Das Leben der Anderen [2006]

Wertung: 5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 07. Oktober 2008
Genre: Drama

Laufzeit: 132 min.
Produktionsland: Deutschland
Produktionsjahr: 2006
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: Florian Henckel von Donnersmarck
Musik: Stéphane Moucha, Gabriel Yared
Darsteller: Martina Gedeck, Ulrich Mühe, Sebastian Koch, Ulrich Tukur, Thomas Thieme, Hans-Uwe Bauer, Volkmar Kleinert


Kurzinhalt:
Im Osten Berlins im Jahr 1984 ist Hauptmann Gerd Wiesler (Ulrich Mühe) Abhörspezialist für die Staatssicherheit. Dass er damit auch in Besitz von Geheimnissen hochrangiger Staatsdiener kommt, ist für ihn Berufsrisiko. Doch zermürbt es die Überzeugung des getreuen DDR-Bürgers, wenn er mit ansehen muss, dass auch das Regime repräsentierende Minister wie Bruno Hempf (Thomas Thieme) ihre Stellung missbrauchen.
Dieser ist besonders an der Theaterdarstellerin Christa-Maria Sieland (Martina Gedeck) interessiert, die jedoch mit dem Autor Georg Dreyman (Sebastian Koch) liiert ist. So soll Wiesler nun auf Geheiß seines Vorgesetzten Oberstleutnant Anton Grubitz (Ulrich Tukur) Dreyman überwachen und Beweise für seine Regimefeindlichkeit sammeln. Zu Anfang ist Dreyman nichts anzulasten – doch als dieser sieht, wie Freunde von ihm von der Regierung unter Druck gesetzt werden, regt sich in ihm Widerstand.
Als Wiesler von jenem Wandel des Autors durch die Überwachung erfährt, liegt es an ihm zu entscheiden, ob er Dreyman ans Messer liefert, oder sich der Korruption in den eigenen Reihen widersetzt ...


Kritik:
An sich ist es ein Armutszeugnis, wenn ein Film, der (ost)deutsche Geschichte zum Thema hat, am Tag der Deutschen Einheit zur Primetime weniger Zuschauer vor die Fernseher locken kann, als die zigte Wiederholung eines Science Fiction-Märchens. Im Falle des vielfach preisgekrönten und sogar oscarprämierten Das Leben der Anderen ist just dies geschehen, was vielleicht verdeutlicht, dass die alten Wunden beileibe noch nicht verheilt sind und die Menschen an das, was in der ehemaligen DDR geschehen ist, nur ungern erinnert werden wollen.
Und doch beweist Autor und Regisseur Florian Henckel von Donnersmarck, der sein geschichtsträchtiges Drama mit einem minimalen Budget von nur 1,8 Millionen Euro realisierte, dass es auch unter solchen Regimen immer wieder Menschen gibt, die sich nicht in einpferchen und kontrollieren lassen. Die im stillen rebellieren und gerade dadurch Hoffnung geben. Eine Hoffnung, die nicht in Vergessenheit geraten sollte.

Und doch hinterlässt der Film des damals erst 33jährigen im Rückblick nicht immer einen durchweg positiven Eindruck, was aber insbesondere am Rummel um die Veröffentlichung und die Auftritte des Regisseurs danach liegt. So zeigte sich Henckel von Donnersmarck überraschend empfindlich, als deutsche wie internationale Filmkritiker sein Werk nicht so gut bewerteten, wie er selbst und richtete sich dann in persönlichen Briefen an die entsprechenden Personen. Mit Martina Gedeck hatte er sich wohl schon bei den Dreharbeiten zerstritten, woraufhin sie zur Veröffentlichung viele spitze Kommentare zum Jungregisseur fallen ließ. Die Produzenten, zu denen das Verhältnis wohl abgekühlt war, wurden von ihm nicht einmal bei der Oscar-Ansprache erwähnt und die reißerisch wirkenden "Enthüllungen" zu angeblichen Stasi-Informanten, die in Begleitbüchern vom Regisseur aufgedeckt und anschließend vor Gericht geklärt wurden, hinterlassen einen unschönen Beigeschmack.
Ob der Filmemacher ein umgänglicher Zeitgenosse ist, oder nicht, sei dahingestellt, dass ihm ein gelungenes, wenn mitunter auch klischeehaftes Porträt der Zeit während der ehemaligen DDR gelungen ist, ist unbestritten. Nur sollte man als Zuschauer nicht den Fehler begehen, Das Leben der Anderen wichtiger zu nehmen, als es als fiktive Erzählung tatsächlich ist. Denn trotz einiger bekannter Überläufer während der Stasi-Herrschaft, ist eine solche Geschichte, wie hier beschrieben, nie dokumentiert worden.

