Dame, König, As, Spion [2011]

Wertung: 4 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 12. August 2012
Genre: Drama

Originaltitel: Tinker Tailor Soldier Spy
Laufzeit: 127 min.
Produktionsland: Frankreich / Großbritannien / Deutschland
Produktionsjahr: 2011
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: Tomas Alfredson
Musik: Alberto Iglesias
Darsteller: Gary Oldman, Colin Firth, Ciarán Hinds, Tom Hardy, Benedict Cumberbatch, John Hurt, Mark Strong, Toby Jones, David Dencik, Kathy Burke, Simon McBurney, Stuart Graham, Konstantin Khabenskiy, Svetlana Khodchenkova, Sarah Jane Wright, Katrina Vasilieva, Stephen Graham


Kurzinhalt:
1973: Bei einer missglückten Mission wird der britische Agent Jim Prideaux (Mark Strong) in Ungarn gefangen genommen. Es bestätigt die Befürchtungen des Leiters des Britischen Geheimdienstes, Control (John Hurt), dass ein Doppelagent in seinem engsten Kreis sitzt, der Informationen weitergibt. Daraufhin wird Control zusammen mit dem erfahrenen Agenten Smiley (Gary Oldman) entlassen. Doch tritt Oliver Lacon (Simon McBurney) im Auftrag des Ministers an Smiley heran; er soll im Verborgenen ermitteln, wer der Maulwurf ist. Es kann nur ein Mitglied einer kleinen Gruppe sein: Bill Haydon (Colin Firth), Roy Bland (Ciarán Hinds), Percy Alleline (Toby Jones) oder Toby Esterhase (David Dencik). Allerdings hatte Control auch Smiley in Verdacht.
Als Smiley zusammen mit Peter Guillam (Benedict Cumberbatch) seine Ermittlungen aufnimmt, kommt der Agent Ricki Tarr (Tom Hardy) auf ihn zu, der zur Russin Irina (Svetlana Khodchenkova) Kontakt aufgenommen hat. Sie behauptet, Informationen über den britischen Verräter zu besitzen, will jedoch Garantien für ihre Zukunft. Währenddessen vertiefen Alleline als neuer Leiter des Geheimdienstes, Haydon, Bland und Esterhase die Zusammenarbeit mit einer hochrangigen, russischen Quelle, genannt "Witchcraft". Doch wenn hier Informationen ausgetauscht werden, kann man Witchcraft dann vertrauen? Und wenn der Maulwurf in dieser Gruppe zu finden ist, werden auch die Russen erfahren, welche von den Briten herausgegebene Details richtig und welche gefälscht sind ...


Kritik:
In Dame, König, As, Spion nimmt sich der schwedische Filmemacher Tomas Alfredson dem gleichnamigen Roman von John le Carré aus dem Jahr 1974 an. Das Buch gilt als eines der einflussreichsten des Genres und prägte wie le Carrés übrigen Werke die Landschaft der Agententhriller nachhaltig. Nach einer erfolgreichen Miniserie im Jahr 1979 mit Alec Guinness in der Hauptrolle, markiert Dame, König, As, Spion das erste Mal, dass einer der Romane nach einer TV-Adaption nochmals fürs Kino umgesetzt wird. Angesiedelt im Herbst 1973 gelingt Alfredson dabei ein authentischer Blick auf das internationale Agenten-Milieu, in dem kein Mensch tatsächlich so ist wie er scheint, und wo Betrug, Doppelspionage und Misstrauen an der Tagesordnung sind. Doch erzählt der Film seine eigentlich spannende und überaus komplexe Hintergrundgeschichte so bewusst langsam, dass nicht nur jeglicher Erzählfluss zum Erliegen kommt, sondern dass man selbst droht, das Interesse zu verlieren, wenn augenscheinlich nichts geschieht.

Die Geschichte selbst kann man sich brenzliger kaum vorstellen: Auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges ist der Austausch der amerikanischen und britischen Geheimdienste abgekühlt. Nachdem bei einem vermeintlichen Treffen mit einem ungarischen General ein britischer Agent gefangen genommen wurde, erscheint das Königreich in noch schlechterem Licht. Darum wird der Kopf des Britischen Geheimdienstes, Control, zusammen mit dem erfahrenen Agenten Smiley, vor die Tür gesetzt. Control hatte die Vermutung, dass im innersten Kreis ein Verräter sitzen würde. Darum wird Smiley von Oliver Lacon zurückgeholt und soll verdeckt ermitteln. Gemeinsam mit Peter Guillam entdeckt er, dass weit mehr hinter der Gefangennahme des britischen Agenten steckt als zunächst vermutet. Und obwohl der Kreis der Verdächtigen bezüglich des Maulwurfs sehr klein ist, muss vorsichtig vorgegangen werden, damit die entsprechende Person nicht die Flucht ergreift.

