Disturbia [2007]
Wertung: |
Kritik von Jens Adrian |
Hinzugefügt am 09. November 2009
Genre: Unterhaltung / ThrillerOriginaltitel: Disturbia
Laufzeit: 105 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2007
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren
Regie: D.J. Caruso
Musik: Geoff Zanelli
Darsteller: Shia LaBeouf, Sarah Roemer, Carrie-Anne Moss, David Morse, Aaron Yoo, Jose Pablo Cantillo, Matt Craven, Viola Davis
Kurzinhalt:
Auch ein Jahr nachdem sein Vater (Matt Craven) bei einem tragischen Autounfall ums Leben kam hat Kale (Shia LaBeouf) sein eigenes Leben nicht wieder im Griff. Als Antwort auf einen Kommentar seines Spanischlehrers, schlägt er diesen zu Boden und wird für die drei Monate Ferien zu Hausarrest verurteilt. Hier werden die Spannungen in der Beziehung zu seiner Mutter (Carrie-Anne Moss) immer größer. Bis sein Schulfreund Ronnie (Aaron Yoo) bei Kale eintrifft, hat dieser sich aber schon eine Tagesroutine zugelegt, bei der sämtliche Nachbarn beobachtet werden, so dass Kale Reality ohne TV genießen kann.
Auch Ashley (Sarah Roemer), Tochter der neu eingezogenen Nachbarn, steht auf dem Programm. Als diese auf Kale und Ronnie aufmerksam wird, lenken sie ihre Aufmerksamkeit auf den unscheinbaren Nachbarn Mr. Turner (David Morse). Anfänglich ist es nur ein Hirngespinst, Turner könnte ein gesuchter Killer sein. Immerhin wurde erst kürzlich wieder eine junge Frau als vermisst gemeldet. Doch dann beobachten die Jugendlichen Etwas und beschließen, ihre Theorie auf einen gefährlichen Prüfstand zu stellen ...
Kritik:
Wer ist nicht gerne ab und zu ein Voyeur? Der Blick auf das Privatleben der Anderen hat gerade in der heutigen Zeit voller vermeintlicher Doku-Soaps etwas Ungeschöntes und Natürliches. Dabei muss man nicht wie in der klassischen Vorstellung mit einem Fernglas in den Baumkronen sitzen, es genügt heutzutage schon in der U-Bahn ein schneller Blick auf das Handydisplay des Sitznachbarn, oder dem Pärchen vor einem in der Schlange an der Kasse aufmerksamer beim Gespräch zuzuhören. Eine wahre Welt offenbart sich dem, der in der Stadt in einem höheren Stock wohnt und einen Blick über einen Hinterhof zur Verfügung hat. Man bekommt ohne Kosten Zugang zu einer Vielzahl an Leben, die man beobachten kann, ohne je einen Gedanken daran zu verschwenden, dass diese es mit einem genauso tun könnten.
Bei Kale ist diese Freizeitbeschäftigung aus der Not heraus geboren. Nach dem Angriff auf einen Lehrer zu drei Monaten Hausarrest samt elektronischer Fußfessel verurteilt, sucht sich der nach dem Unfalltod seines Vaters auf die schiefe Bahn geratene Jugendliche etwas, um sich den Tag zu vertreiben. Als Anschauungsobjekt eignet sich die neu in die Nachbarschaft gezogene Ashley schon sehr gut und eher als Ausrede lenkt er sein Augenmerk auf Mr. Turner. So beginnt Disturbia nach einem überraschenden Auftakt als unterhaltsames Portrait eines Jugendlichen, dem ein Ziel in seinem Leben fehlt und der nicht in der Lage scheint, sich selbst eines zu suchen. Die ersten Annäherungen an das Mädchen in der Nachbarschaft und die humorvollen Konfrontationen mit seinem Kumpel Ronnie lassen die erste Filmhälfte dabei am Zuseher vorbeifliegen, auch wenn nicht so recht deutlich wird, worauf Regisseur D.J. Caruso mit seiner Abwandlung des Klassikers Das Fenster zum Hof [1954] hinarbeitet. Wenn der Wechsel im Erzähltempo kommt, kommt er sehr abrupt und reißt das Ruder merklich in eine andere Richtung. Bis dahin relativ brav gehalten, baut das Drehbuch den Thrilleranteil nicht nur schnell aus, sondern legt im letzten Drittel auch in Sachen Gewaltdarstellung merklich zu. Den undurchschaubaren und unheilvollen Nachbarn Mr. Turner – entsprechend düster verkörpert von David Morse – lernt man nur durch die Erfahrungen der Teenager kennen, nicht aber durch irgendeine andere Einstellung. Die Geschichte wird ab Beginn des Hausarrestes aus der Sicht Kales erzählt und packt gerade dadurch auch in den Momenten, in denen Ronnie in Kales Auftrag immer tiefer in Turners Privatsphäre eindringt.
So unterhaltsam und stellenweise unvorhersehbar Disturbia dadurch auch sein mag, gerade das zweite Drittel scheint zu hektisch und schnell aufgebaut, der Umschwung zum Thriller zu plötzlich und das an sich sehr lange Finale nicht wirklich ausgenutzt. Was den Genremix dennoch sehenswert macht, ist die durchweg sympathische Besetzung, die nicht nur von einem natürlichen und überzeugenden Shia LaBeouf profitiert, sondern bei der auch Aaron Yoo und Sarah Roemer ihren Teil dazu beitragen. Caruso gelingt es gekonnt, den Jugendlichen Gedanken und Verhaltensweisen mitzugeben, bei denen man als Erwachsener nicht verzweifelt die Augen rollt, die aber dennoch glaubhaft wirken. Dabei verkommt Carrie-Anne Moss leider zur Nebendarstellerin und auch über Morses Mr. Turner erfährt man recht wenig. Nichtsdestoweniger interessiert das Schicksal der Figuren, so dass man gespannt bleibt, wer bis zum Ende durchhält.
Tadellos und spannend gefilmt überrascht das mit 20 Millionen Dollar Budget recht günstige Hollywoodwerk letztendlich positiv. Das heißt nicht, dass man sich als Zuschauer mitunter nicht wünschen würde, das Drehbuch hätte manche Situationen anders aufgelöst, oder die Geschichte stellenweise gar ganz anders verlaufen lassen. Vielmehr macht gerade das Disturbia zu einem erfrischenden Thriller mit vielen bekannten Zutaten. Nur der Lerneffekt, dass Voyeurismus an sich nichts Gutes ist, geht dabei leider verloren.
Fazit:
Entschuldbar ist Kales Verhalten gegenüber seinem Lehrer nicht, wenn er ihn zu Boden schlägt. Verständlich vielleicht auf Grund des Hintergrundes, den man als Zuseher im Vorfeld vermittelt bekommt. Es macht den rebellischen und desillusionierten Jugendlichen trotz seiner Fehler sympathisch und etabliert Shia LaBeouf damit einmal mehr als verlässlichen Darsteller, um einen Spielfilm als Hauptakteur zu tragen. Was aus der Ausgangslage später in Disturbia entsteht, kommt einem alles irgendwie bekannt vor, und wird doch immer wieder mit neuen Einfällen kombiniert, so dass der Ausgang offen und die Zuschauer am Ball bleiben.
Makellos umgesetzt und spannend erzählt, gehört der ungewöhnliche Unterhaltungsthriller um "böse" Nachbarn zu den besten der letzten Jahre. Man mag dabei Vieles finden, was man hätte anders machen können, am Endergebnis ändert das aber glücklicherweise nichts.