Jack Ryan: Staffel 3 [2022]
Wertung: |
Kritik von Jens Adrian |
Hinzugefügt am 13. Februar 2023
Genre: Thriller / ActionOriginaltitel: Jack Ryan: Season 3
Laufzeit: 414 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2022
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren
Regie: Jann Turner, Kevin Dowling, David Petrarca
Musik: Ramin Djawadi
Besetzung: John Krasinski, Wendell Pierce, Betty Gabriel, Michael Kelly, Nina Hoss, James Cosmo, Peter Guinness, Alexej Manvelov, Ana Ularu, John Schwab, Mikhail Safronov, Adam Vacula, Michael Gor, Lucy Newman-Williams
Kurzinhalt:
Ursprünglich im Jahr 1969 als geheimes, sowjetisches Militärprojekt zur Entwicklung einer Atomwaffe gedacht, findet CIA-Analyst Jack Ryan (John Krasinski) mehr als ein halbes Jahrhundert später Hinweise, dass das Projekt „Sokol“ reaktiviert wurde. Ziel soll sein, die Sowjetunion wiederherzustellen. Mit Zustimmung der Leiterin der CIA-Außenstelle in Rom, Elizabeth Wright (Betty Gabriel), verfolgt Ryan die Spur mit Hilfe des CIA-Russlandexperten James Greer (Wendell Pierce) weiter und kommt dahinter, dass ein nuklearer Sprengsatz bereits gebaut sein könnte. Nachdem Ryans Mission in Griechenland fehlgeschlagen ist und er sich zunehmend auf den als ebenso politisch einflussreichen wie als zwielichtig bekannten Luka Goncharov (James Cosmo) einlässt, soll Jack als Sündenbock für CIA-Direktor Miller (Jonathan Bailey) dienen. Einzig auf den inzwischen unabhängigen Mike November (Michael Kelly) kann sich Ryan noch verlassen. Doch dann wird der russische Verteidigungsminister während eines offiziellen Besuchs bei Tschechiens Präsidentin Alena Kovac (Nina Hoss) ermordet. Als die Präsidentin den Rat ihres politisch versierten Vaters Petr (Peter Guinness) sucht, setzt der neue russische Verteidigungsminister Alexei Petrov (Alexej Manvelov) Mechanismen in Gang, die nicht nur in Sokols Ablauf passen, sondern letztlich zu einem Dritten Weltkrieg führen können …
Kritik:
Es fällt den Verantwortlichen hinter der Agenten-Thriller-Serie Jack Ryan erstaunlich schwer, der Adaption der auf inzwischen drei Dutzend Büchern basierenden Figur eine eigene Identität zu verleihen. Zeichnete Staffel 2 das Bild eines waffenstarrenden Actionhelden, kehrt Staffel 3 zu dem CIA-Agenten zurück, der sich hauptsächlich durch seine Analysen auszeichnet. Jedoch gestaltet sich dadurch der Auftakt beinahe zäh, selbst wenn die Geschichte durch die Wirklichkeit nicht nur ein-, sondern auf erschreckende Weise überholt wurde.
In einem im Jahr 1969 angesiedelten Prolog wird das sowjetische Projekt Sokol deaktiviert. Teil des Programms war die Entwicklung einer Nuklearwaffe mit einer beschränkten Sprengkraft. Im Jahr 2022 findet CIA-Analyst Jack Ryan Hinweise, dass Sokol reaktiviert wurde. Seine Vermutung ist, dass durch die Strategie der kleinen Kriege Unruhe in Europa gesät werden soll, um schließlich in einem nuklearen Angriff zu münden. Doch als der Versuch, einen übergelaufenen Wissenschaftler zu befreien, scheitert, findet sich Ryan als Sündenbock der CIA im Fadenkreuz seines eigenen Landes wieder. Zwar kann er weiterhin auf die Unterstützung von James Greer zählen, der mit seinen Verbindungen innerhalb des Geheimdienstes und in diplomatischen Kreisen ein großes Netzwerk aufgebaut hat, aber nicht nur ein Attentat auf den russischen Verteidigungsminister während eines Besuchs bei der tschechischen Präsidentin Alena Kovac bekräftigt Ryan in der Überzeugung, dass Sokol in vollem Gange ist.