Fernab von Schurken, welche die Weltherrschaft ergreifen wollen, technischen Spielereien oder halbnackter Frauen wie bei James Bond üblich, entführt die Story von Dame, König, As, Spion das Publikum in eine Welt der Geheimdienste, wie sie vermutlich eher stattgefunden hat oder noch stattfindet. Ermittlungsarbeit, die aus dem Auswerten von Protokollen besteht, überprüfen von Zahlungen und Reisekosten und die wiederholte, scheinbar beiläufige Befragung von Verdächtigen, um Widersprüche in deren Aussagen aufzudecken. Über allem schwebt Smileys Erzfeind, sein russischer Gegenspieler Karla, den er einst zum Überlaufen bringen wollte, aber scheiterte. Zwei weitere Bücher beschäftigen sich mit dieser Figur und es gibt Überlegungen, auch diese zu verfilmen.
Doch so interessant die Ausgangslage ist, so gelungen die Sets, Kostüme und Farben, die keinen Zweifel aufkommen lassen, in welcher Zeit sich die Figuren befinden, so lähmend ist allerdings auch die Umsetzung. Mit beinahe einem Dutzend Charaktere und mehreren Handlungssträngen ist der Film selbst schon beschäftigt genug, dass überdies zwischen mehreren Zeitebenen abgewechselt, immer wieder in der jetzigen Situation und Smileys Erinnerungen erzählt wird, macht den Spagat nur noch schwieriger. Doch erfährt man über die wenigsten Figuren mehr als ihren Namen. George Smiley bleibt zwar passend undurchschaubar, aber wenn man über die Verdächtigen kaum etwas erfährt, sondern nur ein einziger näher beleuchtet wird, verwundert es auch nicht, wenn dieser schließlich als Maulwurf enttarnt wird.

Es mag ein bewusstes Stilmittel von Regisseur Tomas Alfredson sein, dass er viele Aufnahmen aus großer Distanz tätigt, beinahe so, als würde er selbst bei einer Überwachung durch ein Fernglas schauen. Doch fehlt darum auch in brenzligen Situationen der Bezug zu den Personen. Überdies gibt sich der Regisseur mit langen Einstellungen, seiner ruhigen Beobachtung der Figuren und Szenen, deren Notwendigkeit nicht immer offensichtlich ist, betont Mühe, jede Spannung aus der Geschichte zu nehmen. Die ruhige Musik von Alberto Iglesias trägt hierzu zwar ihren Teil bei, doch verwundert es, weshalb der Filmemacher Dame, König, As, Spion scheinbar bewusst ohne eine treibende Dramaturgie erzählt.
Das schmälert weder die Komplexität der Geschichte, noch die hervorragenden Leistungen der Darsteller oder die eindrucksvollen Bilder. Aber es kostet den Film jeglichen Unterhaltungswert. Wer in Erwartung eines Thrillers hier zusieht, wird grundlegend enttäuscht werden. Und für ein konkretes Drama fehlen Charaktere, mit denen man mitfühlen würde.


Fazit:
Eine Agentenstory zur Zeit des Kalten Krieges ist zwar nicht neu, aber nichtsdestoweniger interessant. Umso mehr, wenn man wie hier nicht mit Figuren in weiß oder schwarz, sondern vielen Grautönen konfrontiert wird. Die internationalen Verwicklungen, der Austausch von vielleicht wahren, vielleicht gefälschten Informationen und die Bedeutungslosigkeit eines Menschenlebens bieten genügend Ansatzpunkte für eine spannende Erzählung.
Aber auch wenn Regisseur Tomas Alfredson namhafte Darsteller versammelt und ihnen durchaus anspruchsvolle Rollen gibt, was ihm dabei gelingt ist eindrucksvoll als technische Errungenschaft, jedoch nicht in künstlerischer Hinsicht. In interpretationsfreudige Bilder, erstklassige Sets und eine ansprechende Farbpalette gekleidet, fehlt es Dame, König, As, Spion nicht nur an packenden Momenten, sondern schlichtweg an irgendeiner Dramaturgie. Die Geschichte wird so behäbig erzählt, zwischen den einzelnen Handlungssträngen scheinbar willkürlich gewechselt, dass man das Gefühl nicht loswird, die interessantesten Momente immer zu verpassen. Das letzte Drittel ist hier zwar weniger träge, aber bei weitem nicht spannend. Insofern ist es unverständlich, wie aus einem solchen Stoff ein Film werden kann, der weder Drama noch Thriller ist. Es ist vielmehr eine Studie von Agenten, über die man kaum etwas erfährt. Dafür wird das bedrückende Unbehagen der Unsicherheit und Skepsis jener Zeit eingefangen. Und das sehr lange.