckte Kritikpunkte der Filmemacher am Militär befinden, als man zunächst vermuten würde.
Dennoch sind es derer letztlich zu wenig, wofür Regisseur Sam Mendes allerdings seine Figuren, allen voran Swofford in den Vordergrund stellt. Diese werden von einem facettenreichen Skript und dank hervorragender Darstellerleistungen von Jake Gyllenhaal und Peter Sarsgaard zum Leben erweckt, die es verstehen, den Charakteren Tiefe zu verleihen. Dank der exzellenten Inszenierung und der durchweg gelungene Atmosphäre wird das Schicksal der ewig wartenden US-Marines während des Golf Krieges spürbar, der Verfall ihrer Werte sichtbar.
Selbiges ist auch durchaus sehenswert, über mangelnde Kritikfähigkeit bezüglich des Kriegsgrundes und die zu kurz gekommene Darstellung der Zerstörung im Kriegsgebiet (und das Schicksal der Kriegsopfer) täuscht das jedoch ebenso wenig wie die gerade in der zweiten Filmhälfte faszinierend-verstörende Optik nicht hinweg.