Sieht man das Drehbuch unter diesen Voraussetzungen, überrascht insbesondere das gelungene Ambiente, das nicht die soziale Situation der Menschen im ehemaligen Osten Deutschlands unterstreicht oder gar erwähnt, sondern vielmehr die Versorgung der Menschen und ihrer Grundbedürfnisse völlig außen vor lässt. Wie sich die damalige Regierung der breiten Bevölkerung präsentierte, wird gänzlich außer Acht gelassen. Stattdessen wird anhand des Beispiels der Künstlerszene in Ostberlin gezeigt, wie die Staatsregierung den "freien Geist" des Volkes gängelt, die Künstler mit ihren Ängsten und Befürchtungen unter Druck setzt und ihre Macht nutzt, jene Botschaft in den Kunstwerken zu transportieren, die regimetreu erscheinen.
Der beschriebene Autor Georg Dreyman und die Theaterdarstellerin Christa-Marie Sieland sollen hier nur als Prototypen für eine ganze Gesellschaftsschicht dienen, die seit jeher unter solchen Regierungsformen zu leiden hat und früher oder später an den Punkt gebracht wird, wo man sich entweder den Vorgaben der Herrschenden fügt, oder aber aus ihren Zwängen ausbricht. Einer der Kritikpunkte Gedecks an der Vorlage war die Tatsache, dass Dreyman erst dann wachgerüttelt wird, als die Frau in seinem Leben ins Fadenkreuz gerät. Sieland hingegen wird dem Klischee der "braven" Frau entsprechend als labil geschildert und nicht in der Lage, sich selbst zu helfen. Auch wenn dies sicherlich ein berechtigter Kritikpunkt ist, als Teil der Geschichte ist dagegen nichts einzuwenden, die Darstellung Sielands wirkt trotz allem natürlich und nachvollziehbar, auch wenn Gedeck sicherlich in der Lage gewesen wäre, der Figur bei einer weiteren Ausarbeitung auch mehr Tiefe zu verleihen.
Diesbezüglich schwerer zu verstehen ist der Wandel von Abhörspezialist Hauptmann Gerd Wiesler, den Autor Henckel von Donnersmarck wohl an der universellen Kraft der Musik in der vorgestellten "Sonate vom Guten Menschen" festmachen wollte. Dies wird jedoch nur bedingt deutlich. Stattdessen bleibt die Interpretation offen (und in gewissem Sinne auch verständlicher), dass Wiesler durch seine Arbeit an Informationen herankommt, die belegen, dass eben jene Machthaber, die das System, an das er selbst glaubt, aufrecht erhalten und vertreten sollen, eben jenes ausnutzen und untergraben. Nichtsdestoweniger scheint Wieslers Veränderung sich sehr subtil, wenn auch schnell zu vollziehen.
Das Skript bringt viele gute Ansätze mit sich und scheint in vielen Momenten auch überraschend durchdacht. Ob man es in gewissem Sinne hätte straffen und spannender machen können, sie dahingestellt, doch es verwundert angesichts des Alters des Autors und des hohen Grades an Authentizität durch seine Vielschichtigkeit. Sei es nun tatsachenbasiert oder nicht.

Die Besetzung wird von einem undurchschaubaren und gerade deswegen erstklassigen Ulrich Mühe angeführt, der abgesehen von zahlreichen Filmen hierzulande auch durch die langlebige Fernsehserie Der Letzte Zeuge [1998-2007] bekannt war. Der inzwischen leider verstorbene Darsteller mimt den zweifelnden Abhörspezialisten mit einer Natürlichkeit, dass es beinahe schon erschreckend ist veredelt die bereits ohnehin hochkarätige Besetzung.
Martina Gedeck und Sebastian Koch unterstützen sich gegenseitig in den gemeinsamen Momenten gekonnt und tragen durch ihre Mimik und Gestik sehr viel zur gelungenen Atmosphäre des Films bei. Ebenso wie Ulrich Tukur und Thomas Thieme, die ihren Rollen vom ersten Moment an gerecht werden.
Selbst die Nebenrollen sind gut besetzt und verdeutlichen, dass ein erstklassig gespielter Film nicht von einem großen Budget abhängt. Die Beteiligten begnügten sich in diesem Fall sogar mit einem Fünftel ihres normalen Gehalts, um die Kosten niedrig zu halten.