Hört man dabei Alena Kovac und ihren Beraterstab diskutieren, ob sie die Stationierung von NATO-Raketen in Tschechien erlauben soll, oder die Pläne des nachgerückten russischen Verteidigungsministers Alexei Petrov, der davon spricht, mehr russische Truppen in die Ukraine zu verlegen und bis an die Grenze der Slowakei vorzudringen, dann erscheint die Story einer eskalierenden kriegerischen Handlung von Seiten Russlands geradezu erschreckend greifbar. Dabei wurde Jack Ryan: Staffel 3 nicht nur vor dem Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine 2022 geschrieben, sondern auch gedreht. Sprechen die Drahtzieher hier also davon, Europa zu destabilisieren und mittels eines Krieges Russland zur Größe der Sowjetunion zurück zu führen, dann besitzt das Skript eine geradezu prophetische Weitsicht. Umso glaubhafter sind die verschiedenen Eskalationsstufen, die der Konflikt hier aufgreift.
Die Geschichte selbst ist überaus komplex, stellt eine Verschwörung vor, die mehrere Jahrzehnte lang vorbereitet wurde und viele verschiedene Personen aus unterschiedlichen Ländern umfasst. Anstatt dies in einem großen Treffen der Beteiligten dem Publikum zu präsentieren, nähert sich Staffel 3 der Situation aus Sicht von Titelfigur Jack Ryan, dessen große Stärke sein analytischer Verstand ist. Er wertet Informationen aus und versucht, aus dem Geschehen eine Hypothese abzuleiten. Insofern verwundert es nicht, dass Ryan mehrmals zum falschen Schluss kommt, was das Sokol-Projekt oder die Loyalitäten seiner Quellen anbelangt. Wie das Publikum ebenfalls kann er nur bewerten, was ihm bekannt ist und ergeben sich bestimmte Zusammenhänge erst später, kann dies die gesamte Situation auf den Kopf stellen. Eben diese Dynamik macht die Story der dritten Season von Jack Ryan packend und zu sehen, dass der hoch dekorierte Veteran regelmäßig umdenken muss, sorgt ebenfalls für Spannung. Umso mehr, wenn sich der orchestrierte Plan der Verschwörung langsam abzeichnet und die unverhohlen realistisch anmutenden Eskalationsstufen des provozierten, globalen Konflikts bekannte Länder und politische Themen betreffen.
Diese Aktualität lässt einen auch darüber hinwegsehen, dass Jack Ryan: Staffel 3 mit zahlreichen Genreklischees aufwartet. Vom Karrieristen an der Spitze der CIA, der auf den Rat seiner Agentinnen und Agenten vor Ort nicht hören will, über die Tatsache, dass Ryan selbst sich auf der Flucht vor seinen eigenen Leuten wiederfindet (ein Thema, das nicht erst seit den Mission: Impossible-Filmen zum Standard von Agentengeschichten zu gehören scheint), oder manchen all zu absehbaren Verstrickungen bzw. Entscheidungen. Treffen sich die Verschwörer in einem Landhaus für eine Jagd und kritisiert eine Nebenfigur einen der zentralen Rädelsführer, dann überrascht es kaum, wer hier ins Fadenkreuz geraten wird. Zahlreiche Situationen laufen nach bekanntem Muster ab und so verworren die Hintergründe der zentralen Verschwörung, die wenigsten Szenen selbst sind wendungsreich oder unerwartet aufgebaut. Selbst spannungsreiche Actionmomente laufen nach bekanntem Muster ab, so dass kaum Zweifel aufkommen, wie die Situation aufgelöst wird.