An der handwerklichen Umsetzung gibt es indes nichts zu bemängeln. Der Regisseur bemüht sich um langsame Kamerafahrten, einen ruhigen Szenenaufbau und Einstellungen, die die Figuren im jeweiligen Hintergrund bedeutsam ins Bild setzen. Meist gelingt ihm das sogar sehr gut, auch wenn die Szenenabfolge nicht immer so reibungslos erscheint, wie man sich dies erhofft hätte. Dass jedoch gerade das Finale diesbezüglich etwas fahrig umgesetzt wirkt, enttäuscht ein wenig.
Hier hätte man grundsätzlich auf etwas unkonventionellere Einstellungen vertrauen und dem Film somit ein weniger gewöhnliches Aussehen verpassen können. Nichtsdestoweniger harmonieren Kamera und Schnitt gut, so dass sich der Filmemacher bei seinem ersten abendfüllenden Spielfilm keine Blöße gibt.

Ebensowenig die musikalische Untermalung, die vom libanesischen Komponisten Gabriel Yared stammt, der den Score zusammen mit Stéphane Moucha entwarf.
Herausgekommen ist ein überaus gelungener orchestraler Score, der sich zentral um die "Sonate vom Guten Menschen" dreht, jedoch mit einigen sehr harmonischen Themen aufwartet, die dem Film in gewisser Hinsicht auch ein internationales Flair verleihen. Die verschiedenen Motive passen sich den jeweiligen Szenen an, werden jedoch relativ selten abgewandelt, sondern vielmehr wiederholt eingespielt. Mehr Variationen diesbezüglich hätten geholfen, dass der Soundtrack sich während der Laufzeit nicht drei Mal zu wiederholen scheint. In Bezug auf Stimmung und Tempo entfalten die Stücke mit den unverfälscht erscheinenden Bildern ihre beste Wirkung.

Man muss ohne Frage anerkennen, was der junge Filmemacher direkt nach seinem Abschluss hier auf die Beine stellt – und dies mit einem im Vergleich sehr geringen, finanziellen Aufwand. Getragen wird Das Leben der Anderen von den ausnahmslos guten Schauspielern, die das vielschichtige, wenn auch mitunter nicht ganz klischeefreie Skript gekonnt vor der Kamera zum Leben erwecken.
Manches mag vom Regisseur anders beabsichtigt gewesen sein, als es im Endeffekt im Film deutlich wird, doch sollte einen dies nicht daran hindern, die fiktive Geschichte als Inspiration dessen zu sehen, was Menschen auch in solch unterdrückenden Systemen bereit sind, zu tun. Die Beweggründe außen vor gelassen, sollte es auch ein Mahnmal dessen sein, wozu ein solches Regime im Stande ist, und wozu es mitunter Menschen bringt, die wie die weibliche Hauptfigur, an jenem Druck zerbrechen.


Fazit:
Auch wenn es nach der Veröffentlichung mitunter so schien, als wäre die Produktion eine One-Man-Show des Autors und Regisseurs Florian Henckel von Donnersmarck gewesen, entpuppt sich Das Leben der Anderen doch als Gemeinschaftserfolg. Von den Darstellern sticht insbesondere Ulrich Mühe hervor, der jene Veränderung (die sich ja schließlich in der gesamten Bevölkerung der ehemaligen DDR vollzog, was letztlich zum Mauerfall führte) verständlich macht und der Kernaussage des Skripts ein Gesicht verleiht.
Die restliche Besetzung steht dem in nichts nach, und auch die handwerkliche Umsetzung vermag durchweg zu überzeugen. Dass das Leben der "normalen" Bevölkerung im Osten Deutschlands zu jener Zeit nicht erwähnt oder geschildert wird, ist ein Versäumnis, ebenso wie die Wandlung selbst zu glatt und schnell vollzogen wird. Wichtig ist allenfalls, dass der Film leider nicht auf Tatsachen basiert.
Doch macht ihn dies unabhängig vom Schauplatz und der Zeit in der er spielt universell gültig und seine Aussage zeitlos wichtig. Als Porträt für jene Schattenseite der ehemaligen Regierung der DDR ist es in gewisser Hinsicht auch ein Zeitdokument. Ein Zeugnis dessen, was viele 18 Jahre nach dem Mauerfall nicht mehr wahrhaben möchten, und was die jüngsten Generationen nicht mehr miterlebten und somit zusätzlich zu verklärten Erinnerungen als Horrorgeschichten abtun. Der Horror war jedoch keine Geschichte, er war real.