Dadurch ergibt Jack Ryan: Staffel 3 insgesamt ein uneinheitliches Bild, das noch verstärkt wird, wenn sich die ersten Episoden so sehr mit dem Hintergrund der Verschwörung und dem Sokol-Projekt beschäftigen, dass ein klassischer Spannungsbogen beinahe fehlt. Selbst eine Verfolgungsjagd in Griechenland ist erstaunlich zahm umgesetzt und sorgt weder beim Publikum, noch bei den Beteiligten für Schweißperlen auf der Stirn. Erst in der sechsten der insgesamt acht Episoden zieht das Erzähltempo sichtlich an, wenn die Bedrohung plötzlich und unmittelbar zu spüren ist. Die Folge ist das Highlight der Staffel und inhaltlich so beängstigend wie packend. Die Geschichte an sich ist zwar inhaltlich interessant, woran es aber merklich mangelt, sind Figuren, mit denen man mitfiebern kann. Zwar rückt Jack Ryan selbst ein Stück weit vom unbesiegbaren Actionhelden ab, der er noch in der vorigen Season war, aber als Figur erfährt er überhaupt gar keine Entwicklung irgendwelcher Art. Über sein Privatleben wird kein Wort verloren, seine vorigen Verdienste nur kurz erwähnt und bis auf James Greer und Mike November scheint es keine anderen Menschen in seinem Leben zu geben. Nichtsdestotrotz verkörpert John Krasinski den Titelhelden mit einem geradezu verspielten Charisma und ihm zu folgen, ist nie langweilig. Damit das Publikum aber in eine Figur investiert ist, muss es sie auch kennenlernen, doch über das, was die erste Staffel über Dr. Ryan verrät, wächst er auch hier nicht hinaus. Das ist mehr als nur eine verpasste Chance. Ähnlich ergeht es den anderen, bekannten Charakteren, Greer und November, die beide in ihrer Entwicklung auf der Stelle treten.
So wundert es nicht, dass der von James Cosmo mit einer einnehmenden Präsenz verkörperte Luka Goncharov der heimliche Star der Staffel ist, gefolgt von einer gleichermaßen starken Nina Hoss, die den Höhen und Tiefen der persönlichen Entwicklung ihrer Figur einen jederzeit menschlichen Ankerpunkt verleiht. Bedenkt man jedoch, dass in Jack Ryan: Staffel 3 nicht weniger als das Schicksal der gesamten Welt auf dem Spiel steht, wird dem emotionalen Aspekt der Story schlicht wenig Gewicht beigemessen. So aktuell und daher packend die dritte Season ist, die Verantwortlichen lassen ebenso viel Potential ungenutzt. Das ist trotz des grundlegenden Unterhaltungswerts schade.
Fazit:
In gewisser Weise findet die dritte Staffel der Agenten-Thriller-Serie zu den Wurzeln der Figur zurück, indem weniger die Action in den Vordergrund gerückt wird, als das Analysieren der verschiedenen politischen Vorkommnisse, um potentiell gefährliche Entwicklungen vorherzusagen. Das ist auch durchaus interessant, zumal sich die Komplexität der vorgestellten Verschwörung für eine Miniserie anbietet. Dennoch wirken die ersten Episoden, in denen die verschiedenen Figuren an ihre entscheidenden Positionen gerückt werden, unerwartet lang und länger, als sie sein müssten. Erschwerend kommt hinzu, dass die Actionhighlights zu Beginn auf Grund der geradezu bedächtigen Inszenierung kaum mitreißen. So erschreckend real und glaubwürdig das geschilderte Szenario, das in gewisser Weise von der Wirklichkeit überholt wurde, so enttäuschend ist, dass der von John Krasinski so sympathisch wie charismatisch gespielte Jack Ryan in keiner Art und Weise auch nur im geringsten weiterentwickelt wird. Am Ende der acht Episoden ist er exakt dieselbe Figur wie zu Beginn. Ähnlich ergeht es auch James Greer, gleichermaßen gelungen zum Leben erweckt durch Wendell Pierce. Es ist nicht, dass das Drehbuch den Beteiligten nichts zu tun gibt, aber die Charaktere treten auf der Stelle, während neue Nebenfiguren den etablierten buchstäblich die Show stehlen. Jack Ryan: Staffel 3 ist handwerklich, mit Ausnahme der anfangs wenig packenden Action, spürbar aufwändig sowie kompetent gemacht. Der Authentizität schadet es dabei aber merklich, dass sich nicht englisch sprechende Figuren allesamt auf Englisch mit Akzent unterhalten – selbst unter sich. Insbesondere in Anbetracht des sonstigen Aufwands ist das kaum nachzuvollziehen. Sieht man, wie gut manche Aspekte der dritten Season gelungen sind, erscheinen andere nur umso unverständlicher. Das Potential der Figur, gerade mit dieser Besetzung, die sich auch für Leinwandabenteuer geradezu anbietet, schöpfen die Verantwortlichen bedauerlicherweise immer noch nicht aus.